Der Genosse Sascha Stanicic von der Bundesleitung der SAV hat dem RSB eine geharnischte Stellungnahme geschickt, in der er u.a. den „Entrismus” der SAV in der WASG und der zukünftig vereinigten Linkspartei abstreitet (siehe Kasten).
Genosse Stanicic`s Kritik (s. Kasten), die ähnlich das Netzwerk Linke Opposition (NLO) traf, bezieht sich auf einen kleinen Kasten in der Avanti Nr. 139 mit der Überschrift „SAV: Entrismus in der Linkspartei!”. Dabei geht es um ganze zwei Sätze, in denen Genosse Stanicic „drei Unwahrheiten” und „Lügen” ausmacht. Auch treffe es nicht zu, dass die SAV „Entrismus” mache.
Was ist Entrismus?
Genosse Stanicic hält „den Begriff des Entrismus weder für die Art und Weise der Mitarbeit der SAV in der WASG zutreffend, noch für die Beschlusslage der SAV zu ihrem zukünftigen Verhältnis zur vereinigten Partei”.
Die Geschichte des Trotzkismus kennt weltweit unzählige kurz- oder langfristige entristische Operationen, d.h. die offene oder verdeckte fraktionelle Arbeit von RevolutionärInnen in diversen „reformistischen” Parteien, was meist nicht gerade erfolgreich endete. Die RSB-Vorläuferin GIM machte bis 1969 Entrismus in der SPD, die SAV arbeitete in der SPD bis 1994 entristisch. Jetzt beendet die SAV in einer Wende um 180° ihre zwölfjährige offene Aufbauarbeit, um „Entrismus” in der WASG und perspektivisch in der vereinigten Linkspartei zu machen… und Genosse Stanicic dementiert den „Entrismus”. Auch wir können uns auf den alten Grundsatz Lassalles berufen: „Die revolutionärste Tat bleibt es, die Wahrheit auszusprechen!”
Erfolg heißt Öffentlichkeit?
Die SAV rühmt sich, dass sie über die Wahlkampagne der WASG-Berlin mit ihrer Spitzenkandidatin Lucy Redler in alle Öffentlichkeit gekommen ist. Innerhalb der Wahlalternative ist die SAV für andere dort arbeitende linke Strömungen eine wichtige Bündnispartnerin, aber zunehmend auch eine Konkurrentin, wenn es um die weitere Orientierung geht: Mitarbeit in der nur eingeschränkt anti-neoliberalen vereinigten Linkspartei oder Austritt aus der WASG mit der Perspektive des Aufbaus einer neuen antikapitalistischen, linkssozialistischen Organisation? Bei so viel öffentlicher Aufmerksamkeit darf sich die SAV nicht wundern, wenn auch ihre internen Debatten, ihr Verständnis von interner Demokratie und ihre Strukturen öffentlich und ungefragt diskutiert und kritisiert werden (siehe www.linkezeitung.de).
Geheime Abstimmungsergebnisse?
Genosse Stanicic schreibt: „Es ist nicht wahr, dass nur `gut die Hälfte` der Delegierten der SAV-Bundeskonferenz für die dargestellten Beschlüsse gestimmt hat. Die erwähnten Beschlüsse wurden fast mit einer Drei-Viertel-Mehrheit gefällt”. Warum teilt dann die SAV der interessierten linken Öffentlichkeit nicht die Ergebnisse der wichtigsten Abstimmungen mit, wie es z.B. WASG, L.PDS, NLO machen oder prozentual der RSB tut? Die SAV macht aus ihren Abstimmungsergebnissen ein Geheimnis und bezichtigt dann andere, „Unwahrheiten” und „Lügen” zu verbreiten.
Der Genosse Stanicic wendet weiter ein, dass „Bundesvorstands-Mitglieder, die in ihren Ortsgruppen nicht zu Delegierten gewählt werden, nur beratendes Stimmrecht (haben) und damit keinen Einfluss auf die Entscheidungen nehmen (können)”. Im Vergleich zu Mitgliedern des Internationalen Exekutivkomitees, die volles Stimmrecht auf der SAV-Konferenz haben, ist das richtig.
Besonders demokratisch ist aber das Wahlverfahren für den Bundesvorstand nicht: Die örtlichen KandidatInnen für den neu zu wählenden Bundesvorstand schlägt in der SAV der Stadtvorstand, d.h. die örtliche Leitung, der Mitgliederversammlung vor. Zu der von oben präsentierten Liste bringen die „normalen” Mitglieder so gut wie nie Gegenvorschläge ein, geschweige denn, dass vom Stadtvorstand vorgeschlagene KandidatInnen abgelehnt würden. Die so aufgestellten BV-KandidatInnen werden auf der SAV-Bundeskonferenz nicht durch Persönlichkeitswahl, sondern auf einer einheitlichen Liste im Block gewählt.
Wo ist die Minderheitstendenz?
Nun hat ja selbst nach Sascha Stanicic gut ein Viertel der SAV-Delegierten die Orientierung auf die Mitarbeit in der vereinigten Linkspartei abgelehnt, die den Mitgliedern und SympathisantInnen seit Sommer 2006 bekannt ist. Aber warum hat diese starke Minderheit keine Tendenz oder Fraktion gebildet?
Die SAV kennt zwar ein Fraktions-, wenn auch kein Tendenzrecht. Tatsächlich verlaufen die internen Strukturen und die des CWI (Komitee für eine Arbeiterinternationale) vertikal von oben nach unten. Die internen Rundbriefe sind voll von Beiträgen der Bundesleitung, aber Mitglieder, die mit der vorgegebenen Politik nicht einverstanden sind, können sich nicht von Ortsgruppe zu Ortsgruppe verständigen, können keine Minderheitstreffen durchführen und keine Minderheitsplattform im Rundbrief veröffentlichen, obwohl das alles im Statut garantiert ist. Würden in der SAV demokratische Rechte für die Minderheit respektiert, dann hätten bei der Wahl des Bundesvorstands entweder zwei Kandidatenlisten entsprechend den beiden unterschiedlichen Positionen gegeneinander abgestimmt werden müssen oder bei einer Persönlichkeitswahl hätte der anti-entristischen Minderheit proportional zu ihrem Anteil an den Delegierten bzw. an der politischen Abstimmung mehr als ein Viertel der Leitungssitze per Quote garantiert werden müssen, zumal bei einer solch grundlegenden Frage.
Der SAV-Bundesvorstand, d.h. die Position für den Entrismus in der vereinigten Linkspartei, ist zentralisiert; die Mitglieder, die dagegen sind, sind atomisiert. Einzelne, die mit der Mehrheitslinie nicht einverstanden sind, haben nur die Möglichkeit, auszutreten oder sich zurückzuziehen.
Weshalb eine Organisation mit einem revolutionär-marxistischen Selbstverständnis sich überhaupt einer Partei andient, die sich in den Augen vieler radikaler Linker längst als tragende Säule des bürgerlichen Staates erwiesen hat, ist wohl nur zu verstehen, wenn man dieses Vorgehen als Teil des internationalen und für alle Sektionen offenbar verbindlichen Plans der allgegenwärtigen Londoner Zentrale des CWI begreift, nach dem die Sektionen in aller Welt Entrismus in solcherlei bürgerlichen Arbeiterparteien zu machen haben. Diese Politik weist eine historische Kontinuität auf, innerhalb derer es alle paar Jahre zu verwunderlichen taktischen Manövern kommt.
Von Kopf bis Fuß auf Wahlen eingestellt
Obwohl die SAV immer wieder lautstark die Notwendigkeit außerparlamentarischer Arbeit verkündet, setzt sie seit ca. 2 Jahren schwerpunktmä&sz
lig;ig auf Wahlkampagnen und Arbeit in (Kommunal)parlamenten. Dies ist gleichbedeutend mit ihrem weitgehenden Rückzug aus der sozialen Bewegung und der Gewerkschaftslinken. Ausdruck dieser Wahlorientierung ist die Umwandlung von Aktionsbündnissen, die gegen sozialen Kahlschlag gegründet wurden, in Wahlbündnisse. Es ist kein Zufall, dass auf den Sozialismustagen 2006 Peter Taaffe in seinem Grundsatzreferat die besondere Bedeutung der SAV für das CWI mit ihren 6 Sitzen in Kommunalparlamenten begründete. Der neue Schwerpunkt Wahl- bzw. Parlamentspolitik wurde durch die Mitarbeit in der Wahlalternative und die Beteiligung an den Wahlkämpfen der WASG in NRW und Berlin verstärkt. Wie auch immer der Wahlkampf der Berliner WASG bilanziert wird: Er war anti-neoliberal und im bürgerlichen Rahmen verhaftet – antikapitalistisch war er nicht. Die SAV verwendet sehr viel Geld und Kräfte auf Wahlen. Was hat sie damit eigentlich erreicht oder vorzuweisen … außer „Abgeordnete”? Oder will sie uns erzählen, dass sie die Stadträte als „Bühne” für den Klassenkampf nutzen kann?
Da die fusionierte Linkspartei zukünftig bei Wahlen alles, was überhaupt noch Vertrauen in eine „linke” Parlamentspartei hat und „links” wählt, abräumen wird, muss sich auch die SAV überlegen, wie sie die ihr so wichtigen Mandate behalten kann. Das wird nur im Einzelfall erfolgreich in Konkurrenz zu Die Linke möglich sein. Der Entrismus der SAV ergibt sich also zum guten Teil aus ihrer historisch tief verwurzelten Wahl- und Parlamentsorientierung, die im Gegensatz zur revolutionären Prägung vieler Mitglieder steht.
Falsche Adresse
Trotz aller Kritik an der SAV ist der RSB für eine Zusammenarbeit mit allen offen, die die Selbsttätigkeit der ArbeiterInnenklasse als Mittel zur sozialen Veränderung verstehen. Doch praktisch kommt diese Zusammenarbeit leider kaum zustande, weil sich AktivistInnen aus der Gewerkschaftslinken und der sozialen Bewegung zu unserem Bedauern zurückziehen. Sie setzen nicht auf den Aufbau einer Außerparlamentarischen Opposition, sondern auf Veränderungen über Die Linke.
Die Kritik des Genossen Stanicic trägt die Adresse RSB. Gegenüber dem RSB braucht die SAV-Bundesleitung nicht vom „Verdacht des Entrismus” abzulenken; wohl aber gegenüber dem WASG-Vorstand. Daher das Dementi des Genossen Stanicic.
Ihr habt diese „Informationen“ offensichtlich aus dem NLO bzw. der NLO-Mailingliste. Dann solltet Ihr aber auch die dort von mir veröffentlichten Gegendarstellungen gesehen haben. Dass Ihr trotzdem diese Unwahrheiten verbreitet, spricht nicht gerade für Euch.
Ich hoffe, dass dieser „Artikel“ ein Ausrutscher war und nicht Eure Methode im Umgang mit anderen Gruppen darstellt. Eine inhaltliche Auseinandersetzung führen wir gerne, aber die revolutionärste Tat bleibt es, die Wahrheit auszusprechen. Wir fordern Euch deshalb auf, in Zukunft die Veröffentlichung von Lügen über die SAV zu unterlassen.
Marxistische Grüße
Sascha Stanicic
SAV-Bundesleitung