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Betrieb & Gewerkschaft

Belegschaft zeigt Eigeninitiative – IG Metall-Bezirksleitung wollte dafür abstrafen

Von K.R. | 01.10.2004

“Jetzt haben sie den Bogen überspannt.” Das war die Stimmung der weit über 60.000 DaimlerChrysler-Beschäftigten, die am 15.Juli in allen bundesdeutschen Werken des Autokonzerns während der Arbeitszeit gegen das vom Management vorgelegte Kürzungsprogramm protestierten. Dieser gemeinsame Aktionstag war der Höhepunkt einer beeindruckenden Reihe betrieblicher und außerbetrieblicher Aktivitäten gegen die Kürzungspläne des Konzernvorstands.

“Jetzt haben sie den Bogen überspannt.” Das war die Stimmung der weit über 60.000 DaimlerChrysler-Beschäftigten, die am 15.Juli in allen bundesdeutschen Werken des Autokonzerns während der Arbeitszeit gegen das vom Management vorgelegte Kürzungsprogramm protestierten. Dieser gemeinsame Aktionstag war der Höhepunkt einer beeindruckenden Reihe betrieblicher und außerbetrieblicher Aktivitäten gegen die Kürzungspläne des Konzernvorstands.

Spektakulärste Aktion an diesem Tag war jedoch ohne Zweifel der Marsch von über 2 000 Beschäftigten aus dem Werksteil Mettingen über die B 10 zum Kundgebungsort des Werks Stuttgart-Untertürkheim. Von der Anschlussstelle Mettingen bis zu den Otto-Konz-Brücken waren die KollegInnen über eine Stunde stadteinwärts auf der vierspurigen Bundesstraße marschiert und hatten so für ein Verkehrschaos auf der wichtigen Zufahrtsstraße nach Stuttgart aus Richtung Ulm gesorgt.
Am Kundgebungsort vor dem Werkstor in Untertürkheim standen bereits über 8.000 Menschen. Werker aus Untertürkheim, Solidaritätsdelegationen aus Stuttgarter Betrieben, Gewerkschafter aus dem öffentlichen Dienst, Erwerbsloseninitiativen und Aktionsgruppen prekär Beschäftigter hatten sich hier versammelt. Als die KollegInnen aus Mettingen auf den Karl-Benz-Platz einbogen, brandete überwältigender Jubel auf.
In vollem Kontrast dazu stand die Reaktion der Betriebsratsfürsten. Weder der Betriebsratsvorsitzende noch sein Stellvertreter oder der VK-Leiter erwähnten die Aktion der Mettinger mit einem Wort, geschweige denn wurden die KollegInnen begrüßt. Mensch hätte schon damals misstrauisch werden können, denn zu offensichtlich war dieses Totschweigen, so wenig passte es zu der Stimmung der Menschen vor dem Tor.
Hintergrund ist, dass die Mettinger innerhalb der DaimlerChrysler-Betriebsräte und der IG Metall-Vertrauensleute sich nicht zu den Co-Managern zählen und eine aktive betriebliche und gewerkschaftliche Gegenmachtpolitik befürworten. Logisch deshalb auch, dass sie sich gegen den sich abzeichnenden Abschluss bei DaimlerChrysler stemmten und nach dem Abschluss ihre Kritik unter dem Titel “Starker Kampf – mattes Verhandlungsergebnis” veröffentlichten, womit sie eine weit verbreitete Stimmung in der Belegschaft wiedergaben (nachzulesen im Labournet unter Branchennachrichten).

Strafmaßnahmen geplant

Eine solche Linie – auch noch mit öffentlicher, massenhafter Unterstützung im Betrieb – das erträgt der bürokratische Apparat nicht und er greift zu den altbekannten Methoden. Hinter den Kulissen hatten wohl der zweite IG Metall-Vorsitzende Berthold Huber, der Konzernbetriebsratsvorsitzende Erich Klemm und etliche andere keine Ruhe mehr gegeben und endlich Aktivitäten gegen die “Abweichler” aus Mettingen angemahnt.
So darf es nicht verwundern, dass der Stuttgarter IG Metall-Bezirksleiter Hoffmann am 05.08.04 den für Mettingen zuständigen Ortsvorstand der IG Metall-Verwaltungsstelle Esslingen schriftlich zu Ermittlungen und gegebenenfalls zu Disziplinarmaßnahmen aufgefordert hat. Das Ganze in einem Ton und einer Wortwahl, die bislang in der IG Metall gegenüber Streikbrechern vorbehalten war. Der Gipfel war jedoch, dass den Mettingern im Falle von straf- oder arbeitsrechtlichen Sanktionen für die Aktionen am 15.07. bereits vorab der selbstverständliche Rechtsschutz entzogen werden sollte. Eine glatte Aufforderung an Staat und Konzernführung hier ein Problem stellvertretend zu “erledigen”.
Dieser Brief wurde jedoch bekannt und so haben etliche IG Metall-Vertrauenskörper aus Stuttgart bei der Verwaltungsstelle Esslingen interveniert, um diesem skandalösen Vorhaben ein Ende zu bereiten. Offensichtlich hat dies mit dazu beigetragen, dass nunmehr ein eventuell erforderlicher Rechtsschutz auf jeden Fall gewährt wird und Disziplinarmaßnahmen wohl nicht ergriffen werden. Es ist jedoch klar, dass die Bürokratie in Stuttgart und Frankfurt nur auf eine geeignetere Gelegenheit wartet, um dem “Problem Mettingen” den Garaus zu machen. “Mettingen” stellvertretend für eine Politik, die sich an den Interessen der Beschäftigten orientiert und nicht an der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Insofern ist weiterhin Wachsamkeit angesagt.

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