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Betrieb & Gewerkschaft

Buchrezension: Union Busting in Deutschland

Von Helmut Schmitt | 01.07.2014

Union-Busting in Deutschland
Die Bekämpfung von Betriebsräten und Gewerkschaften als professionelle Dienstleistung
von Werner Rügemer und Elmar Wigand. Eine Studie der Otto Brenner Stiftung, Frankfurt/Main 2014.

Union-Busting in Deutschland
Die Bekämpfung von Betriebsräten und Gewerkschaften als professionelle Dienstleistung
von Werner Rügemer und Elmar Wigand. Eine Studie der Otto Brenner Stiftung, Frankfurt/Main 2014.

Die Bekämpfung von Betriebsräten und Gewerkschaften durch die Kapitalisten ist nichts Neues. Schon immer wurden diejenigen, die sich nachhaltig für die Interessen der Arbeiterinnen und Arbeiter engagiert haben vom Kapital bekämpft. Avanti hat darüber schon vielfach berichtet.

Neu ist allerdings, dass sich in den letzten Jahren ein regelrechter Dienstleistungssektor herausbildet, der sich zum Ziel gesetzt hat, systematisch die Arbeit, insbesondere gewerkschaftlich orientierter Betriebsräte, zu be- bzw. zu verhindern. Es ist offensichtlich so, dass das deutsche Modell der Mitbestimmung und der „Sozialpartnerschaft“ von immer mehr Betrieben in erster Linie als lästiger Kostenfaktor und Relikt einer vergangenen Epoche in Frage gestellt wird.

Das Arbeitsheft 77 greift diese Thematik auf und arbeitet die dahinter stehende Systematik heraus.

An verschiedenen Fallbeispielen machen die Autoren deutlich, wie die verschiedenen Akteure vorgehen und zeigen auf, dass sich in den letzten 10 Jahren unterschiedliche, miteinander verbundene Netzwerke herausgebildet haben.

Dazu gehören Universitäten, an denen Juristen und Betriebswirtschaftler ausgebildet werden, kleine und große Anwaltskanzleien, Unternehmensberater, Medienrechtskanzleien, PR-Agenturen, Stiftungen, Wirtschaftsdetekteien, arbeitgeberfinanzierte Universitätsinstitute, gelbe Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände.

Ihr Ziel sei es, betriebsratsfreie Zonen zu schaffen und zu sichern. Die bekanntesten Akteure sind die bundesweit aktiven Rechtsanwaltskanzleien Naujoks und Schreiner. Diese Kanzleien bilden die Spitze eines Eisbergs, dessen größerer Teil aus Dienstleistern besteht, die ihre Aktivitäten moderater und eher zwischen den Zeilen formulieren.

Spezifische Branchen und Betriebe gelten als Pioniere für gewerkschafts- und betriebsratsfreie Zonen, etwa Reedereien (durch Ausflaggung), die Systemgastronomie (Typ McDonald’s), Einzelhandelsketten (Typ Aldi), Paketzusteller (Typ UPS) oder Unternehmen der Informationstechnologie.

Zur Strategie der Union-Buster gehört es, gezielt Kündigungsgründe zu inszenieren; ebenso gehören dazu fristlose Kündigungen, die im Bewusstsein ausgesprochen werden, dass sich deren Begründung vor den Arbeitsgerichten gar nicht halten lässt. Damit würden jedoch Fakten geschaffen:

Die betroffenen Beschäftigten, Betriebsräte und Betriebsratsgründer werden für Monate aus dem Betrieb entfernt. Oft enden die Konflikte mit Abfindungen. Die nach dem Betriebsverfassungsgesetz geltende Strafbarkeit von Betriebsratsverhinderung und -behinderung sei vermutlich eine der am seltensten durchgesetzten rechtlichen Sanktionen überhaupt.

In bestimmten Situationen werden der Studie zufolge Methoden des Union-Busting besonders häufig eingesetzt.

Das gelte für Unternehmensaufkäufe durch Private-Equity-Investoren. Diese setzen von vornherein auf einen Weiterverkauf oder einen Börsengang. Sie können den Kaufpreis nicht nur durch drastische Kostensenkungen, sondern auch durch ein betriebsratsfrei gemachtes Unternehmen wesentlich in die Höhe treiben. Des Weiteren seien Privatisierungen öffentlicher Unternehmen und Dienstleistungen Risikosituationen für Beschäftigte, GewerkschafterInnen und Betriebsräte.

Union-Busting schränkt oftmals auch die Presse- und Meinungsfreiheit ein. Einschüchterungsversuche sowie Kündigungen gegen Betriebsräte und Gewerkschafter infolge von Meinungsäußerungen in der betrieblichen Öffentlichkeit stellen eine gebräuchliche Vorgehensweise dar. Eine häufig angewandte Methode seien ferner Kündigungen im Zusammenhang mit Aussagen von Beschäftigten und Betriebsräten gegenüber der Presse und der Öffentlichkeit.

Spezialisierte Medienanwälte unterdrücken und erschweren kritische Medienberichte mittels Abmahnungen, Gegendarstellungen oder Unterlassungserklärungen.

Begünstigt wird die Ausweitung des Union-Busting dadurch, dass das Arbeitsrecht an Hochschulen immer mehr privatisiert wird.

Während das Arbeitsrecht in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik selbst von Konservativen seiner Intention nach als Schutzrecht für ArbeiterInnen begriffen worden sei, folge heute nur noch eine Minderheit diesem klassischen Prinzip.

Das Lager jener Arbeitsrechtler, die den Schutz des Eigentums der Arbeitgeber und deren unternehmerische Freiheit in den Vordergrund stellen, nimmt heute eine dominante Position ein. Konzerne und Arbeitgeberverbände finanzieren heute Universitätsinstitute für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen. Arbeitgebernahe Anwälte haben immer häufiger Lehraufträge an Universitäten, privaten wie staatlichen.

Fazit: Die Studie hat das Verdienst ein aus gewerkschaftlicher Sicht wichtiges Thema aufgegriffen zu haben, das bisher in der gewerkschaftlichen Diskussion unterbelichtet war. In der Regel sind es gerade die aktiven und kritischen GewerkschafterInnen, die als Vertrauensleute oder als Betriebsräte ins Visier der Union-Buster geraten.

Für die Gewerkschaften geht es aber nicht nur um das Einzelschicksal einiger aktiver Kolleginnen und Kollegen. Das Ziel der Verhinderung und Zerschlagung betriebsrätlicher Stru
kturen geht unmittelbar an die gewerkschaftliche Substanz und gefährdet langfristig die Existenz der Gewerkschaften. Die Gewerkschaften sind deshalb gut beraten, die Entwicklung des Union-Busting genauer zu analysieren und gezielt Gegenstrategien zu entwickeln.

Die Broschüre gibt sehr fundierte Einblicke in eine betriebliche Wirklichkeit, die von Vielen bisher so kaum wahrgenommen wurde. Sie ist auf jeden Fall sehr lesenswert.

Sie ist kostenlos von der Otto Brenner Stiftung zu beziehen, ist aber zur Zeit vergriffen. Es steht aber ein Download auf der Internetseite der Otto Brenner Stiftung zur Verfügung:

http://shortlinks.de/e68x

Es gibt bisher wenige Ansätze für einen systematischen Kampf gegen Union-Busting, bzw. Mobbing gegen Betriebsräte. Im Internet haben sich die Seite arbeitsunrecht.de (Werner Rügemer/Elmar Wigand) und die Seite work-watch.de (GünterWallraff/Albrecht Kieser) dieser Thematik angenommen. In Mannheim befasst sich seit Jahren das Solidaritätskomitee gegen BR-Mobbing (www.gegen-br-mobbing.de) mit praktischer Solidaritätsarbeit von Betroffenen in der Region. Auch Avanti berichtet schon seit Jahren über aktuelle Fälle von Mobbing gegen aktive Betriebsräte.

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