Ángel Hugo Blanco Galdós ¡Presente!

Hugo Blanco Foto: RolandR, cc-by-sa 4.0

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Peru ‒ Nachruf auf Hugo Blanco (1934‒2023)

Ángel Hugo Blanco Galdós ¡Presente!

Von Büro der Vierten Internationale | 21.07.2023

Hugo Blanco wurde am 15. November 1934 in Cusco, Peru, geboren. Er starb am 25. Juni 2023 in Uppsala, Schweden. „Hugo Blanco hat ein Beispiel gegeben.“ Das sagte Che Guevara über die Phase in Hugo Blancos Leben, als er von 1958 bis 1963 zu einem zentralen Organisator der Bewegung für eine Agrarreform von unten in den Tälern La Convención und Lares der Provinz Cusco in Peru wurde. Die Bauern und Bäuerinnen bildeten dort bewaffnete Selbstverteidigungstruppen gegen ihre Unterdrückung.

Zweifellos lassen sich aus dieser bedeutenden Periode in Hugos Leben viele Lehren für Revolutionär:innen in aller Welt ziehen, aber auch aus vielen anderen Phasen seines langen Lebens.

Wegen seiner Rolle als Organisator von „campesinos“ wurde Hugo Blanco [im Mai 1963] verhaftet. Die örtliche Polizei hatte den Befehl, ihn zu töten, während die Militärpolizei den Befehl hatte, ihn lebend zu fassen. Glücklicherweise war es die Militärpolizei, die ihn ergriff. Aber während seines Prozesses, der in Tacna [in der südlichsten Region von Peru] stattfand, weil der Staat annahm, dass er dort weniger Unterstützung hatte als in Cusco [im Zentrum des Andenhochlandes], forderte der Staatsanwalt die Todesstrafe.

Er wurde schließlich [im September 1966] zu 25 Jahren Haft verurteilt und in der Festung auf der Gefängnisinsel El Frontón gefangen gehalten. Dies war ein Teilsieg für eine große internationale Kampagne für seine Freilassung, die von der Vierten Internationale geführt und auch von bekannten Persönlichkeiten wie Simone de Beauvoir und Bertrand Russell unterstützt wurde. 1968 wurde er von der schwedischen Sektion von Amnesty International zum Gefangenen des Jahres gewählt.

Während seiner Haftzeit, die etwa fünf Jahre dauerte, schrieb er viel. Eine Übersetzung eines Großteils dieser Arbeiten wurde 1972 von Pathfinder Press als Buch mit dem Titel Land or Death: The Peasant Struggle in Peru veröffentlicht.[i]

Seine Schriften sind unglaublich lebendig, sowohl dieses erste Buch als auch alles andere, was er seither über viele Jahrzehnte hinweg geschrieben hat, er vermittelt brillant die brutale Realität, in der die Grundbesitzer die landlosen Bauern unterwarfen, und wie sie ihnen eine Form von feudaler Leibeigenschaft aufzwangen. Die Tatsache, dass indigene Gemeinschaften gezwungen waren, auf dem Land zu arbeiten, das der Imperialismus ihren Gemeinschaften gestohlen hatte, ist ein wesentlicher Bestandteil der Demütigung, die zum Widerstand und an den Höhepunkten zur Rebellion führt.

Hugo Blanco, der aus einer politisierten Familie stammte, wurde 1951 als 17-Jähriger an der Universität in Cusco politisch aktiv und organisierte einen erfolgreichen Streik gegen einen diktatorischen Chef. Als er in Argentinien studierte, wurde er Trotzkist und Mitglied der Vierten Internationale; er war durch den Widerstand gegen den Putsch in Guatemala 1954 besonders stark beeindruckt. Er brach sein Studium ab und wurde ein Arbeiter und aktiver Gewerkschafter in La Plata in der Provinz Buenos Aires.

1957 kehrte er nach Peru zurück, nahm eine wieder eine Stelle in einer Fabrik an und stürzte sich in Lima in politische Organisationarbeit. 1958 war er an der Organisierung einer Demonstration gegen den Besuch des damaligen US-Vizepräsidenten Nixon in der peruanischen Hauptstadt beteiligt. Vielleicht um der Aufmerksamkeit der Polizei zu entgehen, die sich besonders für seine Aktivitäten interessierte, ging er in die Provinz La Convención in der Region Cusco, er wurde dort „allegado“ (Unterpächter) und begann mit gewerkschaftlicher Organisationsarbeit. Ohne dass die Arbeit, die er zuvor geleistet hatte, in irgendeiner Weise geschmälert werden soll, lässt sich feststellen, dass sich sein einzigartiger Beitrag zum revolutionären Kampf und zu radikalen Ideen in diesem Kontext entwickelt hat.

Hugo Blanco selber hat es in einem Interview aus dem Jahr 2020 so ausgedrückt: „Für mich persönlich ist das Wichtigste in meinem Leben der Kampf, damit das Land denen gehört, die es bewirtschaften, die Organisation dieses Kampfes auf demokratische Weise durch Entscheidungen in Versammlungen und die Forderung nach der Würde der indigenen und bäuerlichen Bevölkerung.“

Während Hugo Blancos Haftzeit wurde General Juan Velasco Alvarado im Oktober 1968 durch einen erfolgreichen Militärputsch Präsident von Peru. Er präsentierte sich als fortschrittlicher Befürworter einer Landreform. Er versuchte, mit Hugo eine Abmachung und bot ihm an, er werde ihn aus dem Gefängnis entlassen, wenn er Teil seines Landreformteams würde. Hugo entgegnete: „Ich werde Teil Ihres Teams sein, wenn wir nicht die Agrarreform machen, die Sie wollen, auch nicht die, die ich will, sondern wir fahren durch das Land, stellen Fragen und machen die Agrarreform, die die Menschen wollen.“

Velasco akzeptierte das nicht, stand aber unter großem Druck, so dass er Hugo Blanco schließlich 1971 nach Mexiko auswies. Im folgenden Jahr reiste Hugo Blanco nach Argentinien und von dort nach Chile, wo Allende an der Macht war. Während des Staatsstreichs gegen Allende im September 1973 flüchtete er in die schwedische Botschaft und fand Asyl in Schweden, wo er mehrere Jahre lebte.

1976 kehrte Blanco nach Peru zurück. Velasco war von General Francisco Morales Bermúdez abgesetzt worden, der den unter seinem Vorgänger ausgewiesenen Personen Amnestie versprach. Ein Jahr lang konnte Hugo durch das Land reisen, doch am 3. Juli 1976, als die Proteste gegen die Austeritätspolitik zunahmen, wurde er verhaftet und nach Schweden deportiert.

1978 konnte er in seine Heimat zurückkehren, er kandidierte auf einer gemeinsamen linken Liste, der Frente Obrero Campesino, Estudiantil y Popular (FOCEP), die von der Partido Revolucionario de los Trabajadores (PRT), den peruanischen Viert-Internationalisten, unterstützt wurde, für die Verfassungsgebende Versammlung. Nachdem er gewählt worden war, wurde er erneut ausgewiesen; er unternahm eine Vortragsreise durch Europa, auf der er die Unterdrückung anprangerte und so viel Unterstützung erhielt, dass er schließlich zurückkehren und als Abgeordneter vereidigt werden konnte.

Im folgenden Jahrzehnt bekleidete Hugo verschiedene Mandate: von 1980 bis 1985 saß er für die Partido Unificado Mariateguista (PUM) im Kongress, von 1990 bis 1992 war er Senator der Izquierda Unificado, er wurde nach breiten Wahlkampagnen gewählt, die von der peruanischen Sektion unterstützt wurden. Bei der ersten Präsidentschaftswahl seit vielen Jahren trat Hugo Blanco 1980 für die PRT an.

1993 wurde er durch eine Kombination von Drohungen von Sendero Luminoso und von den Sicherheitsdiensten zur erneuten Flucht gezwungen; die nächsten vier Jahre lebte er in Mexiko. Der Aufstand der Zapatisten in Chiapas 1994 beeinflusste ihn stark. Danach kehrte er nach Peru zurück und nahm seine Arbeit zum Aufbau der Bauernbewegung wieder auf. 2006 begann er mit der Herausgabe des Monatsbulletins Lucha Indígena.

Viele revolutionäre Sozialist:innen haben im 21. Jahrhundert die Bedeutung des Kampfes für den Ökosozialismus angesichts der Umweltkatastrophe, mit der wir zunehmend konfrontiert sind, erkannt. Hugo vertrat die Ansicht, dass die indigenen Gemeinschaften zwar nicht den Begriff Ökosozialismus verwenden, aber seit 500 Jahren für den Ökosozialismus kämpfen.

Die indigenen Völker der Anden und des Amazonas glauben, dass „die Menschheit eine Tochter und ein Teil von Mutter Erde ist. Wir müssen in ihrem Schoß in Harmonie mit ihr leben. …Wir lieben und sorgen für Pachamama. Wir sehnen uns inbrünstig danach, unsere Wirtschaft durch Landwirtschaft und natürliche Medizin wieder auf ihre reiche biologische Vielfalt zu gründen, zusammen mit allen modernen Errungenschaften, soweit sie keinen Schaden anrichten.“

Hugo Blancos Gesundheit litt unter den vielen Schlägen, die er während seines jahrelangen Kampfes ertragen musste. Im Jahr 2002 wurde er in Mexiko am Gehirn operiert und anschließend in Kuba behandelt. In den letzten Jahren seines Lebens verschlechterte sich sein Zustand erneut, und er starb nach kurzer, aber akuter Krankheit in Schweden.

Obwohl Hugo Blanco nicht als Mitglied der Vierten Internationale starb, gehörte er seit seiner Jugend in Argentinien und über viele Jahrzehnte hinweg Organisationen der Vierten Internationale an. Wir haben ihn immer als einen Genossen betrachtet wie er uns. Er selbst hat darauf hingewiesen, dass die Vierte Internationale jedes Mal, wenn sein Leben bedroht war, die Kampagne zu seiner Rettung angeführt hat.

Die meisten von uns haben von seinem Tod durch die Memes erfahren, die seine Kinder in den sozialen Netzwerken verbreitet haben ‒ mit seinem lächelnden Gesicht und seinem markanten „sombrero de paja toquilla“ (Strohhut), den Daten seines Lebens und den Worten von Bertolt Brecht:

Die Schwachen kämpfen nicht.
Die Stärkeren kämpfen vielleicht eine Stunde lang.
Die noch stärker sind, kämpfen viele Jahre.
Aber die Stärksten kämpfen ihr Leben lang.
Diese sind unentbehrlich.

Mit diesen Worten beginnt die Einleitung zu Hugo Blancos Buch We the Indians (Wir Indios).[ii] Wir bedauern, dass wir nicht mehr in der Lage sein werden, mit Hugo Seite an Seite zu kämpfen oder uns persönlich mit ihm auszutauschen, aber wir sind sicher, dass seine Ideen und seine unermüdliche Entschlossenheit in den Herzen vieler Menschen so wie in unseren weiterleben werden.

Ángel Hugo Blanco Galdós ¡Presente!

28. Juni 2023

Aus dem Kastilischen übersetzt, bearbeitet und mit Anmerkungen versehen von Wilfried

https://fourth.international/es/america-latina/528

Siehe auch den Nachruf seines Freunds, Genossen und Biographen Derek Wall „Hugo Blanco, peasant leader and ecosocialist, 1934–2023“, Verfasser unter anderem des Buchs Hugo Blanco. A Revolutionary for Life, London: Resistance Books; London: The Merlin Press; Resistance Books, 2018.


[i] Danach erschien eine Ausgabe dieses Sammelbands auf Kastilisch unter dem Titel Tierra o muerte: Las luchas campesinas en Perú (México, D. F., Madrid, Buenos Aires: Siglo XXI, 1972).

[ii] Die erste, von Hugo Blanco selbstverlegte Ausgabe erschien 2003 in Peru, eine erweiterte zweite Ausgabe 2010 in Argentinien. Eine dritte, durchgesehene und wiederum erweiterte Ausgabe erschien 2017 und wurde von dem Centro Bartolomé de las Casas in Cusco und von der Zeitung Lucha Indígena herausgegeben.
Die Ausgabe auf Englisch mit einer Einleitung von Iain Bruce beruht auf der dritten spanischsprachigen Ausgabe: We the Indians. The Indigenous Peoples of Peru and the Struggle for Land, London: The Merlin Press, 2018, (IIRE Notebooks for Study and Research, Nr. 61).
Die Ausgabe auf Deutsch beruht auf der Ausgabe von 2010: Wir Indios. Der Kampf der Indigenas gegen rassistische Unterdrückung und die Zerstörung ihrer Umwelt, mit einem Vorwort von Michael Löwy, Köln: Neuer ISP Verlag, 2011.

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