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Bolivien: Das Öl, das Gas und Evo Morales

Von Thadeus Pato | 01.06.2006

Evo Morales, der neue bolivianische Präsident und ehemalige Cocabauer, unterscheidet sich nicht nur in der Kleidung von seinen Vorgängern: Im Gegensatz zu diesen hält er seine wesentlichen Wahlversprechen auch ein. Fragt sich nur, wie lange er seinen Kurs durchhält.

Evo Morales, der neue bolivianische Präsident und ehemalige Cocabauer, unterscheidet sich nicht nur in der Kleidung von seinen Vorgängern: Im Gegensatz zu diesen hält er seine wesentlichen Wahlversprechen auch ein. Fragt sich nur, wie lange er seinen Kurs durchhält.

Ein zentrales Thema des bolivianischen Wahlkampfes war die Ausbeutung der natürlichen Reichtümer Boliviens, durch ausländische Konzerne, insbesondere Gas und Öl. Morales kündigte die Nationalisierung an und er machte sein Versprechen wahr: Mit dem Dekret 28.701 wurde die Privatisierung der Öl- und Gasvorkommen, von der damaligen Regierung beschönigend „Kapitalisierung“ genannt, rückgängig gemacht. Allerdings ist die Sache nicht ganz so einfach. Im wesentlichen stellt das Dekret die Fähigkeit des Staates wieder her, die Preise festzusetzen und über die Verwendung der Ressourcen zu bestimmen. Eine Enteignung der von einer Phalanx ausländischer Ölkonzerne installierten petrochemischen Anlagen aber fand nicht statt.
Große Besorgnis
Im Januar hatte Morales in einem Treffen mit den einflussreichen Unternehmern der Region Santa Cruz, wo das Zentrum der Öl- und Gasförderung liegt, die Gemüter zu beruhigen versucht. Er versicherte, dass „diese Regierung die Freiheit privater Investitionen garantiere“. Alle hätten das Recht, ihre Investititonen zu refinanzieren und grundsätzlich auch, Gewinne zu machen. „Wir möchten nur, dass diese Gewinne sowohl für die Unternehmen als auch für den bolivianischen Staat nutzbringend sind,“ beteuerte er.

Während der venezolanische Präsident Chavez und Fidel Castro das Dekret begrüßten und Morales den Rücken stärkten, waren die internationalen Ölkonzerne einschließlich der jeweiligen Regierungen not amused. Die argentinische Zeitung Clarin meldete prompt am 4.5., dass die brasilianische Petrobras, deren Lizenzgebühren 18% des bolivianischen Staatshaushaltes ausmachen, ihre geplanten Investitionen in Bolivien stoppen werde und Präsident Lula da Silva drohte gar mit einem Verfahren vor dem internationalen Gerichtshof in New York. 51% des brasilianischen Gasbedarfs kommt aus Bolivien und Brasilien ist mit 20% auch der größte Investor in Bolivien. Auch die spanische Regierung äußerte Besorgnis – schließlich macht auch die spanische Firma Repsol schöne Gewinne mit bolivianischem Gas und Öl.
Nationalisierungsdekret
Derzeit herrscht gespannte Ruhe. Hinter den Kulissen wird heftig verhandelt. Wie der Minister für die fossilen Bodenschätze, Andrés Soliz Rada, in einem Interview mit dem Clarin in Buenos Aires am 3.5.2006 erklärte, sieht die „Nationalisierung“ so aus, dass die staatliche Firma YPFB (Yacimientos Petrolíferos Fiscales Bolivianos), die bisher eher ein Schattendasein fristete, grundsätzlich mindestens 51% der geförderten Mengen bekommt. In einigen großen Förderstätten, nämlich San Alberto und Sabalo, beträgt allerdings die Quote 82% für die Staatsfirma, 18% für die ausländischen Förderfirmen. Begründet wird das damit, dass zum einen bei diesen Lagerstätten die Investititonen der Firmen schon vor Jahren vollständig hereingebracht wurden und zum anderen eine der beiden Lagerstätten ursprünglich von YPFB selbst erschlossen worden war.

Was die Ölfirmen besonders empörte, war, dass mit der Verabschiedung des Nationalisierungsdekretes die Armee aufmarschierte und die Förderanlagen „bewachte“. Damit soll gewährleistet werden, dass die Angestellten von YPFB die tatsächlichen Fördermengen und damit die korrekte Abführung der Gewinnanteile kontrollieren können. Andres Solis Rada bemerkte nur trocken, dass die Ölfirmen ja schließlich auch vor der aufgebrachten Bevölkerung geschützt werden müssten…

Eine richtige Verstaatlichung ist das, was die bolivianische Regierung betreibt, nicht. Aber es reicht, um von der EU über die USA bis zu Brasilien Drohgebärden auszulösen. Morales verschärfte daraufhin kürzlich beim Treffen EU-Lateinamerika in Wien den Ton. Wie die spanische Zeitung El Pais meldete, bezeichnete er die seinerzeitigen Privatisierungsverträge mit den internationalen Ölkonzernen als „illegal und verfassungswidrig“. 500 Jahre Ausbeutung seien genug.

Ein Problem, das noch der Lösung harrt, ist allerdings die ungeheure Korruption im gesamten Staatsapparat, deren Bekämpfung laut Morales eine der Hauptaufgaben der neuen Regierung sein wird: Gemäß Transparency International liegt Bolivien in der Hitliste der korruptesten Staaten weltweit an zweiter Stelle. Wenn das sich nicht ändert, dann werden ähnlich wie in Venezuela vor Chavez die zusätzlichen Einnahmen aus Öl und Gas spurlos verschwinden. 

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