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Innenpolitik

Die große Koalition des Kapitals

Von Walter W. | 01.12.2005

In Abwandlung eines bekannten Sprichworts agieren die KoalitionärInnen nach dem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert, regiert sichs weiter ungeniert! Obwohl Millionen sich von SPD/CDU/CSU am Wahltag abwandten, geht der asoziale Raubzug des neoliberalen Kartells weiter.

In Abwandlung eines bekannten Sprichworts agieren die KoalitionärInnen nach dem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert, regiert sichs weiter ungeniert! Obwohl Millionen sich von SPD/CDU/CSU am Wahltag abwandten, geht der asoziale Raubzug des neoliberalen Kartells weiter.

Als Tanz der Vampire könnte mensch den 150seitigen Koalitionsvertrag überschreiben. Opfer der blutsaugenden Truppe sind wieder einmal die drei großen Gruppen der Gesellschaft: Lohnabhängige, Erwerbslose und RentnerInnen. Letztere 20 Millionen sind diesmal das privilegierte Objekt der Begierde. Vier Jahre Rentenstopp, d.h. Rentenabbau im zehnstelligen Bereich. Hinzu kommt ein großer Kaufkraftverlust in Form der Merkel-Münte-Steuer = Mehrwertsteuererhöhung auf 19%. Logische Konsequenz ist eine Schwächung des Binnenmarktes mit Insolvenzen im Einzelhandel und… vermehrter Arbeitslosigkeit siehe Karstadt. Die RentnerInnen sind besonders von der Gesundheits„reform” betroffen. Die KoalitionärInnen visieren eine „Liberalisierung der Arzneimittelversorgung” an und somit die Verschärfung der real existierenden Zwei-Klassen-Medizin. Gerät der ältere Mensch dann in die Pflegebedürftigkeit droht ihm die “humane Pflege” im Modell Deutschland. Wer den gravierenden Pflegenotstand in den ca. 8500 Altenheimen kennt, erahnt was droht, wenn die Neoliberalen „Verbesserungen“ vorschlagen. Der pathologische Jugendwahn im shareholder-Kapitalismus erledigt den Rest. Der ganze Vertrag ist im Übrigen eine Anreihung von Platitüden, Halb- und Unwahrheiten, der seine Lektüre geradezu unerträglich macht. Human, weltoffen, kinderfreundlich, integrativ, frauenfreundlich usw. usf. … das ganze Jahrzehnte alte, verlogene und demagogische Vokabular der neoliberalen Mafia.
Der gewöhnliche Raubtierkapitalismus
Der seit langem beschworene Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit und für Mehrbeschäftigung kommt jetzt so richtig in Schwung – erzählten uns schon Schmidt, Kohl und Schröder. Wahrscheinlich sowohl durch Erhöhung der Beiträge zur Rentenversicherung, durch Mehrwersteuererhöhung und fast unbemerkt durch die Erhöhung der Versicherungssteuer auf 19%! Pendlerpauschale für die Strecken erst ab 20 Kilometer und als Beitrag zur sozialen Ausgewogenheit verbesserte Abschreibungen – für Unternehmen. Das  geflügelte Wort vom Subventionsabbau ist im Klartext nur das Synonym für Sozialabbau. Laut Aktueller Stunde des WDR verliert so eine dreiköpfige Familie monatlich 183 Euro. An ihrer Sprache könnt ihr sie erkennen: Die „notwendigen“ Reformen, Flexibilität, Deregulierung, die „Gesetze“ des Marktes und der Globalisierung, die „hohen“ Lohnnebenkosten… endlos die Kette der Worthülsen. Hier aufklärerisch zu wirken und phantasievoll Gegenöffentlichkeit zu schaffen, ist eine elementare Aufgabe im politischen Klassenkampf.
Einige andere Aspekte
Der Anfang vom Ende des Kündigungsschutzes ist mit einer 24-monatigen Laufzeit beschlossene Sache. Was erzählte uns Münte noch vor zwei Monaten? Hartz IV hat Millionen von Menschen in Armut gestürzt, insbesondere Kinder. Der Koalitionsvertrag preist uns als kinderfreundliches Land. Im Ausbildungsbereich sind Kinder aus sozial schwächeren Familien notorisch unterprivilegiert. Der Föderalismus wird eindeutig durch die Schaffung der Bundespolizei gefördert. Und die Erde ist eine Scheibe! Moralischer Höhepunkt dieses Machwerks ist die Perspektive einer gerechten Globalisierung. Manche glauben auch die unbefleckte Empfängnis.

Es könnte einen Erfolg der neuen Regierung geben, den viele Linke (noch) nicht sehen. Einige Grausamkeiten erfolgen erst 2007. Der Effekt ist unter Umständen ein Kaufboom, der eine Art positiver Scheinkonjunktur erzeugt. Dies führt dann zu falschen Hoffnungen ins Gelingen des Programms und unter dem Gesichtspunkt des Klassenkampfes zu einer temporären Schwächung einer potentiellen Protestbewegung.
Die Pflicht zum Widerstand
Deutschland ist ein Land mit geringem Klassenbewusstsein. Daran muss erinnert werden, um nicht mit ultimatistischen Forderungen in den antikapitalistischen Widerstand zu ziehen. Die Reaktion der Linkspartei verheißt nichts Gutes. Zur Zeit findet „Opposition“ in moderat gedämpftem Ton auf den bequemen Sesseln diverser talk-shows statt. Insofern ist Organisierung des außerparlamentarischen Widerstandes eine gebieterische Notwendigkeit. Das tiefe Misstrauen gegen die BerufspolitikerInnen kann hier hilfreich sein. Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren!

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