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Betrieb & Gewerkschaft

Tarifauseinandersetzungen im Öffentlichen Dienst: Auf Koordinierung hinwirken!

Von Clarissa Lang | 01.02.2009

Ende Januar spitzten sich in mindestens drei Bereichen des Öffentlichen Dienstes und des Verkehrssektors die Tarifauseinandersetzungen zu. Leider ohne Absprachen und Koordinierung. Dabei drängt sich diese heute mehr auf denn je.

Ende Januar spitzten sich in mindestens drei Bereichen des Öffentlichen Dienstes und des Verkehrssektors die Tarifauseinandersetzungen zu. Leider ohne Absprachen und Koordinierung. Dabei drängt sich diese heute mehr auf denn je.

Die Bahn ist bei den Verhandlungen u. a. durch Vorstandsmitglied Hansen vertreten. Bei den Beschäftigten gilt er als „Kotzbrocken“ und Arbeiterverräter, nicht nur weil er im Sommer problemlos die Seite gewechselt hat, sondern weil mehr und mehr seine Rolle bei dem geplanten Börsengang bekannt wird. Er hat jetzt die Unverschämtheit besessen, eine Gehaltserhöhung von 1 % anzubieten, sowie eine Ergebnisbeteiligung von maximal 1,7 % (also nur wenn die Geschäfte „gut laufen“!). Über die Arbeitszeiten will er lieber gar nicht verhandeln. Kein Wunder, dass selbst die zahme Verhandlungsführung der Transnet unter dem neuen Vorsitzenden Kirchner die ersten Warnstreiks angesetzt hat. Eine Hauptforderung ist die längerfristige Festlegung von Dienstplänen und von mindestens 12 garantierten freien Wochenenden über 72 Stunden (statt bisher 36 Stunden).
Gute Warnstreiks
Sehr ähnlich ist die Hauptforderung bei den FlugbegleiterInnen, die am 23. und 28. Januar gute Warnstreiks hinlegten. Sie wollen weg von kurzfristigen Schichtänderungen (oft weniger als 24 Stunden davor), wollen mehr garantierte freie Wochenenden und 15 % mehr Geld. Sie können nicht mit dem Verdi-Abschluss vom Juli 2008 zufrieden sein, weil sie seit 2005 eine ganz schlechte Gehaltsstruktur haben. Neu Eingestellte bekommen deutlich weniger Geld, die Tarife werden nur alle 2 Jahre angepasst. Heute verdient ein Flugbegleiter/eine Flugbegleiterin 1.500 bis 1.600 Euro, brutto! Und das bei solch schlechten Arbeitszeiten: viel unterwegs und große Schwierigkeiten, ein geordnetes  Leben mit Familie, FreundInnen und sozialem Umfeld zu führen. Dass die Unabhängige Flugbegleiter Organisation (UFO) sich überhaupt 1992 gebildet hatte (und heute 70 % der KollegInnen organisiert) ist auf die schlechte Tarifpolitik von Verdi zurückzuführen.
Auch bei den Tarifverhandlungen der Landesbeschäftigten (außer Berlin und Hessen) bewegt sich noch wenig. Auch hier spielen die Arbeitszeiten eine Rolle; im Mittelpunkt steht aber die Forderung nach 8 % Gehaltserhöhung. Nach der ergebnislosen Verhandlung vom 26. Januar soll erst am 14. und 15. Februar weiterverhandelt werden. Allein das ist schon ein ganz schlechtes Timing, in das sich der Verdi-Vorstand reinziehen lässt.
Verdi hat Verständnis
Verdi ist von vornherein auf das angeblich eng begrenzt Machbare eingestellt. So Verhandlungsführer Meerkamp: „Die Entwicklung der Steuereinnahmen wird wegen der Krise rückläufig sein, dessen sind wir uns bewusst.“ Verdi hat aus dem Verlust ganzer Bereiche, die sie nicht mehr vertritt (Fluglotsen, FlugbegleiterInnen usw.) absolut keine Lehren gezogen. Auch nicht aus den verheerenden Auswirkungen des Absenkungstarifvertrages TvÖD, mit dem (kampflos!) die Gehälter um bis zu 15 % abgesenkt wurden und eine um 25 % niedrigere Eingangsstufe eingeführt wurde. Verdi versucht auch nicht, sich mit den Bahnbeschäftigten zu verbünden, obwohl in Sachen Arbeitszeit die Anliegen sehr ähnlich sind. Unter diesen Umständen muss eine Koordinierung  von Aktivitäten (Solidaritätskundgebungen usw.) lokal von unten her organisiert werden.

  • • Wir zahlen nicht für eure Krise!
  • Gegen die verständnisvolle Haltung der Verdi-Führung jetzt offensiv werden für:
  • Hohe Festgeldforderung. Es müssten 400 Euro sein, wenigstens aber 8 % (und nicht nur 200 Euro wie die offizielle Forderung lautet;
  • Wiedereinführung des 13. Monatsgehalts;
  • Deutliche Arbeitszeitverkürzung bei vollem Personal- und Entgeltausgleich;
  • Bessere Schichtpläne, mehr und längere freie Wochenenden für Landesbeschäftigten, FlugbegleiterInnen und Bahn.


Dafür sollten wir uns seitens der Gewerkschaftslinken vor Ort stark machen und auf eine Koordinierung der Aktivitäten hinwirken.

 

Auf Leben und Tod
Die zunehmende Privatisierung im neoliberalen Kapitalismus hat fatale Folgen für die betroffenen Kunden. Die Energieunternehmen fühlen sich dem Gemeinwohl nicht verpflichtet. Am Beispiel der Heizkosten wird das besonders deutlich. Zu Zeiten der Thatcher-Regierung erklärte John Baker von National Power ausdrücklich, Aufgabe eines privaten E-Werkes sei es „nicht nationale Verantwortung zu übernehmen, sondern die Ertragslage zu verbessern“. So starben im Winter 1988/89 nach Angaben eines Schutzbundes Tausende alter Menschen an Unterkühlung, weil ihre Wohnungen schlecht isoliert waren, das Geld für die Energiekosten fehlte und ihnen bei Nichtbezahlung der Rechnung einfach der Strom abgestellt wurde.
Nach einer umfangreichen medizinischen Studie, die die britischen Ärzte Stuckler, King und McKee von den Universitäten Oxford, Cambridge und London in der Fachzeitschrift The Lancet veröffentlichten, ist es in Russland, Kasachstan, Lettland, Litauen und Estland als Folge der rasanten Privatisierung von Staatsbetrieben zu einem deutlichen Anstieg der Sterbezahlen gekommen. Die Autoren machen dafür drei wesentliche Gründe aus: Erstens ist die Arbeitslosigkeit gewaltig angestiegen (im Schnitt um über 300 %), zweitens stieg als eine Folge davon der Alkoholkonsum und drittens fehlt in vielen Bereichen jetzt die ärztliche Versorgung, die früher zur allgemeinen Daseinsvorsorge der Staatsbetriebe gehört hat.
Die Auswirkungen der kapitalistischen Krise werden für die Ärmsten der Armen auch in den Metropolen zu einer Frage von Leben und Tod.
Walter Weiß / D.B.

 

 

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