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Betrieb & Gewerkschaft

Busfahrerstreik in Leverkusen: Über 300 Tage Streik…

Von Jacques | 01.12.2004

Seit dem 9. Januar streiken ca. 50 Kolleginnen und Kollegen der Herweg Busbetriebe (HBB) in Leverkusen für einen Tarifvertrag. Obwohl es einer der längsten Streiks der BRD ist, sieht die Perspektive düster aus.

Seit dem 9. Januar streiken ca. 50 Kolleginnen und Kollegen der Herweg Busbetriebe (HBB) in Leverkusen für einen Tarifvertrag. Obwohl es einer der längsten Streiks der BRD ist, sieht die Perspektive düster aus.

Das Unternehmen ist unnachgiebig und verweigert sogar bloße Verhandlungen. Der „Bund deutscher Verkehrsunternehmen“ hat in seiner Zeitschrift offen erklärt, dass die Auseinandersetzung ein „Pilotprojekt“ für den Nahverkehr sei. Übersetzt heißt das: In Leverkusen soll beispielhaft vorgemacht werden, dass in Zukunft die Unternehmen allein und ohne Absprache mit der Gewerkschaft ver.di die Löhne festsetzen. Der Streik ist aber auch interessant, weil mit Gabrielle Schmidt eine Vertreterin der ver.di-Linken NRW als eine Streikverantwortliche zu beweisen hatte, dass sie in der Praxis auf die Angriffe der Unternehmen andere Antworten als die Mehrheit der ver.di-Bürokratie hat. Schmidt war bis vor kurzem Landesfachbereichsleiterin Verkehr und ist jetzt neue Landeschefin. Die ver.di -Linke NRW hatte sie als bevorzugte Kandidatin gehandelt.

Tarifvertrag der christlichen Gewerkschaft

Die HBB ist eine Tochter des öffentlichen Nahverkehrsunternehmens Kraftverkehr Wupper-Sieg (KWS) und gehört zu je 50% der Stadt Leverkusen und dem rheinisch-bergischen Kreis. Seit einigen Jahren werden neue Fahrerinnen und Fahrer nicht mehr bei der KWS eingestellt, sondern bei der HBB. Denn dort gilt derzeit der Tarifvertrag der christlichen „Gewerkschaft Öffentlicher Dienst“ mit 1/3 weniger Lohn als bei der KWS. Ver.di versucht mit dem Streik bei der HBB einen eigenen Tarifvertrag durchzusetzen. Allerdings fordert sie nicht die höheren Löhne des Bundesangestelltentarifvertrags für Gemeinden (BAT-G), wie sie bei der KWS gelten, sondern war von Anfang an zu Kompromissen bereit. Schon seit längerem setzt die Gewerkschaftsführung nicht mehr auf Flächentarifverträge. Stattdessen schließt sie für einzelne Branchen Spartentarifverträge ab. Das schwächt aber die Kampfkraft. War es früher oft so, dass die Beschäftigten bei Müllabfuhr und Nahverkehr die Kolleginnen und Kollegen in den Gemeindeämtern raushauten, so geht das mit den Spartentarifverträgen nicht mehr. Außerdem erhalten die Beschäftigten weniger Lohn, denn die Vergütung in den Spartentarifverträgen liegt unterhalb des Flächentarifvertrags.

Streik seit Januar

Da HBB/KWS alles ablehnte, traten 50 HBB-Beschäftigte im Januar in den Streik. Aber mit Hilfe pensionierter Kolleginnen und Kollegen und privater Busunternehmen werden quasi alle Linien bedient. Seit fast einem Jahr müssen die Streikenden erleben, wie der Verkehr in Leverkusen völlig normal abläuft und die ungestörte Aus- und Einfahrt der Streikbrecherbusse mit ansehen. Klar, dass man so keinen Streik gewinnt – nicht zuletzt, weil die Moral der Streikenden täglich torpediert wird. Der Streik wird von Seiten der ver.di-Streikführung an den Empfindungen der Streikenden vorbei geführt. Und diese Streikführung war ziemlich schnell am Ende ihrer Weisheit.
Zu Beginn des Streiks wurden eintägige Solidaritätsstreiks bei der KWS durchgeführt, die zumindest für einzelne Tage wirklich den öffentlichen Nahverkehr lahm legten und Druck entwickelten. Als das jedoch im Februar vom Arbeitsgericht verboten wurde, bestand die weitere Strategie allein in der Erzeugung „öffentlichen Drucks“ auf die Politikerinnen und Politiker. Statt den Betriebshof zu blockieren, ausgedehnte Betriebsversammlungen während des Berufsverkehrs durchzuführen und den Kampf mit anderen Orten zu verbinden, wo ähnliche Situationen bestehen, setzte die ver.di-Führung zumindest bis August nur auf spaßige medienwirksame Aktionen. So wurden im Karneval den PolitikerInnen närrisch die Krawatten abgeschnitten, am 8. März (Frauentag) rote Rosen an Leverkusenerinnen für ihre Solidarität mit dem Streik und im April Ostereier verteilt. Ab August wurden Autokorsos mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Städten und Kreisen NRWs durch Leverkusen organisiert. Dazwischen gab es immer wieder mal Besuche im Rathaus.

Wahlen gehen vor

Die ver.di-Streikleitung orientierte wohl schon recht bald auf die Kommunalwahlen Mitte September. Die SPD hatte versprochen, Tarifverhandlungen aufzunehmen, was die rechten bürgerlichen Parteien CDU, UWG und FDP abgelehnt hatten. So wurde – nach den Pressemitteilungen der Gewerkschaft zu urteilen – zwischen Anfang Juni und der Wahlkampfzeit Ende August wenig unternommen, um den Streik zu gewinnen. Selbst als am 1.9. nach 9 Monaten Streik die Streikführung auf die Idee kam, eine ganztägige Betriebsversammlung bei der Mutter KWS, also quasi einen eintägigen Solidaritätsstreik, durchzuführen, betonte ver.di „den Schwerpunkt der Betriebsversammlung auf die Zeit nach dem Berufsverkehr zu legen, um eine weitere Zuspitzung des Konflikts zu vermeiden“.
Im Oktober gewann die SPD die Oberbürgermeisterwahl und die Gewerkschaftsführung schöpfte wieder Hoffnung auf eine Verhandlungslösung. Sicherheitshalber wurden die Lohnforderungen jetzt noch mal abgesenkt. So soll jetzt ein Tarifvertrag mit Laufzeit bis Ende 2007 einen ersten Einstieg in den Spartentarifvertrag bringen. Trotz SPD-Oberbürgermeister wurde aber Anfang November klar, dass sich die Gegenseite auch weiterhin weigert, einen Tarifvertrag mit ver.di zu unterschreiben. Es habe nur „Sondierungsgespräche“ gegeben, keine Tarifverhandlungen. Währenddessen versucht ver.di, das Gesicht nicht zu verlieren und der neue Fachbereichsleiter Lohmann droht verbal, er könne „keine Gewähr mehr dafür geben, dass der Streik so gesittet abläuft wie bisher.“ Das heißt nichts anderes, als dass ver.di bis jetzt auch alles getan hat, damit der Streik so „gesittet“ abläuft…

HBB bleibt hartnäckig

Die Lage des Streiks scheint verfahren. Ausbaden müssen das jedoch weder die Politiker und Politikerinnen noch die ver.di-Streikleitung, sondern die Streikenden selbst. Sie erhalten seit Monaten keinen Lohn sondern lediglich 45 Euro Streikgeld pro Tag. Einige Befristete, die mitgestreikt haben, sind inzwischen arbeitslos.
Die Hartnäckigkeit der HBB ist nichts Besonderes. Seit Monaten blasen öffentliche und private Unternehmen mit Lohnkürzungen oder Arbeitszeitverlängerung zum Generalangriff. Der Gewerkschaftsführung wird dabei von vielen vorgeworfen, dass sie kein Konzept für die Gegenwehr habe. In Leverkusen waren allerdings teilweise Linke mit der Führung des Streiks betraut. Die verantwortlichen Streikführerinnen und Streikführer müssen sich angesichts des Debakels einige Fragen gefallen lassen: Warum wurde anstatt den bei der KWS gültigen Bundesangestelltentarif zu verteidigen auf einen Spartentarifvertrag gesetzt? Warum wurde auf Protest statt auf wirtschaftlichen Druck gesetzt? Warum wurde erst so sp&aum
l;t versucht, mit kreativen Methoden die Ausfahrt der Busse zu verhindern? Oder auch: Wo liegt für die Kolleginnen und Kollegen der Unterschied zwischen einem ver.di-Streik und einem ver.di-Linken-Streik?

Verdi-Linke NRW
Die verdi-Linke ist ein Zusammenschluss von ver.di-Mitgliedern aus dem Landesbezirk NRW, die zu einer Reihe von allgemeinpolitischen Fragen unterschiedliche Auffassungen haben, sich aber an dem gemeinsamen Ziel orientieren, ihre Organisation handlungs- und durchsetzungsfähig zu machen. Sie setzt sich für eine konsequente Interessenvertretung der abhängig Beschäftigten ein. („Der Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit bestimmt unser Handeln.“) Darüber hinaus richtet sie sich ausdrücklich gegen die neoliberale Politik der Regierungen und Finanzinstitutionen auch auf internationaler Ebene. Weitere Infos im Labournet (www.labournet.de), wo die verdi-Linke eine website unterhält.

Entschließung des Politischen Komitees des RSB zum Kampf bei Opel Bochum

Sieben Tage und Nächte lang haben die Arbeiterinnen und Arbeiter von Opel Bochum, ihre Frauen und Männer ihre Kinder, ihre Freundinnen und Freunde die Herrschenden in Berlin, Zürich und Detroit und ihre Helfershelfer in der Gewerkschaftsbürokratie in Atem gehalten.
Sieben Tage wehte der Wind aus einer andern Richtung. Sieben Tage lang haben wir die kleinlaut erlebt, die zuvor von Tag zu Tag frecher in der Umsetzung ihres neoliberalen Wirtschaftsprogramms wurden, deren Lügen und Märchen wir in tausend Variationen durch die Medien und „freie Presse“ ertragen mussten.
Und warum wurden die Herrschenden so still? Die Arbeiterinnen und Arbeiter haben auf beeindruckende Weise den Weg aufgezeigt, auf dem wir den Kampf gegen Lohnabbau, Arbeitszeitverlängerungen, Betriebsschließungen und gegen sozialen Kahlschlag gewinnen können. Sie haben durch ihren europäischen Aktionstag am 19. Oktober der Spaltung entgegengewirkt.
Was heißt denn „Standortsicherung“ und „Wettbewerbsfähigkeit“? Standortsicherung heißt Kampf um die längsten Arbeitszeiten, die schlechtesten Arbeitsbedingungen, niedrigsten Löhne, Zumutbarkeitsregeln und 1-Euro-Jobs. Standortsicherung heißt Angst vor Entlassung und gegenseitiges Misstrauen, Einschüchterung und Unfreiheit. Nein danke mit uns nicht.
Das ist ihr Wettbewerb, ihre Konkurrenz, ihr Kampf, unsere Stärke heißt Solidarität. Beim nächsten Mal sind wir mehr und wir werden besser organisiert sein.

Der RSB setzt sich für folgende Forderungen ein:

  • Rücknahme der fristlosen Kündigungen der zwei Kollegen, die an den Informationsveranstal tungen des Betriebsrats vom 14.10.-20.10. teilgenommen oder dazu aufgerufen haben und die stell vertretend für alle anderen getrof fen werden sollen!
  • Verteidigung aller Arbeitsplätze!
  • Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich, nicht nur bei Opel!
  • Enteignen statt entlassen!
  • Die gesamte europäische Auto industrie und die Autoindustrie weltweit in die Hände der Arbeiter rinnen und Arbeiter.
  • Umstellung der Produktion auf ökologisch und gesellschaftlich sinnvolle Produkte wie etwa den Bau von Fahrzeugen für den ÖPNV.

Wir treten ein für eine klassenkämpferische Gewerkschaftspolitik, für internationale Solidarität und Organisierung; für die Abwahl aller Gewerkschaftsfunktionäre, die demobilisieren, während andere mobilisieren. Nehmen wir die Gewerkschaften in die eigene Hand! Es gibt ein Mittel gegen Angst und Einschüchterung, und das ist faktisch der Streik, ganz gleich unter welchem Namen die Arbeitsniederlegung durchgeführt wird. Denn das, was die Gegenseite unter Druck setzt, sind nicht die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen, sondern die Weigerung, weiter zu produzieren, so lange keine zufrieden stellende Lösung erreicht wurde.

Politisches Komitee des RSB, Mannheim, den 31.10.04

Opel Bochum: VKL gegen fristlose Kündigungen
Die Vertrauenskörper-Leitung Opel Bochum ruft zu einer Unterschriften sammlung auf: „Im Zusammenhang mit den Informationsveranstaltungen vom 14.10. – 20.10.2004 will die Personalabtei lungen zwei Kollegen, darunter ein Betriebsratsmitglied, fristlos kündigen.
Der Betriebsrat hat einstimmig den Kündigungen widersprochen. Wir fordern die Adam Opel AG auf, von diesen fristlosen Kündigungen Abstand zu nehmen und keine weiteren Maßregelungen durchzuführen!“. Die Unterschriftslisten der VKL sind unter:
http://www.labournet.de/branchen/auto/gm-opel/bochum/uliste-vkl.pdf  erhältlich.
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