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Kultur

Buchbesprechung: Deutsche Kommunisten

Von B.B. | 01.01.2005

Das biographische Handbuch Deutsche Kommunisten (1918 bis 1945) von Hermann Weber und Andreas Herbst ist mehr als nur ein Nachschlagewerk. Über den politischen Werdegang damaliger AktivistInnen zeigt es die Bedeutung einer kommunistischen Partei für heute auf.

Das Handbuch umfasst die Biographien von 1.400 FunktionärInnen der KPD zwischen 1918 bis 1945. Liest mensch sich die Biographien durch, so wird zu allererst die gewaltige Arbeit der Aufklärung und politischen Erziehung deutlich, die die Kommunistische Partei in der Weimarer Republik leistete. Sie förderte eine Avantgarde aus KämpferInnen des Proletariats – ein hier wirklich zutreffender Ausdruck. Die KPD half diesen ArbeiterInnen, ihr Bewusstsein auf ein neues politisches Niveau zu heben und zu neuen Menschen zu werden. Dieser Emanzipationsprozess im besten sozialistischen und humanistischen Sinne, selbst nur ein Spiegelbild der breiten kommunistischen Bewusstseinsarbeit innerhalb der Klasse, ist nur mit der Arbeit der SPD in ihrer revolutionären Phase 1878 bis 1906 unter Bebel, Wilhelm Liebknecht, Kautsky und Rosa Luxemburg zu vergleichen.

Emanzipation und Degeneration

Die Biographien machen aber auch deutlich, dass der Emanzipationsprozess der AktivistInnen während der Kampfzeit der KPD (1918 – 1923) mit Beginn einer vorübergehenden Stabilisierungsphase des Kapitalismus zusehends vom Degenerationsprozess der Stalinisierung überlagert wurde. Sie verlangte von diesen gesellschaftskritischen Kadern, die zu AgitatorInnen, PropagandistInnen und OrganisatorInnen ausgebildet worden waren oder wurden, sich den jeweiligen Direktiven und „Linien“ aus Moskau bedingungslos zu unterwerfen. Fast jede Kritik an Stalin/Thälmann wurde mit Ausschluss oder Absetzung bestraft. Wer deshalb lieber der vorgegebenen Linie folgte, dem/der war das Rückgrat gebrochen. Darüber geben ansatzweise die Biographien Ewerts und Gerhart Eislers Aufschluss, die mit Ernst Meyer die Apparatfraktion der Versöhnler führten. Sie traten 1928 gegen die ultralinke Linie der Stalin-Thälmann für die Einheitsfront mit der SPD und für kommunistische Fraktionsarbeit in den Gewerkschaften ein, um dann nach dem Tode Meyers im Februar 1930 zu kapitulieren und sich der Einheitsfrontpolitik „nur von unten“, dem Kurs auf eigene revolutionäre Gewerkschaften und später der Sozialfaschismustheorie zu unterwerfen.
Anpassung konnte sich durchaus auszahlen. Schließlich bot die KPD Ende der 20er Jahre ca. 5.000 bezahlte Stellen vom hauptamtlichen ZK-Mitglied bis zur/m Mitarbeiter/in einer Konsumgenossenschaft. Dieser aufgeblähte bürokratische Apparat stellte 20 Prozent aller FunktionärInnen. Mit ihm beherrschte die Thälmannführung das Funktionärscorps und darüber die Partei (S. 27).
Hatten die FunktionärInnen mit wenig linientreuer Biographie auch noch das Pech, später vor Hitler in die Sowjetunion zu flüchten, dann wurde der frühere Widerspruch gegen die Parteiführung in vielen Fällen mit der Kugel beantwortet. Von den 1.400 angeführten KPD-Mitgliedern wurden 222 Opfer des Faschismus und 178 des Stalinismus (S. 42).

Linkskommunistische Tradition

Ausgangspunkt des proletarischen Linkskommunismus, aus dem der Trotzkismus in Deutschland hervorging, war die Kritik an der verpassten „deutschen Oktober“ Revolution 1923. Leider scheint die Kombination der Jahre „1921“ und „1923“ für die Sicht der beiden Autoren auf die Geschichte der KPD kaum eine Bedeutung zu haben (S. 12 f.). Damals gelang es der Führung der KPD um Brandler, Stöcker, Fröhlich und Thalheimer die kommunistische Partei in nur 2 ½ Jahren völlig zu ruinieren. Die KPD verlor durch die ultralinke Märzaktion 1921 allein 209.000 Mitglieder und durch das Verpassen der revolutionären Situation im Oktober 1923 noch einmal 200.000 Mitglieder.
Mit Webers/Herbsts Unterscheidung einer „realpolitischen“ und einer „radikalen linken“ Grundströmung in der KPD (S. 18) kann mensch einiges erklären. Die Frage wird jedoch da spannend, wo sie für die Autoren aufhört: Warum bildete sich in der KPD nach dem Tod Rosa Luxemburgs nie eine revolutionär-marxistische Leitung heraus? Wie Trotzki in seiner Kritik des Programms der Kommunistischen Internationale hervorhob, stieß sich jede Leitung der KPD an ihrer falsch eingeschätzten Entwicklung des Kapitalismus die Köpfe ein und wurde von der nächsten Leitung abgelöst. So konnte die Führung der KPD nicht einmal unterschiedliche Erfahrungen verarbeiten und Fehler korrigieren. Aber hätte sie es denn gekonnt, wenn sie dazu die Gelegenheit gehabt hätte?
Eine Anregung für weitere Nachforschungen sind die Biographien von Linkskommunisten in der späteren DDR wie von Erich Besser in Dessau und Otto Weber in Rathenow, die sich nie dem Stalinismus beugten. Dass bei 1.400 Biographien auch die eine oder andere wichtige vergessen werden kann, ist demnächst mit der Erinnerung an den 50. Todestag von Josef Schmitz zu belegen. Denn schließlich ist Webers/Herbsts Handbuch eine Aufforderung, sich weiter mit der Geschichte des kommunistischen Arbeiterbewegung auseinanderzusetzen.

Hermann Weber/Andreas Herbst
Deutsche Kommunisten
Biographisches Handbuch
1918 bis 1945
49,90 Euro oder Bücherei

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