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Betrieb & Gewerkschaft

ALSTOM: Vor der Zerschlagung?

Von Heinrich Neuhaus | 01.06.2014

In seinem Werk Der Spätkapitalismus hat Ernest Mandel bereits Anfang der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts die zentrale Bedeutung „transnationaler Konzerne“ als Knotenpunkte wirtschaftlicher Macht des Großbürgertums belegt. Eine Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich hat 2011 („147 Konzerne beherrschen die Weltwirtschaft“) diese Erkenntnis eindrucksvoll empirisch untermauert.

In seinem Werk Der Spätkapitalismus hat Ernest Mandel bereits Anfang der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts die zentrale Bedeutung „transnationaler Konzerne“ als Knotenpunkte wirtschaftlicher Macht des Großbürgertums belegt. Eine Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich hat 2011 („147 Konzerne beherrschen die Weltwirtschaft“) diese Erkenntnis eindrucksvoll empirisch untermauert.

Wir sind derzeit Zeugen eines knallharten Kampfes um den französischen Elektrotechnikkonzern ALSTOM (93.000 Beschäftigte, 20,3 Mrd. € Umsatz – Zahlen für 2013). Bouygues, der bestimmende Hauptaktionär bei ALSTOM, hatte dem Konzernchef Kron offenbar bereits 2013 Anweisung gegeben, die einzelnen Geschäftsfelder meistbietend zu verkaufen.
Rückblick
Ohne einen Rückblick lässt sich die aktuelle Entwicklung kaum verstehen. Ende der 80er Jahre fusionierte die traditionsreiche Schweizer BBC mit der kleineren schwedischen ASEA. Wesentlich für diese Entscheidung waren die Interessen der milliardenschweren Hauptaktionäre wie Schmidtheiny und Wallenberg, die von dem Modell des US-Kapitalismus und seinen höheren Profitversprechungen beeindruckt waren. Die neue ASEA BROWN BOVERI (ABB) wurde unter deren „Management-Star“ Barnevik radikal und komplett umgebaut. Bereits Ende der 90er Jahre war die Kraftwerks- sparte der ABB kaputt „saniert“ worden.

1999 wurde das Joint Venture ABB ALSTOM Power gegründet, das die Kraftwerkssektoren beider Unternehmen um- fasste. Im Jahr 2000 erwarb ALSTOM dann alle Anteile des Gemeinschaftsunternehmens von ABB, die bei dieser Gelegenheit ALSTOM auch rund 5 Mrd. € an finanziellen Risiken und Altlasten im Zusammenhang mit technischen Problemen der großen Gasturbinen vom Typ GT 24/26 unterjubelte.

Schließlich rettete der französische Staat ALSTOM 2003 vor der Insolvenz. 2006 übernahm der französische Multimilliardärsclan Bouygues (Eigentümer des gleichnamigen Mischkonzerns) den Staatsanteil und stockte in der Folgezeit sein Aktienpaket auf rund 30 % auf. Seit einiger Zeit hat er laut Medienberichten offenbar jegliches Interesse an dieser Beteiligung verloren und der Konzernleitung den Auftrag gegeben, die einzelnen Sektoren des Unternehmens zu verkaufen und damit ALSTOM zu zerschlagen.
Salamitaktik
Zunächst ging es „nur“ um einen Randbereich – das kleine, aber hochprofitable Geschäft mit Spezialkomponenten für Dampfkraftwerke und Anlagen für die petrochemische Industrie. Dann wurde mitgeteilt, dass die Schienenverkehrs- sparte an die Börse gebracht und fast die Hälfte (49 %) abgegeben werden sollte. Schließlich platzte Ende April 2014 die Bombe: Der kurz bevorstehende Verkauf der für ALSTOM entscheidenden Kraftwerkssparte (ca. 70 % des Gesamtumsatzes, Nettoumsatzrendite ca. 10 %) an den großen Konkurrenten General Electric (GE – 307.000 Beschäftigte, Jahresumsatz 110 Mrd. € – Zahlen für 2013) wurde bekanntgegeben.

Jetzt überschlugen sich die Ereignisse. Die französische Regierung und der deutsche Industriegigant Siemens (367.000 Beschäftigte, Jahresumsatz 75,9 Mrd. € – Zahlen für 2013) traten auf das Schlachtfeld – und im Hintergrund mischt(e) die Bundesregierung kräftig mit. Es geht um nichts mehr und nichts weniger als die Vorherrschaft im weltweiten Kraftwerksgeschäft. Gewinnt GE, dann hat der US-Gigant seine Vormachtstellung global massiv ausgebaut und kann Siemens auch auf dessen europäischem „Heimatmarkt“ viel besser als bisher attackieren.
Pläne
Das Zwischenergebnis im Gezerre um ALSTOM Stand Ende Mai 2014 lautet: Der Verkauf der Kraftwerksparte von ALSTOM an GE ist bis zum 23. Juni 2014 blockiert. Es gibt nicht mehr nur einen Plan A (Verkauf an GE) und einen Plan B (Bildung eines „europäischen Champions“ im Kraftwerksbau unter Siemens), sondern mittlerweile auch einen Plan C (Sicherung ALSTOMs als französischem Konzern möglicherweise mit staatlicher Beteiligung).

Unabhängig davon, wie der Poker um ALSTOM ausgehen wird – Eines ist am grünen Tisch der bestimmenden Großaktionäre und ihrer „Topmanager“ schon ausgemacht: Die Zeche eines wie auch immer gearteten Endes der Schlacht um ALSTOM sollen die Beschäftigten (auch der „Konkurrenz“) mit Arbeitsplatzverlust und die Sozialversicherungen zahlen.
Alternativen
Für die Beschäftigten und ihre Betriebsräte ist die Entscheidung zwischen GE oder Siemens die Wahl zwischen Pest oder Cholera. Auch die vom französischen Wirtschaftsminister Montebourg mit Unterstützung der dortigen Gewerkschaften (CGT, CFDT und FO) ins Spiel gebrachte Staatsbeteiligung ist keine grundlegende Alternative. Sie würde unter den nach wie vor geltenden Regeln der Profitmaximierung den bereits unter ALSTOM begonnenen Restrukturierungs- und Zerschlagungsprozess möglicherweise etwas abbremsen, aber nicht stoppen.

Es gibt eine wirkliche Alternative. Nennen wir sie Plan D – für D wie DIREKTE DEMOKRATIE:

In einem ersten Schritt wird ein staatlicher Schutzschirm für alle Standorte und Arbeitsplätze aufgespannt. Dieser Schutzschirm muss nur an zwei einfache Bedingungen geknüpft sein:

  1. eine langfristige und verbindliche Garantie aller Arbeits- und Ausbildungsplätze und
  2. Ausbau der Kontroll- und Vetorechte der Beschäftigten und ihrer Interessenvertretungen!

In einem zweiten Schritt wird der Konzern entschädigungslos enteignet und unter der direkt-demokratischen Kontrolle der KollegInnen fortgeführt. Dies setzt allerdings einerseits einen Bruch mit den zerstörerischen Vorgaben des Kapitalismus und andererseits eine Orientierung an den gesellschaftlichen Bedürfnissen voraus. Vor allem aber bedarf es der bewussten internationalen Organisierung des Klassenkampfes von unten.

TIPP
Siehe auch das Flugblatt des RSB Mannheim vom 12. Mai 2014: hier ist der Link.

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