TEILEN
Feminismus

Von der femina politica zur femina ecologica?

Von Vera Swoboda | 01.03.2007

Mit dem Aufbruch der zweiten Frauenbewegung, die eng verbunden mit der 68er Bewegung entstand, entwickelte sich ein starkes Bedürfnis nach Frauenprojekten. So entstanden die ersten Frauengesundheitszentren, Frauenverlage, -zeitungen, -buchläden, -kneipen und -betriebe. Nun gibt es ein neues Buch, dass sich mit den Frauenbetrieben beschäftigt. Sibylle Plogstedt beschreibt die erste Phase als eine Phase der alternativen Ökonomie.

Mit dem Aufbruch der zweiten Frauenbewegung, die eng verbunden mit der 68er Bewegung entstand, entwickelte sich ein starkes Bedürfnis nach Frauenprojekten. So entstanden die ersten Frauengesundheitszentren, Frauenverlage, -zeitungen, -buchläden, -kneipen und -betriebe. Nun gibt es ein neues Buch, dass sich mit den Frauenbetrieben beschäftigt.

Sibylle Plogstedt beschreibt die erste Phase als eine Phase der alternativen Ökonomie. Trägerinnen waren vorwiegend Studierte, vor und nach dem Abschluss. In dieser Phase ging es um die Inhalte, um die „Sinnhaftigkeit “ ihrer Arbeit, die aber möglichst den Lebensunterhalt sichern sollte. Bei Arbeit im Kollektiv mit Einheitslohn, unter der Devise, alle können alles, entstand so etwas wie ein „ein gesellschaftliches Experiment in Sachen Gleichheit.“

Die Beschreibung der ersten Phase dieser Frauenprojekte zeigt die Probleme auf: Finanzierung – auch durch „Staatsknete“ – Selbstausbeutung und die Schwierigkeiten der Entscheidungsfindung im Kollektiv. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten werden auch verursacht durch mangelnde Professionalität und verschiedene Tabus. Selbst durch Supervision ließ sich nichts aufbrechen, weil die Offenheit fehlte. Ein Kapitel in Plogstedts Buch spricht vom Missbrauch der Freiheit. Die Tabuisierung der Leistung und gar der Kontrolle führt dazu, dass sich Ineffektivität spät offen zeigt. Ebenso schwächt der Missbrauch von Gruppen­eigentum, öffentlichen Geldern oder auch von Geld von Kreditgeberinnen die Projekte und hinterlässt die unterschiedlichsten Verletzungen. Und die viel beschworene Solidarität der Frauen erweist sich oft als labil. Nach Brigitte Siegel verleibte sich die Böll-Stiftung auch deshalb die Frauenanstiftung ein.
Mit hierarchischen Strukturen
Und damit leitet Sibylle Plogstedt zur zweiten Phase über.
Frauen der Gründerinnengeneration versuchen sich mit Unternehmen, die zwar immer noch mit Frauen, aber mit hierarchischeren Strukturen arbeiten. Die kollektiven Strukturen, ohne Professionalität, ohne klare Verantwortlichkeiten hatten sich als nicht tragfähig erwiesen.

Sibylle Plogstedt weist als Hintergrund für die Veränderungen zusätzlich auf Veränderungen in der Frauenbewegung hin. So entsteht eine Diskussion, die Frauen auch in der Täterinnenrolle sieht und die Opferrolle relativiert. Gleichzeitig öffnete die Libreria delle donne di Milano (Buchhandlung der Frauen in Mailand) die Sicht auf Unterschiede auch unter Frauen und das „Gleichheitsgebot“ geriet ins Wanken. Das Zulasssen von Widersprüchen veränderte die Bewegung.
Das Jahr 1989 brachte große Hoffnung. Die unterschiedlichen Voraussetzungen machten sich erst allmählich bemerkbar. Für „Ost“frauen, die gemeinsam mit den Männern gekämpft hatten, schien die Separierung nicht sinnvoll. Die „West“frauen versuchten ihre Projekte zu transferieren. Differenzen wurden sichtbar, teilweise bis zu völligem Unverständnis. Dabei entwickelte sich ein Run auf Fördergelder, das bezeichnete, von Plogstedt zitiert, Dr. Niehaus als „staatsfinanzierten Sumpf“.
Als ein positives Beispiel aus dieser Zeit schildert Sibylle Plogstedt die Berliner „Weiberwirtschaft“. Die notwendige Gewerbeimmobilie wurde in Ostberlin gefunden und von der Treuhand erworben. Die Geschichte dieses Erwerbs ist auch eine Geschichte der Anpassung an die gesellschaftlichen Spielregeln. Für die Verhandlungen beschafften sich die Frauen Kostüme und Stöckelschuhe.

Anhand einiger Beispiele zeigt Sibylle Plogstedt, wie sich Frauenbetriebe als Unternehmen etabliert haben. Den Charakter von Frauenbetrieben haben sie nicht abgelegt, aber sie sehen auf das Betriebswirtschaftliche, sie haben sich professionalisiert. Aus der femina politica (politische Frau) wurde die femina economica (wirtschaftliche Frau).

Die Veränderungen beruhen aber auch darauf, dass sich die Nachfragenden geändert haben, sie verlangen Professionalität. Die Gründerinnen müssen ihren Lebensunterhalt sichern, sie sind auf dem Arbeitsmarkt nun gar nicht gefragt!
Eine Besonderheit der Frauenprojektbewegung ist immer wieder hineingewoben in die Darstellung. Der Anteil der Lesben in diesen Zusammenhängen ist recht groß, aber Beziehungsprobleme unter Lesben sind nicht weniger dramatisch als unter Heteros. Mit der Frauenbewegung konnten Lesben jedoch offener auftreten, das hat das Selbstbewusstsein gestärkt, aber auch Illusionen geschürt.

Das Buch ist empfehlenswert für diejenigen, die sich mit der Geschichte der Frauenbewegung beschäftigen wollen. Es ist mit Empathie geschrieben und eröffnet ein Verständnis für Entwicklungen. Die Frauenbewegung in ihren Bemühungen zu betrachten, Frauenprojekte gesellschaftlich, aber auch ökonomisch zu gestalten, hilft zu verstehen, welche Schwierigkeiten mit dem Versuch, wider den Stachel zu löcken, verbunden sind.

TiPP
Sibylle Plogstedt
Frauenbetriebe – Vom Kollektiv zur Einzelunternehmerin
Ulrike Helmer Verlag 2006

Artikel teilen
Kommentare auf Facebook
Zur Startseite