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Innenpolitik

Die große Koalition des Kapitals (2. Teil)

Von Walter W. | 01.04.2006

Der Spiegel brachte es auf den Punkt, es regiert die große Koalition der ArbeitsplatzvernichterInnen. Insolvenzen, Massenentlassungen zugunsten der AktionärInnen bei Rekordgewinnen, Vernichtung von Vollzeitarbeitsplätzen durch 400€-Stellen oder 1€-Jobber, Verlegung von Produktion und Verwaltung in Länder mit Armutslöhnen. Von der Steigerung des Volkseinkommens in diesem Jahr um 42 Milliarden sahnen „die Reichen und die Schönen“ satte 40 Milliarden ab.

Der Spiegel brachte es auf den Punkt, es regiert die große Koalition der ArbeitsplatzvernichterInnen. Insolvenzen, Massenentlassungen zugunsten der AktionärInnen bei Rekordgewinnen, Vernichtung von Vollzeitarbeitsplätzen durch 400€-Stellen oder 1€-Jobber, Verlegung von Produktion und Verwaltung in Länder mit Armutslöhnen. Von der Steigerung des Volkseinkommens in diesem Jahr um 42 Milliarden sahnen „die Reichen und die Schönen“ satte 40 Milliarden ab.

Der ehemalige Vorsitzende der ehemaligen sozialdemokratischen Partei, Franz Müntefering, erweist sich als gnadenloser Vollstrecker des neoliberalen Raubzuges. Neben der Solidarisierung seiner Chefin Angela Merkel mit der NATO und dem Irak-Aggressor USA wird die Militarisierung der Außenpolitik unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung forciert. Und in Zukunft verteidigt die Bundeswehr die deutschen Interessen (?) nicht nur am Hindukusch, sondern auch im Fußballstadion.
Vom Kampf gegen die Arbeitslosen …
Müntefering proklamiert die Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf 67 Jahre, obwohl die Hälfte aller Betriebe in der BRD keine Menschen über fünfzig beschäftigt! Jede Arbeitszeitverlängerung ist eine schallende Ohrfeige für die 5 Millionen registrierten und die 2-3 Millionen nicht-registrierten Arbeitslosen, sowie eine Erweiterung der no-future-„Perspektive“ für die Jungen ohne Ausbildungs- oder Arbeitsplatz.
Gleiches gilt für den Öffentlichen Dienst. Die sozialen Dienste in den Kommunen brechen unter der Last der rapid wachsenden Aufgaben durch Arbeitslosigkeit und Massenverarmung zusammen. Es ist z.B. eine Verhöhnung der MitarbeiterInnen in der Altenpflege, in der eine exzessiver Pflegenotstand herrscht, von ihnen Mehrarbeit zu verlangen. Von den betroffenen PatientInnen mit Parkinson, Alzheimer, Schlaganfall, Diabetes etc. ganz zu schweigen.
Gleichzeitig wird den unter 25jährigen das ALG 2 um 20% gekürzt. Arbeitslose verlieren ihre Wohnungen und ihr Lebensumfeld, wenn die Wohnung einige Quadratmeter zu groß ist. Behalten sie die Wohnung, minimiert sich ihr kümmerliches Bareinkommen entsprechend. Da wird die Tütchensuppe von ALDI zur bedarfsgerechten und kalorienbewussten Ernährung. Mensch beachte den positiven Gesundheitseffekt zugunsten der Sozialversicherung.
Die Gesundheitssituation der Arbeitslosen verschlechtert sich eklatant. Langzeiterwerbslose werden doppelt so häufig krank wie Beschäftigte, suchen seltener eine ärztliche Praxis auf und verzichten auf notwendige Medikamente. Armut macht krank, titelt richtigerweise Dr. Marianne Koch in der Märzausgabe der Apotheken-Umschau. Sie ergänzt, dass die Lebenserwartung um sieben Jahre niedriger liegt als bei der reicheren Normalbevölkerung. Zudem ist die Selbstmordrate bei Langzeitarbeitslosen zwanzigmal höher als bei der Restbevölkerung. Die z. T. demütigenden Beschäftigungsverhältnisse für qualifizierte Menschen mit jahrzehntelanger Berufserfahrung auf 1-€-Basis, zwanghaft auferlegt, runden das Bild ab. In dieser Betrachtung kommen die statistisch nicht Erfassten nicht vor, weil, wie es in der zynischen Sprache der bürgerlichen Ökonomie so schön heißt, „diese Leute vom Arbeitsmarkt verschwunden sind“, d. h. ,,sie davon ausgeschlossen wurden“ (Ernest Mandel).
… zum Krieg gegen die RentnerInnen
Eigentlich müssten wir von einem Krieg gegen die Alten sprechen, denn es geht nicht nur um finanzielle Einschränkungen, sondern um die Herabsetzung des Altwerdens in einer von hohlköpfigem Jugendwahn dominierten Gesellschaft.
Ein Beschäftigter mit Durchschnittsgehalt erhält nach 45 Versicherungsjahren eine Rente von 1180€. Verstirbt er, darf seine Witwe [s. Kasten] mit der stattlichen Summe von 708€ ihr Leben fristen. Da aber 45 Jahre Vollbeschäftigung illusorisch sind, dürfte die „normale“ Vollrente erheblich unter der Pfändungsgrenze liegen. Prognosen über das künftige Rentenniveau haben sich ohnehin als Schall und Rauch erwiesen. Die für 1995 errechnete Eckrente für 2009 fällt um 330€ niedriger aus! Da geht es dem Bundestagshinterbänkler mit sicherem Listenplatz aus dem Hochsauerlandkreis, der seit 1983 im Parlament sitzt, wesentlich besser mit seinen 4850€ Alterseinkommen. Nebeneinkünfte und Übergangsgeld sind dabei unberücksichtigt. Für die genannte Summe müsste ein Durchschnittsverdiener 185 Jahre durchs Werkstor gehen. Für eine Ministerrente über 400 Jahre!
Am 16.03.06 verkündete ein Wirtschaftswissenschaftler in der Zeitung mit den großen Buchstaben: Kinderlose sollten nur noch die halbe Rente erhalten. Ein erneuter Raubzug im Bereich der Sozialversicherung. Ähnlich wie bei Hartz IV sollen gewaltige Milliardenbeträge der Versicherten einkassiert werden. Dies soll allerdings nicht für Beamte, RichterInnen, Selbständige und … raten wir mal, genau … PolitikerInnen gelten.
Bereits jetzt „leben“ ein Drittel aller RentnerInnen – so Professor Meinrad Miegel – unter dem Sozialhilfeniveau. In Zukunft werden es doppelt so viele sein. „Rot“-Schwarz praktizieren seit Jahren und für Jahre einen sog. „Rentenstopp“. Eine manipulierende Formulierung, die vom neoliberalen main-stream-Journalismus gerne aufgegriffen wird. Real bedeutet der „Rentenstopp“ bei steigenden Lebenshaltungskosten eine Rentenkürzung um 20–25%. So zerschlägt die große Koalition die bisherige Alterssicherung der heutigen RentnerInnen und macht die zukünftigen älteren Menschen zu ArmutskandidatInnen. Bei den seit Jahren existierenden Null- und Minusrunden im Gehalts/Lohnbereich ist eine angemessene Eigenvorsorge kaum realistisch.
Die Linke muss sich dieser Probleme bewusst werden und die RentnerInnen in die Mobilisierungen für eine außerparlamentarische Opposition mit einbeziehen. Gerade sie müssen an gewissen „Bruchstellen“ für antikapitalistische Positionen gewonnen werden.
Energiekosten, Fahrpreise, Studiengebühren
Unter Angie und Münte kommt die große Abzocke auf Touren. Gerade die Kosten zur täglichen Lebensführung sind das Objekt der Begierde. Beispiel EON, Deutschlands größter Energiekonzern, erwirtschaftete 7,4 Milliarden Euro Gewinn … und erhöhte die Energiepreise. Hier ist der Ruf nach Vergesellschaftung realistisch und breiten Bevölkerungsgruppen vermittelbar. Beispiel Verkehrsverbund Rhein-Ruhr. Der VRR hatte erst im Januar die Fahrpreise erhöht, um Mitte März die nächste Erhöhung anzukündigen, summa summarum 8,3% in sieben Monaten.
In NRW hat nach dem entsprechenden Landtagsbeschluß die erste Fachhochschule die Einführung von Studiengebühren abgesegnet. Damit soll der Haushalt um 320 Millio
nen Euro entlasten werden. Das ist eine vergleichsweise geringe Summe für ein Bundesland mit 18 Millionen EinwohnerInnen, aber eine unüberwindliche Hürde für AbiturientInnen aus finanzschwachen Familien. Lehrstellenalternativen gleich null. Sie können – wie man im Ruhrgebiet sagt – ihr Abi in die Tonne kloppen.
Erste Schlussfolgerungen
Der neoliberale Generalangriff geht mehr und mehr in die Breite und wir haben nur einige Höhepunkte dargestellt. Die „operativen“ Felder antikapitalistischer Politik werden größer. Die bescheidenen Kräfte der revolutionären Linken werden jedoch diese Aufgaben nicht schultern. Nur breite Bündnisse können sich an den Kraftakt wagen, eine neue außerparlamentarische Opposition aufzubauen. Unsere Positionierung zugunsten des Aufbaus einer außerparlamentarischen Opposition erweist sich zunehmend nicht nur als zentrale politische Aufgabe der Linken sondern auch als außerordentlich realistisch. Die jetzt vor Ort beginnenden Mobilisierungen für die hoffentlich große Demo am 3. Juni in Berlin sind ein erster Schritt in diese Richtung!

 

TiPP!
Infos für Betroffene:
www.tacheles-sozialhilfe.de
info@sozialhilfe24.de
info@harald-thome.de mit vielen informativen links

 

Unter 700 Euro – Fakten aus der Armutsgesellschaft
Beschäftigt mensch sich mit der neuen Armut, fällt einem ein Betrag um oder unter 700€ – bezogen auf eine Person – ins Auge. Das im Artikel genannte Beispiel der Witwe eines Durchschnittsverdieners mit 45 Versicherungsjahren, die monatlich 708€ erhält, markiert schon die höhere Armutsetage. Der Hartz IV-Klient mit einer Warmmiete von 315€ vegetiert mit 660€ vor sich hin. Das  Ehepaar mit zwei Kleinrenten von 900€ erhält 80,90€ Grundsicherung zusätzlich bei einer Warmmiete von 330€. Pro Kopf liegen sie unter dem Niveau von Hartz IV!
6,6 Millionen RentnerInnen unter Sozialhilfeniveau, das Millionenheer der ALG II-Empfänger, die unterbezahlten prekär Beschäftigten, Teilzeitbeschäftigte, 1€-JobberInnen sind die Basis einer expandierenden Massenarbeitslosigkeit. Rund  16-17 Millionen Menschen leben in Armut. Das entspricht der Einwohnerschaft der Schweiz und Belgiens zusammen. Tendenz steigend bei sinkenden Leistungen in der drittstärksten Wirtschaftsnation.
Ein ideales Terrain um Einkommen zu senken, das Tarifrecht zu zerschlagen, die 2-Klassen-Medizin auszuweiten und einen neuen Du-bist-Deutschland-Nationalismus zu installieren, der diese Fakten übertünchen soll. Die Linke darf diese Entwicklung nicht bagatellisieren, denn die Kombination von Armutsgesellschaft mit neuem Nationalismus und kulturellem Rassismus bildet eine gefährliche Mischung. Der hässliche kleine Bruder des Nationalismus, der Neofaschismus sitzt schon in den Startlöchern.
Nur der Aufbau einer außerparlamentarischen Alternative mit internationalistischem Grundton bildet eine realistische Perspektive für alle von Arbeitslosigkeit Bedrohten und Betroffenen, der Verarmten, rassistisch Verfolgten und Ausgegrenzten! Daran arbeiten wir – mit Hartnäckigkeit und revolutionärem Optimismus.

 

 

 

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