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Feminismus

Gewalt gegen Frauen: Erschreckende Ergebnisse

Von Larissa | 01.11.2004

Im September stellte die Bundesfamilienministerin Renate Schmidt die Studie “Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland” vor. Diese Studie ermittelte zum ersten mal für Deutschland repräsentative Zahlen zur Problematik “Gewalt gegen Frauen”.

Im September stellte die Bundesfamilienministerin Renate Schmidt die Studie “Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland” vor. Diese Studie ermittelte zum ersten mal für Deutschland repräsentative Zahlen zur Problematik “Gewalt gegen Frauen”.

Die Studie1 bestätigt mit ihren erschreckenden Ergebnissen Vermutungen, die bereits seit langem existieren:
Die Befragung von 10.000 in Deutschland lebenden Frauen zwischen 16 und 85 Jahren ergab, dass 37 % aller befragten Frauen mindestens einmal körperliche Gewalt seit dem 16. Lebensjahr erlebt und 13 % der befragten Frauen sexuelle Gewalt erlitten haben;
Dass 40 % körperliche oder sexuelle Gewalt oder beides erlebt haben;
Dass 58 % der Befragten unterschiedliche Formen von sexueller Belästigung erfahren haben und 42 % aller befragten Frauen Formen von psychischer Gewalt wie systematische Abwertung, Demütigung, Ausgrenzung, Verleumdung, schwere Beleidigung, Drohung und Psychoterror erlebt haben.
Gewalt in ihren verschiedenen Formen und Ausprägungen als körperliche oder psychische Gewalt, von Belästigung auf der Straße über Übergriffe im Berufsleben bis hin zu Misshandlung und sexuellem Missbrauch, innerhalb und außerhalb der Familie, gehören für einen großen Teil der Frauen in Deutschland zum Alltag.

Männliche Partner

Am häufigsten werden dabei immer noch Frauen im persönlichen Nahbereich Opfer von Gewalt, nämlich jede vierte Frau, die in einer Partnerschaft gelebt hat, hat körperliche (23%) oder – zum Teil zusätzlich – sexuelle (7%) Übergriffe erlebt. Dabei sind die Gewaltausübenden fast ausschließlich männliche Beziehungspartner (bei 99% der Frauen).
Desweiteren sind Herkunft, Aufenthaltsstatus, Alter und Behinderung Faktoren, die das Risiko, Opfer einer Gewalthandlung zu werden, stark beeinflussen.
Je unselbstständiger und abhängiger die Lebenssituation einer Frau ist und je geringer der ihr zugesprochene soziale Status ist, desto größer ist die Gefahr, Opfer von Gewalt zu werden.
So steigt mit zunehmendem Alter der Anteil von Gewalterfahrung und ausländische Frauen werden häufiger als deutsche Frauen Opfer von Gewalt, dabei besonders Flüchtlingsfrauen. Frauen mit Behinderung, denen es schwer fällt, eigene Bedürfnisse und Interessen wahrzunehmen, zu formulieren und/oder durchzusetzen, sind besonderer Gefahr ausgesetzt.

Gewalt am Arbeitsplatz

Aber auch am Arbeitsplatz und im öffentlichen Raum sind Frauen Gewalt ausgesetzt:
“72 Prozent der befragten Frauen haben am Arbeitsplatz Situationen erlebt, die sie eindeutig als sexuelle Belästigung einstufen” – unerwünschte körperliche Berührungen, verbale Anzüglichkeiten, Hinterherpfeifen oder sexuelle Erpressung2.
Aber obwohl es ein Beschäftigtenschutzgesetz zum Schutz vor sexuellen Übergriffen gibt, nehmen Frauen von diesem Recht kaum Gebrauch. Zu groß ist die Angst, sich selber Nachteile einzuhandeln, v.a. wenn die betroffenen Kolleginnen in ungesicherten Beschäftigungsverhältnissen stehen.
Durch das Bewusstsein, das u.a. durch die Umwelt und den gesellschaftlichen Diskurs vermittelt wird, als Frau potentiell Opfer von Gewalt werden zu können, leidet die Lebensqualität von Frauen beträchtlich. Z.B. vermeiden es viele Frauen, allein in eine Diskothek, eine Kneipe oder nachts auf die Straße zu gehen, um Gewalt im öffentlichen Raum zu entgehen. Die z.T. schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen und die oftmals jahrelang oder gar lebenslang andauernden psychischen und psychosozialen Folgen werden im öffentlichen Bewusstsein noch viel zu wenig wahrgenommen.
Betrachtet mensch den Zusammenhang, der anscheinend zwischen persönlicher und/oder rechtlicher Abhängigkeit der Frauen und Gewalterfahrungen besteht, so wird deutlich, dass Schutzgesetze zwar auf jeden Fall sinnvoll und notwendig sind3, dass aber andere gesetzliche Regelungen die Wirksamkeit dieser Gesetze häufig unterlaufen (z.B. ungesicherte Beschäftigungsverhältnisse oder ungesicherter Aufenthaltsstatus) und dass gerade im Bereich der häuslichen Gewalt die Probleme nicht unbedingt durch rechtliche Verbesserungen gelöst werden.
Letztendlich besteht nur, wenn Mann und Frau tatsächlich gleichberechtigt sind, wenn es Chancengleichheit für alle gibt, wenn alle die gleiche gesellschaftliche Wertschätzung erfahren und wenn es gleichzeitig keine Diskriminierung aufgrund von Herkunft, Alter, Behinderung, etc. gibt, eine Chance, dass Frausein nicht mehr bedeutet, potentiell Opfer von Gewalt werden zu können.

1 Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland, Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland, Bundesministerium für Familie, Senioren Frauen und Jugend, Sommer 2004.
2 Gewalt gegen Frauen: Problemaufriss (17.02.2004) http://www.bmfsfj.de/
Politikbereichegleichstellung,did=14952.html
3 Z.B das „Gesetz zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung“ und das Beschäftigtenschutzgesetz, das ArbeitgeberInnen verpflichtet, nachhaltig für den Schutz der Beschäftigten vor sexuellen Übergriffen zu sorgen.

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