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Linke

Die DKP und Die Linke: „Dann haben wir diesmal wohl alles total richtig gemacht“

Von B.B. | 01.03.2008

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„Wir freuen uns, dass Christel Wegner, die als Mitglied der DKP auf der Liste der Partei Die Linke bei der Landtagswahl in Niedersachsen kandidierte, in den Landtag gewählt wurde“. Lange hielt die Freude nicht an. Am Montag, dem 18. Februar wurde Christel Wegner aus der Landtagsfraktion ausgeschlossen. Da sie ihr Mandat behält, dürfte das den Bruch zwischen Die Linke und der DKP bedeuten. Christel Wegner bestreitet, gegenüber Panorama die Mauer und die Stasi gerechtfertigt zu haben.

„Wir freuen uns, dass Christel Wegner, die als Mitglied der DKP auf der Liste der Partei Die Linke bei der Landtagswahl in Niedersachsen kandidierte, in den Landtag gewählt wurde“. Lange hielt die Freude nicht an. Am Montag, dem 18. Februar wurde Christel Wegner aus der Landtagsfraktion ausgeschlossen. Da sie ihr Mandat behält, dürfte das den Bruch zwischen Die Linke und der DKP bedeuten.

Christel Wegner bestreitet, gegenüber Panorama die Mauer und die Stasi gerechtfertigt zu haben. In der ARD-Sendung hatte sie gesagt: „Ich denke…, wenn man eine andere Gesellschaftsform errichtet, dass man da so ein Organ wieder braucht, weil man sich auch davor schützen muss, dass andere Kräfte, reaktionäre Kräfte, die Gelegenheit nutzen und so einen Staat von innen aufweichen“. Und: „Der Bau der Mauer war in jedem Fall eine Maßnahme, um zu verhindern, dass weiterhin Westdeutsche in die DDR konnten. Einmal die Wirtschaft schädigen, indem sie billig eingekauft haben“. Daraufhin distanzierte sich Die Linke von Wegners Äußerungen und verurteilte den „Stalinismus als verbrecherischen Missbrauch des Sozialismus“.

In einer Stellungnahme zur Panorama-Sendung bestätigte Christel Wegner ihre unverdauliche Sozialismusvorstellung: „Ich habe vielmehr gesagt, dass jeder Staat einen Geheimdienst hat und dies natürlich auch für einen sozialistischen Staat gilt“. Die Theorie von der „Existenz und Prosperität des isolierten sozialistischen Staates“ geht auf den Reformisten Georg Vollmar zurück1. Bei Marx, Lenin und Rosa Luxemburg ist nirgends von einem „sozialistischen Staat“ die Rede. Für sie folgt auf eine Übergangsgesellschaft (Rätedemokratie) die erste Phase des Kommunismus (Sozialismus genannt) und danach die höhere Phase des Kommunismus. Im Sozialismus stirbt der Staat ab. Es gibt keine KapitalistInnen, keine Klassen und damit auch keine Repressionsorgane mehr, sondern nur die freie und egalitäre Assoziation der ProduzentInnen, die sich international demokratisch selbst organisiert und selbst verwaltet. In dieser ersten Phase der kommunistischen Gesellschaft bleibt vom Staat allein das „bürgerliche Recht“, nach dem die Konsumtionsmittel verteilt werden, bis es in der höheren Phase des Kommunismus überflüssig wird. Besondere Formationen bewaffneter Menschen wären im Sozialismus ausschliesslich einer Konterrevolution nützlich. Für die DKP ist jedoch der Sozialismus die letzte Stufe der Klassengesellschaft, in der es auch Geheimdiensten etc. gäbe, wo der Staatsapparat nicht abstirbt, sondern wie unter Stalin, Mao und Honecker gigantische Ausmaße annimmt. Das bestätigt Christel Wegner nur, wenn sie meint „die DKP hat schon immer die Auflösung der Geheimdienste gefordert“. Nur eben im „Sozialismus“ nicht.
Eine Verschwörung?
Während Gregor Gysi die DKP-Vertreterin ohne Beweise in die Nähe des Verfassungsschutzes rückt, glauben viele in der DKP, dass Christel Wegner von Panorama „hereingelegt“ worden ist. Ihre DKP-Gruppe Buchholz-Nordheide hält den ARD-Beitrag für „zurecht geschnitten“, was auf jede Fernsehsendung zutrifft, weshalb es den Beruf des Cutters/Cutterin gibt. Als Motive müssen „Antikommunismus“ und Angst vor „kommunistischen Abgeordneten“ herhalten, als wenn sich die ganze Kampagne der bürgerlichen Medien gegen die DKP und nicht etwa gegen Die Linke richten würde. Verwunderlich ist dabei die Naivität derjenigen, die doch sonst den bürgerlichen Medien ein Höchstmaß an Manipulationsmöglichkeiten andichten. Die DKP-Buchholz-Nordheide schlussfolgerte zum Fall Wegner: „Ein kluger Mensch hat einmal gesagt, man habe etwas falsch gemacht, wenn man von seinem Gegner gelobt würde. Nun, dann haben wir diesmal wohl alles total richtig gemacht“.
„Dafür brauchen wir uns nicht zu entschuldigen“
Tatsächlich entsprechen Wegners Äußerungen in Panorama der Position der DKP. Nachdem in ihren Reihen vor allem zu Anfang der 90er Jahren eine Debatte zum Thema Stalinismus stattgefunden hatte, kam um die Jahrtausendwende der Kurswechsel. Der Begriff des Stalinismus wurde aus der Diskussion verbannt. Zum 40. Jahrestag des Mauerbaus nahm der DKP-Parteivorstand unter der Überschrift „Kein Grund für Entschuldigungen“ Stellung und bezeichnete ihn als „Sicherung der Staatsgrenze der DDR“.

Dort hieß es u.a.: „Die Schließung der Grenze schuf für die DDR die Möglichkeit, sich ökonomisch zu stabilisieren. Es gab nicht wenig Zustimmung in der Bevölkerung und viele Initiativen zur schnelleren ökonomischen Entwicklung (…) Sie war aber vor allem ein harter Schlag gegen die antikommunistische Aggression gegen die DDR, gegen Schmuggler und gegen die Abwerbung von in der  DDR ausgebildeten Fachkräften durch BRD-Konzerne (…) Der ‚Antifaschistische Schutzwall‘ trug seine Bezeichnung zu Recht. Sein Verschwinden machte nicht nur den Frieden in Europa unsicherer“. Und: „Der Kapitalismus/Imperialismus (…) kann zu zivilen Verhaltensformen gezwungen werden, wenn im Klassenkampf die Kräfte des Fortschritts, die sozialistischen Kräfte, genügend Stärke aufbringen können, um den Gegner in seine Schranken zu weisen. Dazu diente auch die Errichtung des ‚Antifaschistischen Schutzwalls‘ vor 40 Jahren. Dafür brauchen wir uns nicht zu entschuldigen“ (UZ, 13.07.2001).
Kritik am Stalinismus
Die Verteidigung der Mauer, damit die ArbeiterInnen nicht aus dem „Arbeiter- und Bauernstaat“ flüchteten, ist nur konsequent, da die DKP das ganze undemokratische bürokratische System in den Ostblockstaaten rechtfertigt – selbst nachdem die finanzielle Unterstützung aus der DDR aufhörte, die DKP dramatisch einbrach, aber auch ihre Unabhängigkeit gewann.
Dabei gab es an der Sowjetunion von Anfang an vieles zu kritisieren: Das Verbot aller anderen ArbeiterInnenparteien, d. h. der Menschewiki, der rechten und linken Sozialrevolutionäre, des jüdischen Arbeiterbunds und der Anarchisten hob das Rätesystem auf, das zum Anhängsel einer einzigen Staatspartei wurde. Das widersprach dem Rätemodell der russischen Revolution von 1905, wo sogar die bürgerlich-liberale Kadettenpartei Deputierte stellte und nur die präfaschistische Pogromorganisation Schwarze Hundert ausgeschlossen blieb. Das Fraktionsverbot des X. Parteitags der KPdSU 1921 verlängerte die Ausschaltung demokratischer Selbsttätigkeit in die eigene Partei hinein, indem es die innerparteiliche demokratisch
e Diskussion, entgegen allen Traditionen der Partei, massiv behinderte. Diese und andere Fehler fanden ihre Fortsetzung in der Liquidierung jeglicher Opposition in den eigenen Reihen (erst der Linken um Trotzki/Sinowjew/Kamenew, später der Rechten um Bucharin) und im Terror und Massenmord gegen angeblich oder tatsächlich Andersdenkende, ganze bäuerliche Schichten und nationale Minderheiten. Ähnliche Methoden wurden von der Sowjetunion auf die Kommunistische Internationale übertragen, Diskussionsfreiheit und Opposition beseitigt.

Die Fehler, noch zu Lenins Lebzeiten begonnen (er selbst kämpfte gegen die einsetzende Bürokratisierung), verfestigten sich unter Stalin zu einem System, das deshalb Stalinismus genannt wird. Die Kaste der ArbeiterInnenbürokratie usurpierte die politische Macht. So wuchs der Parteiapparat von 15 Hauptamtlichen 1919 auf 602 im Jahre 1920 und 42 000 nur ein Jahr später an. Schon Lenin charakterisierte die Sowjetunion als „Arbeiterstaat mit bürokratischen Deformationen“. Das stalinistische Regime versuchte, sich mit der angeblichen Möglichkeit des Aufbaus des Sozialismus in einem Land (einer klassenlosen Gesellschaft inmitten kapitalistischer Umzingelung) zu rechtfertigen … und diskreditierte damit das Ansehen des Sozialismus.

International setzte die Bürokratie nicht auf die Weltrevolution, sondern auf den Status quo mit dem Imperialismus, was zu schweren Niederlagen der ArbeiterInnenbewegung führte. Das Ergebnis zeigte sich nach 1989. Die Mehrheit der Bürokratie in den osteuropäischen Ländern wurde mit Ausnahme Ostdeutschlands zur neuen herrschenden kapitalistischen Klasse, weil der Stalinismus nicht frühzeitig von der ArbeiterInnenklasse in einer politischen Revolution gestürzt worden war.
Linkskommunismus für ArbeiterInnendemokratie
Gegen eine solche Entwicklung protestierten bereits 1926 fast 700 KPD-Parteifunktionäre des linken Flügels. Sie wandten sich gegen den „Belagerungszustand“ innerhalb der KPD und gegen das „Meinungsmonopol des Parteiapparats“. Die Weddinger Linke solidarisierte sich – gemeinsam mit anderen linken Oppositionsgruppen – mit der Kritik von Sinowjew, Kamenew und Trotzki und kündigte die Unterstützung für jede Strömung an „die auf der Grundlage der Opposition des 14. Parteitages der KPdSU den Kampf gegen den Stalinismus führt“. Im Kampf gegen die Parteibürokratie wurde Die Linke Opposition – bis auf die TrotzkistInnen – jedoch weitgehend aufgerieben. Der RSB/IV. Internationale steht in der Tradition der linken Opposition der KPD: Rätedemokratie und Mehrparteiensystem gehören genauso zusammen wie innerparteiliche Demokratie mit Fraktions- und Tendenzrecht.
Die Linke und die DKP
Christel Wegner kam auf die Landesliste von Die Linke, weil sie in einer internen Kampfabstimmung von Diether Dehm u.a. mit 74:72 Stimmen durchgesetzt worden war, damit die DKP auf eine Eigenkandidatur verzichtet. Die jüngsten Wahlergebnisse zeigen jedoch, dass Die Linke für parlamentarische Siege weder auf die Unterstützung interner Linksströmungen, noch auf die DKP bzw. andere linke Organisationen angewiesen ist.

Vor der Hamburgwahl geriet nun der Parteiapparat von Die Linke im Fall Wegner stark unter Druck der bürgerlichen Öffentlichkeit. Bodo Ramelow kündigte an, zukünftig könne nur auf dem Programm seiner Partei kandidiert werden. Dabei nutzt der Parteiapparat jeden vermeintlichen oder tatsächlichen Fehler linker Elemente gnadenlos aus (Hessen, Bremen, Niedersachsen), um durch „Berater“ die Parlamentsfraktionen im Westen auf Linie zu bringen. Aber die Kritik des Stalinismus durch viele einfache Mitglieder von Die Linke ist eine wichtige Errungenschaft der linken Bewegung insgesamt.
DKP in der Krise
Die Anziehungskraft von Die Linke auf die DKP ist groß, weil die strategischen Unterschiede gering sind und die gemeinsame Tradition der „Bruderparteien“ DKP und SED schwer wiegt. Da Christel Wegner ihr Landtagsmandat behalten will, setzt sich die DKP innerhalb von Die Linke dem Vorwurf aus, ein Mandat „gestohlen“ zu haben. Vor allem belegt dies, dass der DKP ein einziger Parlamentsposten mehr wert ist, als ihr gesamtes Verhältnis zur Partei Die Linke.
Vor dem DKP-Parteitag am 23./24.2. in Mörfelden „empörte“ sich die Mehrheit um Heinz Stehr, weil ein Viertel des Parteivorstands es wagte, einen Alternativvorschlag zur praktischen Schwerpunktsetzung einzubringen. Mit dem Fall Wegner ist jetzt auch noch das Vorhaben gescheitert, auf Listen von Die Linke zu kandidieren, womit die widerstrebenden Flügel innerhalb der DKP unter einem Hut gehalten werden sollten. Eine eher linkere, aber auch stalinistischere Minderheit ist für Eigenkandidaturen. Eine andere Minderheit will um jeden Preis auf die Wahllisten von Die Linke. Wenn dies zukünftig nur noch als Einzelperson, nicht aber als VertreterIn der DKP möglich ist, dann wird sich manches DKP-Mitglied für oder gegen Die Linke entscheiden müssen – und die Partei Gysis der Partei Wegners vorziehen.

1    Vollmar, Georg, Der isolierte sozialistische Staat. Eine sozialökonomische Studie, Zürich 1878.

 

Aus dem Beschluss der Fraktion DIE LINKE im niedersächsischen Landtag:
"Die Abgeordnete Christel Wegner wird gemäß §6 der Geschäftsordnung der Fraktion Die Linke. aus der Fraktion ausgeschlossen. (…) Unabhängig von der Frage des Zusammenschnitts ihres Interviews in der Sendung `Panorama` sind ihre dort geäußerten Positionen für Die Linke unakzeptabel (…)
Entgegen der Aufforderung der Fraktion und des Landesverbandes hat Christel Wegner das Landtagsmandat nicht niedergelegt. Damit hat sie sich nicht an ihre Zusage gehalten, bei politischen Differenzen zwischen der Linken und der DKP das Mandat zurückzugeben. Die Fraktion fordert Frau Wegner nach wie vor auf, das Mandat abzugeben, weil sie das Vertrauen der Gremien, die sie aufgestellt und der Menschen, die sie gewählt haben, missbraucht hat."
Pressemitteilung 18.2.2008

 

 

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