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Betrieb & Gewerkschaft

Ärztinnen und Ärzte Ihres Vertrauens empfehlen: Streiks …

Von Dr. Robert | 01.01.2006

…für vernünftige Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und gegen unbezahlte Überstunden. Hilft außerdem schnell und zuverlässig gegen das „man-kann-sowieso-nichts-machen“-Syndrom. Nebenwirkungen auf andere Kolleginnen und Kollegen sind zurzeit noch nicht ausgeschlossen. Das Heilmittel wurde vom 28. 11. – 2. 12. an der Berliner Charité erprobt.

…für vernünftige Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und gegen unbezahlte Überstunden. Hilft außerdem schnell und zuverlässig gegen das „man-kann-sowieso-nichts-machen“-Syndrom. Nebenwirkungen auf andere Kolleginnen und Kollegen sind zurzeit noch nicht ausgeschlossen. Das Heilmittel wurde vom 28. 11. – 2. 12. an der Berliner Charité erprobt. 

An der Berliner Charité, dem größten Uniklinikum Europas, kann das ganze Elend kapitalistischer Krankenpflege wie durch ein Brennglas beobachtet werden. Hier kommen zu den miserablen Arbeitsbedingungen für ÄrztInnen und PflegerInnen auch noch Einsparwünsche und Stellenabbaudrohungen des SPD-PDS-Senats hinzu. So kreuzen sich hier zwei Kämpfe von bundesweiter Bedeutung – ohne sich allerdings bislang wirklich zu vereinen: Der Kampf der ÄrztInnen um Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen und der Kampf der gesamten Belegschaft gegen Stellenabbau, Lohnverzicht und Privatisierung.
Streik-Dosis ausreichend?
Unter den Bedingungen des verschärften Umbaus des Krankensystems in einen „normalen“ profit-orientierten Bereich der kapitalistischen Wirtschaft werden heute KrankenhausärztInnen immer mehr ihren KollegInnen am Fließband angeglichen. So verdient der größte Teil der (Assistenz-)ÄrztInnen an der Charité gut 1700 Euro netto im Monat. Die meisten haben nur noch befristete Verträge und können sich daher ein Ablehnen der anfallenden 85 000 Überstunden pro Monat kaum leisten. Diese bleiben zu 90% unbezahlt!

Der bundesweite Kampf der ÄrztInnen ist daher nur zu verständlich. Nach Aktionen im Sommer wurde jetzt für eine Woche die Charité bestreikt. Von den 2 200 ÄrztInnen, die mit über 90% für den Streik gestimmt hatten, musste zwar ein Teil weiter arbeiten, um einen Notdienst zu gewährleisten. Doch die vielen Demonstrationen waren mit über 1000 DemonstrantInnen alle gut besucht. Auch mit anderen Aktionen im Stadtgebiet (von der kostenlosen Herz-Kreislauf-Wiederbelebungsübung im U-Bahnhof bis zur „Kuscheltierpraxis“ der KinderärztInnen auf dem Weihnachtsmarkt) waren die AktivistInnen zu erleben. Dieser Gang in die Öffentlichkeit hat sicher viel zur Sympathie für die ÄrztInnen beigetragen. Außerdem wird niemand gerne von ÄrztInnen operiert, die schon über 24 Stunden Dienst haben.

Leider war der Streik nur auf 5 Tage befristet. Der marburger bund (mb), die Vereinigung der ÄrztInnen, verhält sich hier nicht viel anders als die ver.di-Bürokratie. Und nachdem das Landesarbeitsgericht Köln am 12.12. dem mb untersagt hat, an den Kölner Krankenhäusern zum Streik aufzurufen, hat der mb überall in Deutschland die Streik­aufrufe für den Aktionstag am 13.12. zurückgezogen. Statt den Druck durch Kampfmaßnahmen weiter zu erhöhen, will er jetzt erst juristische Klärung erreichen – wie lange mag das dauern?

Die ver.di-Bürokratie ihrerseits hat versucht den Kampf der ÄrztInnen und den mb als „unsolidarisch“ abzutun und behauptete, die ÄrztInnen würden auf Kosten aller anderen Beschäftigten ihre Lage verbessern wollen. Sicher ist der mb eine Organisation, die den Standesdünkel vieler ÄrztInnen fördert, statt die Einheit mit den Pflegekräften zu betonen. Ver.di hat jedoch durch den jahrelangen Verzicht auf Kämpfe und Erfolge die Abspaltung einzelner Berufsgruppen selbst verschuldet! Die Forderungen nach Überstundenbezahlung und Einhaltung der Arbeitszeithöchstgrenzen verdient alle Unterstützung. Eine Aufspaltung der KollegInnen in immer kleinere Gruppen sicher nicht. Die meisten ÄrztInnen könnten sicher für die Gewerkschaft zurückgewonnen werden, wenn ver.di offensive Forderungen für alle Beschäftigten aufstellen und erkämpfen würde.
Dringende Indikation: gemeinsamer Kampf!
Denn man sollte bei aller Solidarität mit den ÄrztInnen nicht die ähnlich schlechte Situation aller anderen an der Charité vergessen. Auch hier gilt für neu Angestellte kein Tarifvertrag und damit u. a. die 40-Stunden-Woche. Der Vorstand unter PDS-Wissenschaftssenator Flierl will jährlich 40 Mio. Euro beim Personal sparen, wobei er erpresserisch mit Kündigungen droht. Bis vor kurzem versuchte die ver.di-Bürokratie als Antwort allenfalls „vernünftige“ Sparvorschläge zu machen und über den neuen Tarifvertrag Öffentlicher Dienst (TvÖD) zu verhandeln.
Die kämpferischen und revolutionären KollegInnen in den ver.di-Betriebsgruppen mussten gegen diese Perspektivlosigkeit ankämpfen. Der Ärztestreik und die Krankenhausstreiks in Baden-Württemberg haben vielen Hoffnung und Mut gemacht. Es sieht im Moment so aus, als ob angesichts der Dreistigkeit der Angriffe eine Mehrheit der Tarifkommission bereit ist, die Bürokratie zu einem Kampf auch aller anderen Beschäftigten gegen Verschlechterungen zu drängen – vielleicht sogar mit einem Streik.

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