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Betrieb & Gewerkschaft

6. Kongress der Gewerkschaftslinken: Zaghafte Schritte nach vorne

Von Willi Bartel | 01.02.2005

Über 300 KollegInnen nahmen an der sechsten bundesweiten Konferenz der Gewerkschaftslinken am 14./15.01.05 in Stuttgart teil.

Am Freitag gab es einen sehr interessanten, aber auch beunruhigenden Beitrag zu den Gründen des Niedergangs der amerikanischen Automobilarbeitergewerkschaft. Beunruhigend deshalb, weil die jüngere Geschichte dieser Gewerkschaft, manche
Parallelen zur heutigen Krise der bundesrepublikanischen Gewerkschaften aufwies; schon in den 80ern des letzten Jahrhunderts hatten die US-Automobilkonzerne mit einem umfangreichen Angriff auf die Errungenschaften der damals noch stärksten und wichtigsten US-Gewerkschaft angefangen.
Nachdem dieser Angriff zunächst noch abgewehrt werden konnte, knickte die Gewerkschaftsführung ab Ende der achtziger Jahre immer mehr ein. Sie akzeptierte zunehmend die Argumente der Konzernchefs, die – um der damaligen Überproduktionskrise der US-amerikanischen Automobilindustrie zu begegnen – massive Einsparungen auf Kosten der Belegschaften verlangten. Systematisch wurden den KollegInnen Milliarden zur „Rettung“ der Standorte aus den Taschen gezogen. Dieser Angriff betraf alle US-Auto Konzerne, die einen mehr, die anderen kaum weniger. Heute verfügt die US-Automobilgewerkschaft nur noch über einen Schatten ihrer ehemaligen Bedeutung und Stärke.

Betriebliche Kämpfe

Sehr gut schlossen an dem Freitags-Referat, die drei Beiträge am Samstagmorgen über die „Erfahrungen und Ergebnisse betrieblicher Kämpfe“ im letzten Jahr in der BRD an. Vor allem die Einleitung von Tom Adler, Betriebsrat bei DaimlerChrysler Mettingen, hat die Situation gut analysiert. Er hob vor allem die Bedeutung des Tarifabschlusses 2004 und der Vereinbarung von DaimlerChrysler für die weitere Tarifpolitik der IG-Metall im Zusammenhang mit der Stillhaltepolitik aller Gewerkschaftsführungen hervor. Nur so – und im Zusammenhang mit deren neoliberaler Orientierung – ist die Zurückhaltung im Kampf gegen Agenda 2010 bzw. Hartz IV zu begreifen.
Er betonte die Verantwortung der Gewerkschaftsführungen dafür, dass viele KollegInnen immer weniger Vertrauen in die Gewerkschaften haben, die Austrittswelle nicht gestoppt werden konnte, und aus Mangel an Kampfperspektive viele KollegInnen nur noch die Möglichkeit sehen, den Erpressungsversuchen der Unternehmer, wenn auch zähneknirschend, nachzugeben.
Er führte aus: Die Wechselwirkung zwischen betrieblichem Unvermögen/unwillen vieler Betriebsratsfürsten oder manchmal auch Kampfesunlust und Zurückweichen der Belegschaften vor den Erpressungen der Unternehmern und der Angst der Gewerkschaftsbürokratie vor Kämpfen ist nicht zu leugnen. Das größte Versagen, bzw. „Verrat“, im letzten Jahr seitens der IG-Metall Führung lag darin, die eindeutige Kampfbereitschaft (Daimler, Opel Bochum) nicht ausreichend abgerufen zu haben, sondern den Kampf abgebrochen und auf Verhandlungen gesetzt zu haben. Damit hat die IG-Metall zur Aushöhlung des Flächentarifes beigetragen.
Quasi als Gegenbeweis, dass es auch anders gehen kann, referierte, stellvertretend für Bernd Kamin, der Kollege W. Täuber über die Erfahrung des europaweiten Kampfes der Hafenarbeiter, die in einer vorbildlichen Koordination in zig Häfen in den letzten 1 ½ Jahren mehrmals den Deregulierungsangriffen der EU erfolgreich begegnen konnte und somit die „port package“, zumindest vorläufig, kippte.
Die Beiträge zu diesem Tagesordnungspunkt der Konferenz konnten leider nicht diskutiert werden. Dennoch bildeten sie eine sehr gute Illustration für die Aufgaben, vor denen die Gewerkschaftslinke in der BRD steht und waren ein gute Vorbereitung zum Haupttagesordnungspunkt der Konferenz, „Neue Kämpfe, neue Vernetzung“.

Bessere Vernetzung

Dieser Tagesordnungspunkt wurde im Vorfeld der Konferenz mit dem Papier eines IG-Metall Betriebsrates aus Wiesbaden (einsehbar im Labournet) vorbereitet. Die übergroße Mehrheit der Anwesenden, unterstützte das Anliegen dieses Textes, die Arbeit der Gewerkschaftslinken, angesichts der neuen Herausforderungen, die aus dem Versagen und zum Teil der Übernahme des Standortdenkens der Gewerkschaftsführungen für die Gewerkschaftsbewegung bevorstehen, auf neue Füße zu stellen. Die TeilnehmerInnen verständigten sich darauf, sich in Zukunft enger und besser zu koordinieren und vor allem für die KollegInnen an der Basis, die nach einer alternativen Orientierung zu dem Anpassungskurs der Gewerkschaftsführungen suchen, sichtbarer in Erscheinung zu treten! (s. Kasten)
Alles im allem war der Kongress ein kleiner Fortschritt hin zu einer sichtbaren gewerkschaftspolitischen Strömung, die eine Alternative zum neoliberalen Anpassungskurs der heutigen Gewerkschaftsführungen aufzeigt.

Auszug aus der Abschlusserklärung
 „Wir rufen auf in allen Orten Gruppen und Foren zu bilden und zu stärken, Veranstaltungen durchzuführen und für eine Wende der Gewerkschaftsbewegung zu kämpfen.
Wir haben beschlossen, in den nächsten Monaten einen weiteren Kongress abzuhalten. Wir werden eine Plattform entwickeln und Strukturen aufbauen, um – kämpfenden Belegschaften solidarisch zu unterstützen,
– aktive Gruppen vor Ort zu vernetzen und zu stärken,
– öffentlich Position zu ergreifen,
– in Aktionsbündnissen für breite Mobilisierungen gegen die Angriffe der Regierung und der Unternehmer zu wirken,
– eine politische Alternative zur Unterwerfung und Anpassung an dieses System, eine Alternative zum Kapitalismus, seiner Ausbeutung und seinen Krisen zu entwickeln.“
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