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Baskische Linke nicht mit ETA verwechseln

Von Interview: Thadeus Pato | 01.05.2008

José Ramón Castaños „Troglo“ ist  führendes Mitglied der baskischen Charta für soziale Rechte und hat als solches das Lizarra-Abkommen mitunterzeichnet. Er war einer der Gründer der ETA-VI, die sich auf dem sechsten Kongress der ETA 1971 von ihr abspaltete. Die Gruppe wurde später Sektion der IV. Internationale. Avanti sprach mit ihm über die jüngsten Ereignisse im Baskenland.

José Ramón Castaños „Troglo“ ist  führendes Mitglied der baskischen Charta für soziale Rechte und hat als solches das Lizarra-Abkommen mitunterzeichnet. Er war einer der Gründer der ETA-VI, die sich auf dem sechsten Kongress der ETA 1971 von ihr abspaltete. Die Gruppe wurde später Sektion der IV. Internationale. Avanti sprach mit ihm über die jüngsten Ereignisse im Baskenland.

Thadeus Pato: Vor dem Hintergrund welchen Szenarios fand das Verbot der beiden Parteien statt, von denen die spanische Regierung behauptet, dass sie Tarnorganisationen der ETA darstellen?


Troglo: Der erste Punkt, den man erwähnen muss, ist, dass es sich bei beiden Parteien, Batasuna und ANV, um Parteien der baskischen nationalistischen Linken handelt, die keinen bewaffneten Kampf praktizieren und die ETA nicht in Schutz nehmen. Es sind politische Organisationen – den bewaffneten Kampf betreibt nur die ETA. Die spanische Regierung hat nun in Zusammenarbeit mit den beiden Parteien, die den spanischen Staat dominieren, PSOE und PP, ein Gesetz durchgedrückt, gemäß dem die gesamte organisierte baskische Linke, also auch die zivile demokratische Linke, terroristisch ist. Damit hat die Regierung eine Kriminalisierung politischer Ideen eingeführt, indem sie terroristische Aktivitäten und das Eintreten für die Unabhängigkeit des Baskenlandes praktisch gleichgestellt hat, ohne das mit Beweisen zu belegen. Deshalb wird jetzt die politische Linke ebenso wie die bewaffneten Gruppen unterdrückt. Aber die politischen Grundrechte wie die Menschenrechte verlangen, dass da ein Unterschied gemacht wird.

Thadeus Pato: In deutschen Zeitungen konnte man lesen, dass die Repression – die etwas anders bezeichnet wird – sich ausschließlich gegen die ETA richtet. Darum glauben die meisten Leute in Deutschland, dass die beiden Parteien nur deshalb verboten wurden, weil sie tatsächlich Verbindungen zur ETA haben.


Troglo: In der Tat wurde Batasuna, die Organisation der baskischen politischen Linken, von der ETA selbst am Ende der Franco-Diktatur gegründet. Und so gab es eine Arbeitsteilung zwischen Batasuna als politischer und der ETA als bewaffneter Organisation. Sie verfolgen die gleichen politischen Ziele, allerdings mit unterschiedlichen Methoden. In diesem Sinne gibt es ein gemeinsames Projekt von ETA und Batasuna. Aber es handelt sich um zwei verschiedene Organisationen. Das Gesetz sieht vor, dass eine Person oder Organisation verurteilt wird, wenn bewiesen ist, dass sie illegale oder terroristische Akte begangen hat. Nun gut: Der Staat verfolgt eine Gruppe wie ETA, die Morde an politischen Führern, einschließlich der sozialistischen Partei, als Waffe im politischen Kampf  benutzt. Aber es ist gegen das Gesetz, politische nichtmilitärische Organisationen einfach ebenfalls als terroristisch einzustufen. Was geschieht, ist, dass auf diese Weise ein politisches Vorurteil aufgebaut wird, das es ermöglicht, den zivilen Ungehorsam, den gewerkschaftlichen Widerstand, das Streben nach Unabhängigkeit und die bewaffnete Aktion in denselben Sack zu stecken, so, als ob all das ein und dasselbe wäre. Dazu haben sie kein Recht.

Man darf die baskische Linke nicht mit der ETA verwechseln. Als Konsequenz der Repression gegen die gesamte baskische Linke hat sich der Einfluss der ETA auf die Unabhängigkeitsbewegung erneuert und das ist für die nationale Frage von entscheidender Bedeutung, weil ETA mit ihren militärischen Aktionen gegen die Menschenrechte verstößt. Was wir zur ETA sagen, ist, dass die Linke nicht die Menschenrechte für sich beanspruchen und sie ihren Gegnern absprechen, also mit zweierlei Maß messen kann. Was wir meinen ist, dass es zwischen Mittel und Zweck eine dialektische Beziehung gibt und dass ETA das nicht berücksichtigt. Wir unterscheiden sehr genau zwischen der Solidarität mit unschuldig verurteilten Personen, der Kritik an ungerechten Gesetzen und der Solidarität mit einer Organisation wie ETA. Wir sind mit ETA nicht solidarisch, weil wir das mit einer Organisation, die die Menschenrechte verletzt, nicht sein können.

Thadeus Pato: Das heißt, dass die Menschen, die gegen das Verbot der beiden Parteien protestierten und die vergangene Woche streikten, das nicht taten, weil sie sich mit der ETA solidarisierten?


Troglo: Es kann sein, dass ein Teil der Leute, die dem Aufruf gefolgt sind, mit ETA solidarisch ist, aber die große Mehrheit ist es nicht. Man muss sagen, dass auch die große Mehrheit der Mitglieder und Wähler von Batasuna gegen den bewaffneten Kampf der ETA ist. Was stattgefunden hat, ist eine politische Trennung von Batasuna und ETA, weil die ETA versucht hat, Batasuna bei deren Verhandlungen mit der Regierung zu bevormunden. Das ist der Grund, warum der Waffenstillstand gebrochen wurde. Die Demonstra­tionen der letzten Tage waren gegen das Verbot von Batasuna gerichtet und keine Unterstützung der ETA.

Außerdem muss man sagen, dass der Aktionstag und der Streik ein ziemliches Desaster waren. Die Produktion kam nicht zum Stillstand. Es war ein Streik, verbunden mit einem Ultimatum, der von einer Gewerkschaft (LAB) ausgerufen wurde und an dem sich die große Mehrheit nicht beteiligte. Es gab Streikposten, hauptsächlich junge Leute, die in den Stadtzentren den Handel lahm legten. Aber es war kein richtiger „Kampftag“, im ganzen Baskenland haben sich nur ungefähr 40 000 Leute beteiligt. Von einem Generalstreik kann man da nicht sprechen. Und man kann auch nicht davon sprechen, dass es um die ETA ging, es war ein Protest gegen die Illegalisierung von Batasuna. Was wichtig ist: Die überwältigende Mehrheit der Unterstützer von Batasuna ist gegen die bewaffneten Aktionen der ETA, aber sie ist will auch nicht, dass das Problem der Gewalt  seitens des Staates mit Polizeimethoden zu lösen versucht wird. Was die Basken wollen, ist eine Lösung der nationalen Frage, das Recht auf Selbstregierung für eine Nation ohne Staat, wie wir das sind, und auch eine Lösung des Gewaltproblems. Die Mehrheit der Gesellschaft favorisiert einen Tausch: Freilassung der Gefangenen gegen definitive Niederlegung der Waffen. Das ist es, was die Menschen wollen.

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