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Innenpolitik

Das Dilemma ist geblieben – und kann sich nur noch zuspitzen

Von Politisches Komitee des RSB | 13.05.2006

Mit den am 29. 30. April 2006 parallel durchgeführten Parteitagen von Linkspartei. PDS und WASG ist – wie zu erwarten – keine Kursänderung in Richtung einer klassenkämpferischen, antiparlamentarischen, linkssozialistischen Partei eingeschlagen worden. Allerdings sind bei der WASG die organisationspolitischen Probleme einer Lösung im Sinne der ParteigründerInnen näher gebracht worden.

Mit den am 29. 30. April 2006 parallel durchgeführten Parteitagen von Linkspartei. PDS und WASG ist – wie zu erwarten – keine Kursänderung in Richtung einer klassenkämpferischen, antiparlamentarischen, linkssozialistischen Partei eingeschlagen worden. Allerdings sind bei der WASG die organisationspolitischen Probleme einer Lösung im Sinne der ParteigründerInnen näher gebracht worden.

Beide Parteitage haben im Wesentlichen die bisherige Politik dieser Parteien bestätigt, mussten sich aber über weite Strecken mit einem gewissen Stimmungstief beschäftigen. Dieses hat zwei Gründe:

In der allgemeinen Wahrnehmung in der Öffentlichkeit bleiben beide Parteien, wie auch die gemeinsame Bundestagsfraktion, weit hinter den Erwartungen zurück. Von diesen Parteien und von der Bundestagsfraktion gehen keine Initiativen aus, die in der breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen werden und/oder an denen die Medien nicht vorbeikommen. Und weder in den Betrieben noch in den Gewerkschaften haben beide Parteien, bzw. hat das enge Parteienbündnis, das sich anschickt eine vereinigte Partei zu bilden, eine gewisse Anziehungskraft entwickelt.

Eng damit verbunden ist der zweite Grund: Die Regierungsbeteiligung der PDS in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern und das Mittragen der Sparpolitik hat in den unmittelbar betroffenen Landesverbänden der WASG dem Widerstand gegen eine Vereinigung eine gewisse „Massenbasis“ verschafft. Diese bleibt zwar auf die Gesamtpartei bezogen eine deutliche Minderheit, konnte aber mit den Mehrheitsbeschlüssen in den beiden Landesverbänden die Parteiführung in eine gewisse Schwierigkeit bringen.

Die Frage, die sich damit dem Parteitag der WASG stellte, war: Auch wenn die FusionsgegnerInnen berechtigte inhaltliche Einwände vortragen, ist nicht die Vereinigung, und damit die Sicherung des Fraktionsstatus sowie des weiteren Verbleibens im Bundestag wichtiger als alles andere? Letztlich läuft diese Frage auf folgendes hinaus: Sind wir nicht in allererster Linie eine parlamentarische Organisation, deren Existenzberechtigung auf dem Spiel steht, wenn der Einzug in den Bundestag nicht mehr geschafft wird?

Der Parteitag hat diese Frage mit großer Mehrheit recht eindeutig beantwortet. Mit dem Appell, sich nicht länger „nur mit sich selbst zu beschäftigen“ wurde parallel auf beiden Parteitagen entsprechend eingeheizt. Der Erfolg der Mehrheit des Parteivorstandes konnte eigentlich nicht ausbleiben, jedenfalls ergibt sich dies aus der realistischen Einschätzung nicht nur der Entstehungsgeschichte der WASG, sondern auch der großen Mehrheit der Basis der Partei.

Wenn sich im Verlauf der nächsten 12 bis maximal 15 Monate diese Kontroverse zuspitzen sollte, was sehr wahrscheinlich ist, dann wird die Basis der Minderheit mit Sicherheit noch schrumpfen, denn für die Entwicklung eines klassenkämpferischen Flügels in der WASG – geschweige denn für eine Umwandlung der Organisation in eine antikapitalistische Partei – fehlen alle Voraussetzungen. Die Ausgangsbedingungen einer entristischen Arbeit in der WASG entweder nicht verstanden zu haben oder sie bewusst zu vernebeln, ist die strategische Schwäche und Fehlorientierung der in der WASG arbeitenden (linkssozialistischen) entristischen Kräfte.

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Für die entristische Arbeit wurde zu wenig beachtet:

1. Die Stimmung im Lande
Eine sozialistische Organisierung in der Bundesrepublik steht vor sehr großen Aufgaben. Trotz einer gewissen (bescheidenen) Belebung der Klassenaktivität in diesem Land ist ein Bestreben selbst der fortgeschrittenen Teile der ArbeiterInnenvorhut, sich politisch zu organisieren, kaum erkennbar. Es gibt nach wie vor eine recht bedeutende Kluft zwischen der politischen Aktivität (erst recht der Bereitschaft zur politischen Organisierung) selbst der GewerkschaftsaktivistInnen und den vorhandenen politischen Organisationen.

Andererseits wird das Fehlen einer politischen Alternative zu den etablierten Parteien, die ihren Frieden mit den Folgen der Globalisierung, des Stellenabbaus und Hartz IV gemacht haben, in einem durchaus beachtlichen Teil der Bevölkerung als ein Mangel empfunden. Viele Menschen empfinden die aktuelle Alternativlosigkeit als eine Schwäche der politischen Kräfte (der „politischen Klasse“, meistens als „die“ Politiker“ apostrophiert) und wünschen sich, dass es endlich eine Kraft gibt, die es „denen da oben“ mal sagt, bzw. die zumindest argumentativ dagegenhält.

Mit anderen Worten: Viele Menschen sähen es gerne, wenn es eine solche Partei gäbe, aber sie sehen es kaum als ihre eigene Aufgabe an, sich dort zu engagieren, bzw. eine solche Kraft aufzubauen, was so lange als ungeheuer schwer oder gar unmöglich angesehen wird, wie es eine solche Partei, die wirklich Kämpfe organisiert und koordiniert und Erfolge im Klassenkampf anbahnt, nicht gibt. Allein der neidvolle Blick nach Frankreich anlässlich der Mobilisierungen gegen den CPE macht einiges deutlich: Viele sagen nicht nur: „Die machen es richtig“, sondern fügen bei gegebenem Anlass auch hinzu: „Das kriegst du hier nie hin.“ „Bei uns ist so was (grundsätzlich) nicht drin“.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass die durchaus verbreitete Stimmung, eine „Alternative“ haben zu wollen, von den InitiatorInnen (und „MacherInnen“, also derjenigen, die den Apparat in der Hand haben) sehr gut mit dem Projekt „Wahlalternative“ aufgegriffen werden konnte. Die WASG-MacherInnen treffen diese Stimmung sehr gut. Denn: Auch wenn von diesen WählerInnen eine (mehr oder weniger grundsätzlich) andere Politik gewünscht wird, so ist es doch fest in der Vorstellungswelt der meisten dieser Menschen verankert, dass dies letztlich über die Parlamente laufen muss. Dies ist auch alles andere als verwunderlich, haben sie doch in ihrer großen Mehrheit keine „sozialistische Schulung“ durchlaufen und hat es doch in der Geschichte der letzten Jahrzehnte (fast eines Jahrhunderts) in diesem Land kein lebendiges Gegenbeispiel gegeben. Eine im Wesentlichen außerparlamentarisch wirkende Klassenkampfpartei liegt außerhalb nicht nur der Erfahrungswelt sondern auch der Vorstellungswelt der meisten Menschen.

2. Wer hat sich der WASG angeschlossen?

Damit ist in weiten Teilen schon der Großteil des Wählerpotentials der WASG umschrieben. Es setzt sich also zusammen aus enttäuschten SozialdemokratInnen (genauer: früheren SPD-WählerInnen) ehemaligen oder Noch-SozialistInnen der unterschiedlichsten Couleur, enttäuschten Grünen-WählerInnen, sowie Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gr
ünden schon seit Jahren nicht mehr gewählt haben, aber auch von der PDS Enttäuschten. Nach allen ernst zu nehmenden Wahlanalysen sind Letztere aber eine sehr kleine Minderheit unter den WASG-WählerInnen in Westdeutschland. In Berlin ist die Lage aufgrund der sehr hautnahen Erfahrungen mit der PDS-Sparpolitik etwas anders.

Bei den Organisierten sind die Verhältnisse zwar nicht identisch, aber dennoch vergleichbar. Auch hier dominieren in weitesten Teilen der Republik die Kräfte, die eine parlamentarische Durchsetzung einer anderen Politik anstreben und deshalb in diese Arbeit ihre Kraft reinstecken: KandidatInnen für alle möglichen Kommunalparlamente und Ortsbeiräte aufstellen, Anfragen im Stadtparlament erarbeiten und einbringen, eine Landesliste aufstellen, Unterschriften sammeln usw. usf. Selbstverständlich wollen diese Kräfte gute Beziehungen zu den sozialen Bewegungen und zu den Gewerkschaften. Aber beherrschend ist allemal die Vorstellung von der Gewinnung einer „linken Mehrheit“ in der Republik, und zwar etwa so wie Lafontaine und Gysi dies vorschwebt: mit einer (mittelfristig) gewandelten SPD.

In diesem Konzept ist kein politischer Raum für das Herausarbeiten und Unterstützen eines anderen, eines klassenkämpferischen Kurses in den Gewerkschaften. Nie und nimmer werden die bestimmenden Kräfte einen Tendenzkampf in den Gewerkschaften unterstützen. Dies würde nach ihrer Denkweise ja gerade das anzustrebende gemeinsame linke Lager (die ersehnte linke Mehrheit) erschweren.

Und in diesem Konzept ist auch kein Raum dafür vorhanden, sich schwerpunktmäßig außerparlamentarisch zu engagieren. Ja es widerspräche gerade ihrer Politikvorstellung, wenn damit die „Chance für eine neue politische Kraft“ (Lafontaine) verspielt würde, weil sich dann die Partei nicht ausreichend auf „der politischen Bühne“ präsentieren würde. Politisch ist in dieser Vorstellungswelt nur das, was mit den Institutionen des bürgerlichen Staates in Verbindung steht. Die Streiks und Demonstrationen gegen den CPE in Frankreich sind in dieser Welt keine „politische Aktivität“ (jedenfalls nicht im engeren Sinne, vielmehr verstehen sie diese Aktivitäten als Unterstützung einer bestimmten Politik, in diesem Fall dem Bestreben der PS, die nächsten Wahlen zu gewinnen).

Da sich mit der Bildung der WASG und vor allem mit dem Beschluss für eine gemeinsame Kandidatur zur den Bundestagswahlen ganz unmittelbar der „Erfolg“ der neuen Partei abzeichnete (nämlich parlamentarisch präsent zu sein und in den Medien entsprechend Gehör zu finden), stießen nicht nur enttäuschte SozialdemokratInnen und andere parlamentaristisch ausgerichtete Menschen zu dieser Partei. Auch einige hundert SozialistInnen, die (zumindest verbal) auf den Klassenkampf und nicht auf die Parlamente bauen, traten in diese Partei ein. Die Vorstellungen, die sie damit verbanden, waren recht unterschiedlich und haben sich im Verlauf von gut anderthalb Jahren kaum unter einander angenähert.

Ohne auf die jeweilige politische Herleitung der entristischen Politik dieser Organisationen (und so mancher Einzelpersonen) einzugehen, so kann heute, nach den Parteitagen von Ludwigshafen und Halle, festgehalten werden, dass diese Politik jedenfalls eines ganz bestimmt nicht erreicht: die Umwandlung der WASG zu einer Klassenkampfpartei.

Wenn sich linke Kräfte nach einer neuen Partei sehnen, die nicht den Versuchungen einer Regierungsbeteiligung unterliegt, dann kann dies kaum die WASG sein. Dies haben nicht nur die Reden der „MacherInnen“ in Ludwigshafen mehr als deutlich gemacht. Vor allem die Beschlusslage kann keine Zweifel aufkommen lassen, was der großen Mehrheit der Partei wichtiger ist als alles andere: das Zusammengehen mit der Linksparte.PDS und das gemeinsame Streben, parlamentarisch zu wirken und letztlich auch in entsprechende Regierungen zu drängen.

Zwar waren selbst so Kräfte wie Bischoff, die eisern die Fusion befürworten, beim WASG-Parteitag argumentativ bisweilen in der Klemme und haben deswegen „administrative“ Mittel abgelehnt. Aber das taten sie nur, um damit Zeit zu gewinnen (bzw. nicht persönlich mit administrativen Zwangsmaßnahmen in Verbindung gebracht zu werden), in der Hoffnung, dass sich so manche der Widerspenstigen von selbst trollen (wofür es schon die ersten Anzeichen gibt) und damit das Problem minimalisiert wird. Diese Einschätzung ist nicht unrealistisch.

3. Welche strategische Kritik gälte es in WASG und Linkspartei.PDS zu artikulieren?

Eine Schwäche der Argumentation der Linken in der WASG ist ihre Fixierung auf die „Fehler“ (die „falsche Politik“) des Berliner Senats. Kaum wurde herausgestellt, wie sehr dies eine strukturelle Frage ist, wie sehr eine solche „falsche Politik“ in der Natur der Beteiligung an einer bürgerlichen Regierung liegt. Ganz verwunderlich ist diese „Auslassung“ nicht: Wäre dies mehr im Mittelpunkt gestanden, wäre die Kluft zur Mehrheit der Partei noch größer geworden, die Zustimmung zur eigenen Position wäre ganz deutlich geschrumpft.

So war es auch kein Zufall, dass kaum Parallelen zur Politik der PDS in Dresden (Zustimmung zum Verkauf kommunaler Wohnungen) gezogen wurden, dass die Position der PDS zum Mindestlohn (8 Euro in der Stunde) nicht scharf angeprangert wurde, dass kein Kampf für eine andere Gewerkschaftspolitik geführt wurde und wird. Mit welchen Kräften denn auch? Sowohl in der Vorbereitung des Parteitages wie auch auf dem Parteitag selbst hat die Frage der Eigenkandidatur (also im Grunde eine, wenn nicht nur formale, so dann doch nur taktische Frage) alles andere dominiert, ja alles andere gar nicht erst zur Sprache kommen lassen.

So bleibt sogar offen, welche Positionen die verschiedenen (links)sozialistischen Kräfte und Organisationen in der WASG prinzipiell zum Parlamentarismus, zur Gewerkschaftsbürokratie usw. einnehmen.

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Das Dilemma der EntristInnen
Für die EntristInnen in der WASG stellt sich seit Anfang an folgendes Dilemma:

Die Partei möchte auf jeden Fall in die Parlamente. Dazu werden notfalls inhaltliche Zugeständnisse gemacht. Der „Erfolg“ der Partei (eine gewisse Mitgliederbasis von insgesamt knapp 12 000 Menschen), mehr aber noch die WählerInnenstimmen und die Bildung der gemeinsamen Bundestagsfraktion, ist nur über diese Schiene erreichbar und vorstellbar. Ohne diese eindeutig parlamentaristische Ausrichtung wären bedeutend weniger Menschen dazugestoßen und ohne das gemeinsame Projekt mit der PDS wäre man auch nicht in den Bundestag gekommen. Dies wollen die bestimmenden Kräfte und die Mehrheit der Basis nicht aufs Spiel setzen. Und nicht wenige der entristischen LinkssozialistInnen sind sich hierin mit dem Gros der Partei einig. Sie wollen ja auch gerade dies: eine große gemeinsame Partei, die auf der „großen politischen Bühne“ wirkt.

Auf der anderen Seite aber ist genau das dann nicht zu haben, wenn die Organisation sich für die WählerInnen deutlich erkennbar von der Politik des Mitregierens distanziert. Das Parteienbündnis kann nicht zusamm
engehen, koste es was es wolle, und auf der anderen Seite die Politik des Mitregierens, konkret also der Sparpolitik (in Berlin, in Mecklenburg-Vorpommern, in Dresden) kritisieren.

Es gibt eine gewisse Konsequenz in dem, was die SAV tut: Sie legt den Schwerpunkt auf die Kritik des Mitregierens, und da die PDS ihre neoliberale Politik in Berlin nicht aufgibt und die Regierung nicht verlässt, tritt sie für eine Eigenkandidatur ein.

Dennoch ist auch dieser Weg voller Widersprüchlichkeit: Erstens wird auch eine eigenständig antretende WASG nicht ihren parlamentaristischen Charakter verlieren und aus der jetzt zu erwartenden Kleinorganisation wird keine Klassenkampfpartei entstehen. Zweitens ist damit die Existenzberechtigung der WASG, nämlich eine große, parlamentarisch wirksam werdende Partei (möglichst mit der PDS) zu schaffen, nicht aufgehoben. Gelingt es einem eigenständig antretenden Landesverband in Berlin zu kandidieren, wird er aufgrund der Kräfteverhältnisse in der Gesamt-WASG zur Bildung einer kleinen Sondertruppe verurteilt sein, die das gleiche Schicksal erleiden wird, wie Anfang der 1980er Jahre die Demokratischen Sozialisten (DS).

Als reine Augenwischerei müssen Formulierungen begriffen werden, die dieses reale Dilemma (nämlich mit einer konsequenten und prinzipiellen Kritik genau die Bildung der gemeinsamen Linkspartei zu hintertreiben bzw. zu erschweren) aus der Welt schaffen wollen: Eine solche (breite) Partei müsse dies Widersprüche (in der politischen Programmatik) aushalten können. (so sinngemäß z. B. in der Erklärung der isl vom 1.3.06). Entweder die Beteiligung an einer bürgerlichen Regierung ist eine wichtige Frage (und dann gilt es konsequent zu sein) oder aber sie ist zweitrangiger Natur. Dann aber müsste mensch plausibel machen, wie es möglich ist – entgegen allen Erfahrungen in der Geschichte der ArbeiterInnenbewegung von der Millerand-Regierung über die Volksfront bis zur Lula-Regierung – in einer bürgerlichen Regierung eine nicht-bürgerliche, eine sozialistische Klassenkampfpolitik zu betreiben. Eine Politik, die beispielsweise in der Auseinandersetzung zwischen den Profitinteressen der Berliner Banken und der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst mit Floskeln vom „auszuhaltenden Widerspruch“ operiert, kann nur eines bewirken: Vernebelung der Klassenverhältnisse und der Interessen der lohnabhängigen Bevölkerung.

Wer für Klarheit eintritt, muss alle Vorstellung eines Etappenmodells ablehnen, nach dem eine reformistische Partei per se ein großer Fortschritt ist, und dass ihre starke Präsenz im Bundestag wichtiger ist, als das Anprangern der konkreten Politik (in dem Fall der PDS) auf Landesebene und die Schaffung politischer Klarheit und die Organisierung des konkreten Widerstands von unten. Eine reformistische Partei kann sehr wohl auch Kämpfe abwürgen, ihnen die Spitze nehmen und in der Konsequent den Kampf erschweren. Eine reformistische Partei ist ein widersprüchliches Gebilde, gegenüber der es konkrete Politik zu entfalten gilt, aber wir sehen keinen Grund darin, eine solche Partei aufzubauen und damit Kräfte von der Förderung des Klassenkampfes abzuziehen.

Genauso abwegig ist es, angesichts der politischen Kräfteverhältnisse in der WASG (und vor allem bei den InitiatorInnen) anzunehmen, die WASG könne durch die entristische Arbeit auf einen völlig anderen Kurs gebracht werden. Voller Illusionen schreibt Thies Gleiss (Vorstandsmitglied der WASG):

„Es ist komplett ausgeschlossen, dass dieses ‚Privatvergnügen’ der PDS [die Regierungsbeteiligung] zu einer gemeinsamen Erfahrung mit der WASG wird. Tausende werden zuvor die WASSG verlassen, die politischen Erwartungen der Wähler müssten zuvor komplett umgedreht und verraten werden. Tausende von Sozialdemokraten, die gerade dabei sind, ihrer politischen Heimat den Rücken zu kehren, würden vor den Kopf gestoßen und zu einer Aussöhnung mit den Verhältnissen gezwungen, mit denen sie sich gerade nicht aussöhnen wollen.“ (Soz, Januar 2006, S. 7) Leider verkennt Thies Gleiss (oder übersieht es ganz bewusst), dass es diese Tausenden von Sozialdemokraten (die auf der Wahlebene zur WASG wechseln) sicherlich gibt, doch wenden diese Menschen sich zum allergrößten Teil von der neoliberalen Politik der SPD ab und wünschen sich z. B. eine SPD aus der Willy-Ära, so wie dies gerade auch die WASG-InitiatorInnen tun. Von da, zur politischen Unterstützung einer Klassenkampforganisation und zu einer im Wesentlichen außerparlamentarischen Kraft, ist noch ein weiter Weg, der nur dann beschritten wird, wenn diese Menschen in den Kämpfen mitgenommen werden. Dazu muss es nicht nur diese Kämpfe geben (im Ansatz gibt es sie vereinzelt), sie müssen zunehmen, besser organisiert und vernetzt werden, politische Substanz bekommen usw. Wer darauf nicht seinen Schwerpunkt legen will, wird immer wieder versuchen, das Pferd von hintan aufzuzäumen.

Auch Thies Gleiss versucht, dem oben beschriebenen Dilemma zu entgehen und schlägt vor, dass die Berliner WASG zwar nicht gegen die PDS kandidiert, sie aber auch nicht im Wahlkampf unterstütz. „Das bundesweite Parteibildungsprojekt würde dadurch zwar belastet, aber wahrscheinlich nur wenig Schaden nehmen. Lehrgeld würden nur die Berliner PDS und alle, die sie unterstützen, bezahlen müssen.“ Thies Gleiss und Gleichgesinnte wollten und wollen also die große, gemeinsame (breite) Partei, ohne für die Schattenseiten der PDS-Politik in Haftung genommen zu werden. Wir meinen: In Gefahr und großer Not, ist der Mittelweg…
Welche Perspektive haben die Verfechter der WASG-Eigenkandidatur?
Die Trennung wird unvermeidlich sein, ganz unabhängig, von wem sie formal ausgehen wird. Es ist anzunehmen, dass der Aussortierungsprozess spätestens in einem guten Jahr abgeschlossen sein wird. Dann werden die konsequenten VerfechterInnen der Eigenkandidatur in der einen oder anderen Weise sich von der WASG getrennt haben (oder getrennt worden sein).

Mit sich nehmen werden sie allerdings längst nicht alle Kräfte, die die PDS-Regierungspolitik kritisieren, vor allem weil einigen dieser (insgesamt nur wenigen Hundert) Mitglieder das Verbleiben in der großen Partei wichtiger ist. Andere entristische Kräfte (vor allem der Linksruck) sind eh schon an den Kurs der Bildung einer großen Partei (ganz gleich um welchen inhaltlichen Preis) so weit angepasst, dass sie als Pol für die Bildung eines linken Flügels in der neuen Partei ausscheiden. Die isl scheint hin und her gerissen, bzw. in dieser so wichtigen strategischen Frage eher zerrissen zu sein.

Das Verkleistern (das Leugnen) des Dilemmas allerdings wird dem Trennungsprozess seinen Stempel aufdrücken und der Glaubwürdigkeit (links)sozialistischer Projekte eine größere oder eine kleinere Hypothek hinterlassen.

Wir haben diese entristische Politik von Anfang an kritisiert, weil wir dieses Dilemma gesehen haben und keine auch nur im Entferntesten realistische Chance ausmachen konnten, aus der WASG eine Klassenkampforganisation zu machen. Wir haben diese Politik des Entrismus offen abgelehnt und dennoch werden wir von dem auf die „TrotzkistInnen“ fallenden schlechten Ruf (derjenigen, „die das Zusammengehen hintertreiben wollen“) indirekt nicht gerade aufg
emöbelt. Je klarer die wirklichen inhaltlichen und strategischen Differenzen auf den Tisch kommen, um so eher kann revolutionäre Politik vermittelt werden.

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