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Betrieb & Gewerkschaft

Arbeitsplatzabbau in Zeiten technischen Fortschritts

Von Paul Brandt | 22.05.2014

Anfang 2014 gab es einen interessanten Beitrag in der britischen Wochenzeitung „The Economist“ zu den Auswirkungen des technischen Fortschritts für die gegenwärtige und für die vor uns liegende Arbeitswelt. Im Focus der Mitteilung stand die immer rasantere Computerisierung von Produktionsprozessen, Dienstleistungs- und Verwaltungsarbeiten.

Anfang 2014 gab es einen interessanten Beitrag in der britischen Wochenzeitung „The Economist“ zu den Auswirkungen des technischen Fortschritts für die gegenwärtige und für die vor uns liegende Arbeitswelt. Im Focus der Mitteilung stand die immer rasantere Computerisierung von Produktionsprozessen, Dienstleistungs- und Verwaltungsarbeiten.

Durch die ebenfalls enormen Fortschritte der ohnehin schon auf hohem Niveau befindlichen Arbeitsroboter könnten ihrer Schätzung zufolge in den nächsten Jahren bis zu über 40 Prozent der bisherigen Arbeitsplätze verloren gehen.

Laut einer anderen Studie, am 17. Januar 2014 von Aruba Networks veröffentlicht, gaben 72 Prozent der britischen Bevölkerung an, ihren Job effizienter von zu Hause aus machen zu können. 63 Prozent von ihnen benötigen ein WLAN-Netzwerk, um ihre Aufgaben zu erledigen – nicht schlecht für eine Technologie, die sich vor kaum 10 Jahren erst etabliert hat. Die Menschen passen sich den gesetzten technischen Bedingungen der Arbeitswelt an, die Durchdringung des Privaten durch die Arbeit nimmt weiter zu. Schöne Aussichten für´s Kapital, zweischneidige für die Lohnabhängigen.

In der Vergangenheit entstanden durch technologische Erneuerungen oder Umbau neue Arbeitsplätze, die zum Teil den Wegfall der alten Arbeitsplätze kompensieren konnten. Die Geschichte der Industrialisierung ist dadurch gezeichnet, auch wenn die Kompensation nicht Zug um Zug erfolgte. Das wird allerdings aller Voraussicht nach nicht so bleiben.

Das Tempo des technischen Fortschritts ist in unserer Zeit wesentlich schneller als zu Beginn des letzten Jahrhunderts. Das Wissen potenziert sich fortlaufend und bietet eigentlich sonnige Aussichten, wenn die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht durch den Kapitalismus, dessen Zügellosigkeit sich ebenso potenziert, beherrscht würden. Weniger Plackerei, die Reduzierung der Arbeitszeit, mehr Zeit für Muße, Erholung, Bildung, Zusammensein und Kunst für alle wären drin – wenn die Macht nicht in den Händen weniger läge und der technische Fortschritt nicht zur Drohkulisse gegen die arbeitende Klasse eingesetzt würde. Bis es mal anders wird, ist es vermutlich noch ein langer Weg.

Die Klasse befindet sich in keiner komfortablen Lage. Arbeitsdruck bei den Jobs und fehlende ausreichende soziale Sicherungssysteme bei Jobverlust, die noch in Arbeit befindlichen Kolleginnen und Kollegen gefügig machen sollen, bestimmen zunehmend die Klassenlage. Ängste um die Zukunft fördern nicht zwangsläufig die Solidarität unter den Lohnabhängigen; wer (noch) nicht in prekären Verhältnissen arbeitet, wähnt sich allzu oft in einer trügerischen Sicherheit. Auch Unternehmen, die den Arbeitsplatzabbau „sozialverträglich“ ohne betriebsbedingte Kündigungen betrieben, vernichteten Arbeitsplätze für die nachkommende Generation. Diese Prozesse verlaufen meistens schleichend, und sie treffen in der veröffentlichten Meinung häufig auf nur geringes Interesse. Allein in Berlin sind in den letzten zwanzig Jahren mehrere zehntausend Arbeitsplätze weggefallen –  nicht nur eine Folge der Abwicklung der DDR.

Dass der Abbau von Arbeitsplätzen innerhalb der nächsten vier Jahre auch in der Bundesrepublik weitergehen wird, ist schon heute bekannt. Hierzu einige konkrete Beispiele: RWE will in den kommenden drei Jahren bis zu 6.000 Stellen streichen, Vattenfall 1.500 Stellen, der Industriedienstleister Bilfinger 800 Verwaltungsstellen, der Spezialchemiekonzern Evonik bis 2018 1.000 Arbeitsplätze, Air Liquide (Industriegase) 1.600 Stellen, die WestLB (im Besitz von Nordrhein-Westfalen) 2.450 Stellen, die Telekom 4.000 Stellen. Die Liste ließe sich fortsetzen. Profite und so genannte Sanierungsmaßnahmen gehen immer zu Lasten der lohnabhängigen Klasse.
Es geht uns nicht um die Verweigerung effizienter Technologien oder sinnvoller Arbeitsprozesse, sondern um die Bekämpfung einer Politik, die sich durch eine Abwälzung von Krisenlasten auf dem Rücken der ArbeiterInnenklasse auszeichnet, und die eine Arbeitswelt garantiert, in der die Erhöhung der Produktivkräfte im Interesse des Kapitals steht und nicht zum Wohle aller betrieben wird. Unsere Gegnerschaft richtet sich gegen das System – nicht gegen den technischen Fortschritt.

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