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Inteview mit Oleksandr Kyselow:

Agenda für die Beziehungen zwischen der ukrainischen und der internationalen Linken

Von Oleksandr Kyselow | 15.02.2024

Die Lage an der militärischen Front ist düster. Trotz einiger taktischer Erfolge haben sich die großen Hoffnungen in die Gegenoffensive nicht erfüllt. Stattdessen hat der ukrainische Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj offen eine Pattsituation eingeräumt. Die nationalen Umfragen deuten auf eine zunehmende Erschöpfung hin. Die Weltgemeinschaft verliert das Interesse, Hilfspakete werden blockiert, der Lkw-Verkehr ist blockiert. Der Winter ist da, und damit auch die russischen Raketenangriffe auf die Energieinfrastruktur.[i]

Auch politisch ist die Lage nicht besser. Die ukrainische Linke, die eher einer Konstellation von Nichtregierungsorganisationen, Gruppen von Aktivist:innen und lokalen Gewerkschaftsführer:innen als einer kohärenten Bewegung gleicht, wird effektiv an den Rand gedrängt und marginalisiert. Der Meinungskorridor des Mainstreams ähnelt einer seltsamen Mischung aus sprachlichem Chauvinismus und hemmungslosem Neoliberalismus. Der Effekt der „Sammlung um die Flagge“ nimmt ab, ist aber immer noch vorhanden: Der Präsident, die Armee und die Freiwilligen genießen das größte Vertrauen. Die überwiegende Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung lehnt Wahlen ab und begründet dies mit den Kosten, den Einschränkungen des Kriegsrechts, der mangelnden Sicherheit und damit, dass ein großer Teil der Ukrainer:innen nicht zur Wahl gehen kann.

Für wen oder was soll man dann kämpfen?

Es wäre natürlich naiv, von der internationalen Linken uneingeschränkte Solidarität zu verlangen. Es gibt so viel Ungerechtigkeit in der Welt, und sich an die Seite der Ukraine zu stellen, sieht nicht immer so verlockend aus. Schließlich braucht man nicht tief zu graben, um dort Staatsbeamt:innen zu finden, die Angst instrumentalisieren und Hass steuern, oder Unternehmenslobbyist:innen, die davon träumen, alles Soziale zu zerstören. Ebenso einfach ist es, auf die aufstrebenden Neo-Feudalen hinzuweisen, die die Grenzen geschlossen halten wollen, damit ihre Leibeigenen nicht entkommen können, oder auf die bürgerlichen Fremdenfeindlichen, die die Entrechtung der Bewohner:innen der besetzten Gebiete fordern. In einer wahrhaft Orwellschen Art und Weise hat Präsident Selenskyj selbst unmissverständlich die Besatzungsmacht Israel unterstützt, als ob er vergessen hätte, dass sein eigenes Land unter den pseudohistorischen Ansprüchen seines Nachbarn leidet.

Solidarität mit derlei Personen ist natürlich nicht zu erwarten. Es ist aber zu bedenken, dass heute viele gegensätzliche Schicksale miteinander verwoben sind. Die Linke sollte für die arbeitenden Menschen aktiv sein! Für die Bauern in Cherson, die den verminten Boden bestellen. Die Lokführer aus Kiew, die mit heruntergekommenen Zügen lebenswichtige Güter ausliefern. Die unterbezahlten Krankenschwestern aus Lwiw (Lemberg), die sich um die Kranken und Verwundeten kümmern. Die russischsprachigen Bergleute aus Krywyj Rih, die für den Schutz ihrer Heimatstadt kämpfen. Die Bauarbeiter:innen aus Mykolajiw, die gefährliche Trümmer wegräumen, um neu zu bauen, aber kämpfen, um ihre Familien zu ernähren. Unterstützt sie, die unsichtbare Mehrheit, deren Stimme selten gehört wird, die aber nirgendwo anders hingehen kann. Dem Establishment hingegen sollte so genau wie möglich auf die Finger geschaut werden.

Wie kann man unterstützen?

Zahlreiche Initiativen haben bereits Wurzeln geschlagen, und jede ist ein Beispiel dafür, was möglich ist. Internationale Bemühungen des Europäischen Netzwerks für Solidarität mit der Ukraine um Unterstützung, entschlossener Rückhalt seitens der Nordischen Grünen Linke, die gemeinsame Stimme der dänischen Gewerkschaften, Vortragsreisen von ukrainischen Gewerkschaftsführer:innen, Stärkung von Sozialnyj Ruch, gewerkschaftliche Organisierung ukrainischer Arbeiter:innen in Stockholm. Die Bandbreite möglicher Aktivitäten ist groß, aber einige Punkte tauchen in den Diskussionen immer wieder auf.

Erhebt eure Stimme, wenn es um die Verwendung eurer Steuergelder geht! Die Abhängigkeit der Ukraine von externer Unterstützung ist kein Geheimnis. Niemand möchte, dass seine/ihre Steuern auf einem Bankkonto in der Schweiz landen, anstatt den Bedürftigen zu dienen. Daher ist es nur logisch, wenn auf die Aufnahme von Sozialklauseln in die Bedingungen für die Hilfe und das öffentliche Beschaffungswesen gedrängt oder auf unlautere Praktiken hingewiesen wird, wenn es sie gibt. Wiederaufbauhilfe sollte mit grünen Arbeitsplätzen, existenzsichernden Löhnen, gewerkschaftlicher Kontrolle, Haftung der Auftragnehmer, geschützten Arbeitsplätzen und einer gesunden und sicheren Arbeitsumgebung Hand in Hand gehen!

Aufruf zum Schuldenerlass! Die Auslandsschulden der Ukraine belaufen sich auf über 93 Milliarden Dollar. Im Laufe der Jahre war die Kreditaufnahme für die Regierungen ein einfacher Ausweg, um eine Infragestellung des Status quo und eine Einmischung der Oligarchen zu vermeiden. Die meisten neueren Kredite haben bereits strengere Auflagen, um der Vereinnahmung durch den Staat entgegenzuwirken, und die Dinge ändern sich. Aber die Höhe der ausstehenden Schulden wird bereits als Vorwand für die Rechtfertigung von Sparmaßnahmen genutzt. Außerdem wird dadurch die Abhängigkeit reproduziert, indem der Wiederaufbau durch neue Kredite finanziert wird. Was eingenommen wird, wird für die Rückzahlung ausgegeben. Man könnte sich fragen, wie gerecht es ist, dass die Menschen in dem verwüsteten Land überhaupt für die politischen Fehlentscheidungen der herrschenden Klasse zahlen sollen. Noch wichtiger ist es jedoch, sich an die wichtigste Lehre aus dem Erfolg des Marshall-Plans zu erinnern: Von Krieg gebeutelte Länder brauchen Fördermittel, nicht Kredite.

Ignoriert nicht die Probleme mit der Demokratie und den Menschenrechten! Als die Invasion begann, standen Bürger:innen aus allen sozialen Schichten vor den Rekrutierungszentren Schlange. Fast zwei Jahre später ist das nicht mehr der Fall. Das wichtigste Mittel zur militärischen Rekrutierung ist die Mobilisierung mit all ihren Problemen.[ii] Aber damit Menschen ihr Leben riskieren, müssen sie sicher sein, dass es gerecht zugeht und dass für sie oder ihre Familien gesorgt wird, wenn etwas Unglückliches passiert. Sie müssen die Möglichkeit haben, über die Zukunft des Landes mitzubestimmen. Aber warum sollte sich die Regierung hierzu Gedanken machen, wenn es einen einfachen Ausweg gibt? Unter dem Vorwand der Verteidigungspflicht werden, wenn man nicht aufpasst, Massenverhaftungen auf der Straße oder in öffentlichen Verkehrsmitteln weiter zunehmen.

Dasselbe gilt für die Lösung des demografischen Problems nach dem Krieg[iii] oder die Wiedereingliederung des Donbass und der Krim. Nicht geschlossene Grenzen, nicht verstärkte Propaganda, sondern anständige Löhne, erschwingliche Wohnungen und soziale Sicherheit könnten die Menschen zum Bleiben oder zur Rückkehr bewegen. Nicht arrogantes Moralisieren, Tests der Vertrauenswürdigkeit oder Umerziehungslager, sondern gegenseitiger Respekt, Anerkennung der Menschenwürde und gemeinsame Verantwortung für den Wiederaufbau können eine Versöhnung ermöglichen.

Unterstützt die Gewerkschaften! Das sind die einzigen bestehenden Massenorganisationen, die es speziell für Lohnabhängige gibt. Selbst wenn sie nicht die kämpferischsten sind, sondern übermäßig bürokratisch und hilflos oder auch nur halb lebendig, gibt es nichts anderes. Eine institutionelle Anerkennung der besonderen Rolle der Gewerkschaften in der Nachkriegsentwicklung könnte sie wiederbeleben und Anreize für Aktionen der Gewerkschaften schaffen. Damit würde auch ein glaubwürdiges Mittel zur Bekämpfung von Korruption und Sozialdumping geschaffen. Es ist klar, dass einige Gewerkschaften sofort von Opportunist:innen übernommen werden. Aber das ist auch der Grund, warum die interne Demokratie und die Autonomie ihrer Ortsverbände oder der Raum für unabhängige Gewerkschaftsarbeit berücksichtigt werden müssen.

Agree to disagree ‒ Einigt euch darauf, anderer Meinung zu sein! Einige Dinge, an die Ukrainer:innen glauben, mögen euch falsch oder irrational erscheinen. Sie könnten Recht haben, aber dieselben Konzepte könnten unterschiedliche Bedeutungen haben. In der modernen Geschichte hat es in der Ukraine nur kurze Zeiten ohne Kriege gegeben. Ihre Existenzberechtigung wird offen in Frage gestellt. Die Ukrainer:innen sind seit langem von ihren Machthabenden enttäuscht und haben oft keinen anderen Einfluss auf sie, als sich hin und wieder zu erheben. Da ist es kein Wunder, dass das Vertrauen in internationales Engagement größer ist. Wählt aus, an welchen Stellen ihr Auseinandersetzungen führt und konzentriert euch auf das, was wir gemeinsam haben!

Knüpft Verbindungen: von Mensch zu Mensch, von Stadt zu Stadt, von Verein zu Verein! Die Volksbewegungen weltweit haben enorme politische Erfahrungen gesammelt, die ihr weitergeben könnt. Traditionelle linke Narrative sind in der ukrainischen Gesellschaft diskreditiert, weil sie missbraucht worden sind. Die Menschen, mit denen ihr in Kontakt kommt, sind vielleicht nicht politisch gebildet, aber hier ist die Praxis wichtiger ‒ streckt die Hand aus, um gemeinsam mit dem Bürgermeister einer Kleinstadt zu kämpfen, der sich um seine Bürger:innen kümmert, mit einem Gewerkschaftsführer am Ort, der von Gleichgültigkeit und Machtlosigkeit frustriert ist, oder mit einem Migranten, der vor kurzem ins Land gekommen und um seinen Lohn betrogen worden ist. Das Engagement derjenigen, die derzeit außerhalb der Ukraine leben, wird über Jahre hinweg von besonderer Bedeutung sein und kann einen Unterschied machen. Ob sie nun bleiben oder zurückkehren, sie werden diese reichhaltigen neuen Erfahrungen mitbringen.

In solchen einfachen Punkten mag nichts Revolutionäres liegen. Das Kalkül ist jedoch, dass viele kleine Schritte zu einem schrittweisen Wandel führen können, indem sie die notwendigen Bedingungen schaffen und Raum für die fortschrittliche Agenda freimachen. Damit dies möglich wird, braucht die Linke aber Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit; das ist bei denjenigen, die sich gegen die Versorgung mit Waffen stellen, praktisch unmöglich.

Zweifellos sollte sich die Linke nicht damit zufrieden geben, dass Waffen geschickt werden, aber es ist ein absolutes Minimum, dass sie sich dem nicht entgegenstellt. Das Recht, sich selbst zu verteidigen, ist bedeutungslos, wenn man nicht die Mittel zum Kämpfen hat. Die Verweigerung von Waffenlieferungen bedroht das Überleben der Ukraine als Land. Vergesst nicht, dass die Verfügbarkeit von Waffen nicht dasselbe ist wie ihr Einsatz. Selbst wenn der Krieg am Verhandlungstisch beendet wird, ist die Ukraine dadurch, dass sie über Waffen verfügt, nicht der Gnade Russlands ausgeliefert und nicht hilflos, wenn Putin beschließt, den Waffenstillstand zu verletzen.

Kämpfen bis zum Sieg?

Pattsituation. ‒ Gegenwärtig gibt es keine Voraussetzungen für eine schnelle Lösung. Die russische Armee kontrolliert mit Ausnahme der Krim keine der von ihr besetzten Regionen vollständig. Dennoch sind sie nun alle in der russischen Verfassung als unveräußerlicher Teil Russlands aufgeführt. Auch die Ukraine ist an ihre Verfassung gebunden. Ein Zurückweichen und Einknicken birgt das Risiko, ernsthafte innere Unruhen zu provozieren, von denen nur die Rechte profitieren würde. Wenn sich keine Seite durchsetzen kann, besteht die Gefahr des Abgleitens in einen langwierigen Konflikt niedriger Intensität. Das bedeutet im Grunde noch mehr Zerstörung und weniger Hoffnung auf eine eventuelle Wiederbelebung. Die besten Diskussionen, die in diesem Fall geführt werden könnten, würden sich auf die Sicherung von Leben von Zivilist:innen, die Integration von Flüchtlingen und die Minderung der Folgen für die Welt, z. B. durch die Einrichtung von entmilitarisierten UN-Zonen an den Atomkraftwerken, beziehen.

Eine Niederlage von Russland. ‒ Die beste Garantie für künftigen Frieden ist ein demokratisches Russland. Der russische Imperialismus ist zwar zweifellos schwächer als seine Rivalen, aber die Herausforderung der US-Hegemonie macht ihn weder per se fortschrittlicher noch zu einem geringeren Übel für diejenigen, die direkt nebenan leben. Schon vor der Hinwendung Russlands zum Expansionismus war das Leben in der Ukraine durch die ständige Einmischung Russlands in das politische und wirtschaftliche Leben[iv], seinen Kampf um die kulturelle Vorherrschaft und seine Vorführung seiner militärischen Macht, unter anderem durch seine Militärstützpunkte auf der Krim, gekennzeichnet.

Man hat immer gehofft, ein erzwungener Rückzug Russlands werde einen inneren Wandel auslösen. Aus diesem Grund kämpft die Ukraine weiter. Aber das hat seinen Preis. An erster Stelle steht die unerklärte, aber erschreckende Zahl der Toten und Verletzten. Die Frage ist, wie lange sich die ukrainische Gesellschaft solche Opfer noch leisten kann und welche Folgen das haben wird. In diesem Kampf geht es darum, die Kosten für Russland zu erhöhen, damit es früher aufgibt, und sie für die Ukraine zu senken, damit sie überlebt. Deshalb haben sowohl die ukrainische als auch die russische Linke strengere Sanktionen, einen vollständigen Stopp der Öl- und Gasimporte und die rechtzeitige Bereitstellung moderner Waffen gefordert.

Waffenstillstand. ‒ Die Seiten könnten beschließen, einen möglichen Waffenstillstand auszuloten. Wir müssen jedoch bedenken, dass die Ukraine der kleinere und schwächere Staat ist, der durch den Krieg verwüstet wurde und mit ernsten demografischen Problemen zu kämpfen hat. Die größte Befürchtung bei einem Waffenstillstand ist, dass man vergessen und allein dasteht. Dann würde nichts mehr Russland daran hindern, einen neuen Angriff zu starten, sobald es besser vorbereitet ist. Um auch nur die geringste Aussicht auf Widerstand zu haben, müsste sich die Ukraine in ein Militärlager verwandeln und dennoch in einem Zustand permanenter Unsicherheit leben. Genau dies ist der wichtigste Faktor für die überwältigende Unterstützung der NATO-Mitgliedschaft, als Abschreckung, als Garantie für Frieden. Die einzig mögliche Alternative wäre ein verbindliches Abkommen mit ähnlicher Wirkung. Mehr denn je ist eure Stimme und glaubwürdige Unterstützung durch euch notwendig, um dies zu erreichen.

Auf das Beste hoffen, auf das Schlimmste vorbereitet sein

Letztendlich muss die Solidarität mit der Ukraine kein Zeichen der Tugend sein. Sie ist eine rationale Reaktion. Wenn die Legitimität der „Einflusssphären“ anerkannt wird, welche andere Wahl hätten dann kleinere Staaten, als sich einem der Blöcke anzuschließen? Wenn die Atommächte ihren Willen durchsetzen können, wer würde sich dann noch für Abrüstung entscheiden? Wenn die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen es Autokraten, die sich ermutigt fühlen, ermöglicht, die Welt zu erpressen, was bleibt dann noch von der Demokratie übrig? Wenn die Ukraine fällt, was würde kriminelle Unternehmer:innen und mafiöse Netzwerke in eurem Land daran hindern, Millionen von traumatisierten und enteigneten Menschen auszunutzen?

Wenn das Schlimmste eintritt, wird dies ein weiterer Nagel im Sarg des Weltfriedens sein und zu wachsender Instabilität beitragen. In der neuen Welt konkurrierender kleinerer Imperialismen, die den Zerfall des US-Imperiums prägt, müssen wir uns auf dunklere Zeiten vorbereiten und die Voraussetzungen für eine eventuelle Wiederbelebung schaffen. Das Mindeste, was wir dann tun können, ist, Verbindungen aufrechtzuerhalten und uns nicht gegenseitig als Feinde zu betrachten, selbst wenn wir in konkurrierenden Lagern landen. Folgen wir dem Rat von Joe Hill[v] und verlieren wir keine Zeit mit Trauern, wir sollten organisieren! Don’t mourn – organize!

Dieser Beitrag von ist am 21. Dezember 2023 auf Ukrainisch und auf Englisch auf der Webseite Spilne/Commons veröffentlicht worden. Bei der Bearbeitung der Übersetzung ins Deutsche sind die am 6. Januar veröffentlichte Übersetzung ins Kastilische und die am 10. Januar 2024 veröffentlichte Übersetzung ins Französische herangezogen worden; die Anmerkungen der Redaktion von à l’encontre wurden übernommen und zum Teil ergänzt.

Oleksandr Kyselow studiert an der Universität Uppsala und ist Mitglied von Sozialnyj Ruch (Ukraine) und der Vänsterpartiet (Schweden). Natalja Lomonossowa und er hatten im Mai 2022 als Repräsentant:innen von Sozialnyj Ruch an der Jahreskonferenz der dänischen Partei Enhedslisten ‒ de rød-grønne teilgenommen; Dick Nichols, der Europakorrespondent der australischen Publikationen Green Left sowie Links ‒ International Journal of Socialist Renewal, hat sie dort getroffen und ein langes Interview mit ihnen geführt.


[i] Nach Angaben der Kyiv School of Economics vom Oktober 2023 beläuft sich der Wert der Zerstörung der Infrastruktur bis zum 1. September 2023 auf 151 Milliarden US-Dollar. 168 000 Wohneinheiten wurden zerstört oder beschädigt, außerdem 18 Flughäfen, über 300 Brücken und 25 000 km Straßen. Rund 1700 Sekundarschulen sowie 1200 Gesundheitszentren wurden beschädigt.

[ii] Am 19. Dezember sagte Selenskyj, die ukrainische Armee benötige „zusätzlich 450.000 bis 500.000 Mann“, was eine Debatte auslöste. In Le Monde vom 29. Dezember schrieb die Sonderkorrespondentin Florence Aubenas: „Diesmal ist die genannte Zahl für eine Armee mit einer Million Soldaten phänomenal und könnte das Land in eine schwierige soziale und politische Lage bringen.“ Bisher ist der Eintritt in die Armee freiwillig und „wird ‒ für diejenigen, die tauglich sind ‒ nur dann zur Pflicht, wenn sie namentlich einberufen werden. (…) Hier beginnt das Unbekannte. Wie und an wen werden diese Einberufungen verteilt? (…) Der Zufall will es, dass die Kontrollen an öffentlichen Orten, in Sporthallen, Saunen und Einkaufszentren zunehmen. (…) In dem Land, das bislang im Krieg zusammenhielt, zeigen sich erste Risse. Frauen oder Mütter von Soldaten demonstrieren in mehreren ukrainischen Städten, um die Demobilisierung ihrer Angehörigen zu fordern, die oft seit 22 Monaten an der Front sind, und um die Einberufung neuer Rekruten zu verlangen.“ Auf einem Plakat heißt es: „Warum unsere Leute und nicht eure?“

[iii] Vor dem Krieg hatte die Ukraine einen erheblichen Bevölkerungsverlust erlitten; und der Krieg hat eine große Fluchtbewegung ausgelöst: etwa 6 Millionen Menschen gingen ins Exil, dazu kommen 5 Millionen Binnenvertriebene.

[iv] Seit Mitte der 1990er Jahre zielten imperialistische Investitionen im Zusammenhang vor dem Hintergrund des Abbaus der ukrainischen Industriebasis unter anderem darauf ab, sich die reichen Böden der Ukraine unter den Nagel zu reißen und sie in ihren künftigen Beziehungen zur Europäischen Union zu einem vorwiegend landwirtschaftlichen Raum zu machen.

[v] Joe Hill (1879‒1915), der 1902 von Schweden in die USA auswanderte, war „Hobo“ (Wanderarbeiter), Arbeiterführer, Gewerkschaftsaktivist, Sänger, Liedermacher. Er wurde vermutlich 1910 Mitglied der „Wobblies“, also der kämpferischen Industrial Workers of the World (IWW). Bevor er am 19. November 1915 nach einem äußerst umstrittenen Prozess, bei dem er zum Tode verurteilt wurde, im Gefängnishof von Salt Lake City an der Mauer von mehreren Gewehrschüssen tödlich getroffen wurde, waren seine letzten Worte: „Don’t mourn – organize!“ (Trauert nicht, organisiert euch bzw. organisiert [die Arbeiter]!).

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