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Länder

Afghanistan: Taliban auf dem Vormarsch

Von M. Anwar Karimi | 01.03.2008

Im siebten Jahr nach Sturz der Taliban ist die Entwicklung alarmierend. Die wirtschaftliche, politische und Sicherheitslage verschlechtert sich sprunghaft und gefährdet die sowieso erbärmliche Lebensgrundlage der verarmten städtischen und ländlichen Bevölkerung des Landes. Vieles deutet darauf hin, dass die Nato immer mehr von den Menschen in Afghanistan als eine Besatzungstruppe wahrgenommen wird.

Im siebten Jahr nach Sturz der Taliban ist die Entwicklung alarmierend. Die wirtschaftliche, politische und Sicherheitslage verschlechtert sich sprunghaft und gefährdet die sowieso erbärmliche Lebensgrundlage der verarmten städtischen und ländlichen Bevölkerung des Landes.

Vieles deutet darauf hin, dass die Nato immer mehr von den Menschen in Afghanistan als eine Besatzungstruppe wahrgenommen wird. Eine strategische Niederlage, die im Washington und in westeuropäischen Hauptstädten immer schöngeredet wird, ist bereits im Gange.
Sicherheitslage
Die Kämpfe sind nun nicht mehr auf südliche und südöstliche Provinzen beschränkt, sondern haben sich in alle Richtungen des Landes und auf den angrenzenden Norden und Westen Pakistans ausgeweitet und sind die bei weitem opferreichsten  (2007 mehr als 10 000 tote ZivilistInnen). Seit Januar 2008 wurden mehr als 600 Menschen durch Nato-Bombardements in verschiedenen Regionen des Landes getötet. Seit Wochen fliegen amerikanische, britische und französische Kampfflugzeuge täglich mehr als 50 Luftunterstützungseinsätze (im Irak sind es täglich über 20).

Selbstmordattentate der Taliban haben sich seit 2004 fast verzehnfacht. Anschläge mit improvisierten Sprengfallen werden immer raffinierter und gezielter. Auch wenn 75 % der Anschläge im Süden geschehen und 25 % im Norden und Kabul, so ist die Verschärfung der Sicherheitslage auch im Norden( Stationierungsort der deutschen Bundeswehr) unübersehbar.  Der Vormarsch der Taliban in Afghanistan erfolgt so schnell, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis das Land wieder in die Hände der radikalen Islamisten fällt. Zu dieser pessimistischen Einschätzung kommt eine Studie des renommieren Senlis Council in London. Bereits jetzt, so der Bericht weiter, kontrollieren die Taliban unangefochten mehr als die Hälfte des afghanischen Staatsgebietes. In allen übrigen Regionen verfügten die Fundamentalisten über „substantielle Kräfte“. De facto kommt den Taliban damit in weiten Teilen des Landes, insbesondere im Süden, eine „regierungsähnliche“ Funktion zu.
Nicht beherrschbar sind weiterhin die umfangreichen Unterstützungen der Taliban aus dem pakistanischen Geheimdienst (ISI) und Teilen des Militärs. Eine zweite externe Quelle der Taliban soll zunehmend der Irak sein, von wo terroristische Expertise und vermehrt Kämpfer nach Afghanistan gelangen. Im Unterschied zu vor einigen Jahren speist sich das Gewaltpotenzial der Taliban aber zunehmend auch aus innerafghanischen Quellen. Weder die NATO-Truppen noch Karzais Polizisten und Soldaten haben die Situation unter Kontrolle, es wird sogar von Parallelregierungen gesprochen.
Korruption
Die afghanische Regierung unter Hamid Karzai ist eine der korruptesten und unpopulärsten der Welt. In einer Umfrage von Integrity Watch Afghanistan vom März 2007 zeigte sich, dass über 60 % der Afghanen denken, dass die derzeitige Regierung korrupter ist als all die Vorgängerregierungen der letzten zwei Jahrzehnte. Die westlichen Medien sprechen von Demokratie und der Befreiung Afghanistans, stattdessen sind die USA und ihre Verbündeten damit beschäftigt, das verwundete Land in ein Land der Kriegsherren, der Verbrecher und der Drogenbarone zu verwandeln.

In einem kürzlich veröffentlichten Bericht des US-amerikanischen Center for Strategic and International Studies heißt es: „Die Afghanen sind frustriert über ihre wirtschaftliche Lage … Sie leiden unter unsteter Beschäftigung und wirtschaftlicher Unsicherheit, und wenden sich unerlaubter und illegaler Aktivität zu wie Korruption und Opiumproduktion … die Taliban sind zu einer alternativen Beschäftigungsquelle geworden und rekrutieren die Arbeitslosen als Fußsoldaten für ihren Aufstand.“
Drogen
Der weltgrößte Heroinproduzent Afghanistan ist inzwischen nach einem Bericht der Vereinten Nationen auch der wichtigste Lieferant der illegalen Droge Cannabis geworden. Experten schätzen den jährlichen Umsatz mit illegalen Drogen auf mehr als 250 Milliarden € weltweit. Die im vergangenen Jahr rund 70 000 Hektar große Anbaufläche von Cannabis, aus dem Haschisch gewonnen wird, werde in diesem Jahr voraussichtlich weiter anwachsen, heißt es in dem Anfang Februar in Tokio vorgestellten Winterbericht des UN-Büros für Drogen und Kriminalität (UNODC) zu Afghanistan.

Im vergangenen Jahr produzierte Afghanistan mehr als 92 % des weltweiten Rohopiums. Bauern werden aber auch von lokalen Kriegsherren, korrupten Beamten und von den Taliban mit einer Art Steuer in Höhe von rund zehn Prozent ihres Einkommens aus dem Opiumanbau belastet.

Der Kampf insgesamt wird von der afghanischen Bevölkerung eher so wahrgenommen, dass westliche Alliierte und ihre afghanische Marionettenregierung, afghanische und pakistanische Taliban sowie afghanische Mujaheddin (Nordallianz) um die Rekordernten an afghanischem Opium Krieg führen.

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