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Betrieb & Gewerkschaft

Abschied von „Privilegien“

Von Walter Wiese | 01.01.2005

Jede Tat braucht ihre Begründung. Man muss sie nur finden. Wer dabei noch fest gefügte Klischees bemüht, überzeugt am meisten.

Diese Fähigkeit zeichnet v. a. bürgerliche Politiker aus, die versuchen, Hartz IV bzw. Agenda 2010 dem ‘Volk’ als große soziale Wohltat und Notwendigkeit darzustellen.
Nun stellt Agenda 2010 so was wie ein Sammelbegriff dar, der den relativ positiv besetzten Ausdruck ‘Reform’ verwendet und eher als ‘Deform’ zu bezeichnen wäre: Abbau sozialer Leistungen mit allen sozialen und materiellen Konsequenzen für die davon Betroffenen zu Gunsten der Kapitaleigner und Reichen.
Das dabei verwendete Raster hat Löcher wie ‘Flexibilität und Verlängerung der Arbeitszeit’, Abbau sozialer Vergütungsbestandteile, Privatisierung der finanziell lukrativen Dienstleistungen des Öffentlichen Dienstes, Leistungsanreize etc.
Wer unter diesem Gesichtspunkt die derzeitigen Gespräche von ver.di, DBB und BMI-Schiliy betrachtet, weiß sofort, dass es auch hier ‘soweit’ ist. Dabei ist es nicht so, dass nicht schon längst obiges Raster ‘erfolgreich’ im ÖD angelegt wurde: Das doppelrote Land Berlin fing vor 2 Jahren u.a. mit Arbeitszeitverkürzung ohne Personalausgleich an (bei entsprechender Gehaltsreduzierung!), in Hessen verlangte die Landesregierung von ‘ihren’ Beamten unbezahlte Mehrarbeit, altersabhängig zwischen 4 und 9%, etc.
Was jetzt zwischen ver.di, dem Beamtenbund und dem Bund läuft (die Länder haben sich hier ausgeklinkt) ist im Bereich Beamte etwas Systematisches und Grundsätzliches: Es ist die „Reform des Beamtenrechtes“, zu der „wir“ – also ver.di, der Beamtenbund und der Bundesinnenminister Eckpunkte vorgelegt haben (Bsirske im FR-Interview am 14.12.04).

Was haben ‘wir’ denn festgelegt?

Unter dem Leitsatz, dass das Beamtenrecht ‘flexibilisiert und leistungsbezogener orientiert’ werden muss, kamen u.a. folgende Eckpunkte als Ergebnis heraus:
Das Grundgehalt ist leistungsbezogen; es setzt sich aus einem Basisgehalt und aus Leistungsstufen zusammen. Dabei kann auch ‘negative’ Leistung festgestellt werden, was dann eine Gehaltsminderung zur Folge hat. Liegen momentan oder anfangs die Schwankungen zwischen 96% und 104%, soll die Schere später dann zwischen 90% und 110% aufgehen.
Dieses spalterische, entsolidarisierende und Konkurrenz schaffende (oder verstärkende) Vorgehen in der ‘Leistungsentlohnung’ wird verständlicherweise wenig Anklang bei den KollegInnen finden, die im ‘Team’, formal gleichberechtigt, arbeiten und nun den ‘Chef’ vom Team die – materielle – Belohnung einstreichen sehen. Lobende Worte (vielleicht eine Urkunde!) werden da eher wenig Begeisterung aufkommen lassen.
Es ist scharf zu verurteilen, dass ver.di die weitere Spaltung der KollegInnen unterstützt. Sie sieht darin “eine Förderung von Kompetenzen und Engagement der Beschäftigten!”
Unglaublich ist, wie weit die Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen durch ver.di mitgetragen wird. Es reicht nicht einmal mehr zu einem bedauerndem „Mehr war nicht drin“ (es wurde schließlich nicht einmal getestet), sondern sie unterstützt auch noch die herrschende Leistungsideologie.
Es erinnert an Taschenspielertricks, wenn mensch liest, woher das Geld für die leistungsabhängige Zuzahlung kommen soll: Aus dem Einbehalten des Verheiratetenzuschlages und – „ganz oder teilweise“ – aus der in Kraft getretenen unentgeltlichen Arbeitszeitverlängerung: „Der Bundesinnenminister erklärt, … für die Bundesbeamten … das einsetzen zu wollen“, berichtet ver.di. Und wenn er nicht will?
Angeblich aus „Gerechtigkeitsgründen“ sollen dann die Angestellten und ArbeiterInnen analog behandelt werden. Wenn wir nicht dagegen halten …!

 

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