Kriminelle Kriminalisierung der Letzten Generation
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Momentchen mal... mit sklavischer Unterwerfung ist nicht zu gewinnen

Kriminelle Kriminalisierung der Letzten Generation

Von Manuel Kellner | 26.05.2023

Großrazzia am 24. Mai in sieben Bundesländern gegen die Letzte Generation. 15 Wohnungen und Geschäftsräume werden durchsucht. Der wahnwitzige Tatvorwurf: Bildung bzw. Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Führend bei den Ermittlungen: die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus. Wie bitte?

Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser von der SPD rechtfertigt das so: „Die heutigen Maßnahmen zeigen, dass der Rechtsstaat sich nicht an der Nase herumführen lässt. Polizei und Justiz nehmen Straftaten nicht hin, sondern handeln – wie es ihre Pflicht ist.“ Wie man`s nimmt – bei den einen handeln sie, bei anderen nicht oder kaum. Faeser fügt hinzu, legitimer Protest ende immer da, wo Straftaten begangen und andere Menschen in ihren Rechten verletzt würden: „Wenn diese rote Linie überschritten ist, dann muss die Polizei handeln.“

Der Name “Letzte Generation” ist gut gewählt. Wie sagte doch Barack Obama:  Wir sind die erste Generation “… die den Klimawandel spürt und die letzte Generation, die etwas dagegen tun kann.“ Wahrheit! Künstlerinnen und Künstler haben in ihrem Aufruf „Klimaschutz ist kein Verbrechen“ sehr zu Recht festgestellt: „Die Wissenschaft ist sich einig: Mit den derzeit geplanten Maßnahmen ist der Kollaps nicht abzuwenden. Das Zeitfenster, um noch etwas daran zu ändern, schließt sich in wenigen Jahren.“ So dramatisch ist die Lage in der Tat!

Und da werden nicht etwa durchgedrehte Autofahrer strafrechtlich verfolgt, die sich rabiat an „Klimaklebern“ vergreifen, sondern die Aktiven selbst, die angesichts der völlig unbestreitbaren Dramatik der Lage zivilen Ungehorsam praktizieren.

Die Letzte Generation fordert von der Bundesregierung nicht, die Beschlüsse der letzten Klimacamps umzusetzen. Sie fordert von ihr lediglich, die eigenen Beschlüsse umzusetzen. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits im April 2021 festgestellt, dass die Regierung sehr viel mehr für die von ihr selbst proklamierten Klimaziele tun müsste und setzte ihr die Frist bis Ende 2022, das nachzuholen. Die Bundesregierung verweigert sich dem mit krimineller Energie und verfolgt nach der alten Methode „Haltet den Dieb!“ diejenigen, die das öffentlich energisch einklagen.

Die Sprecherin der Letzten Generation Aimée van Baalen hat eingeräumt, dass die Hausdurchsuchungen einschüchtern und Angst machen. Sie hat aber klargestellt: „Wir werden weiter von unserem Recht, friedlich zu protestieren, Gebrauch machen.“ Die Letzte Generation hat bereits Protestmärsche gegen die Repression durchgeführt und bereitet weitere vor. Für revolutionäre Sozialistinnen und Sozialisten kann es darauf nicht 127 verschiedene Antworten geben: Volle Solidarität mit der Letzten Generation, Schluss mit den Unterdrückungsmaßnahmen gegen sie, Öffnung der Schulen für ihre Aktiven, damit die Schülerinnen und Schüler von ihnen systematisch aufgeklärt werden können!

Aber halt: Es gibt nicht nur die Hetze von Rechtsextremisten und rechtskonservativen law-and-order-Politikern und überhaupt seitens der etablierten Politik, sondern auch Einwände von Linken gegen die Aktionsformen der Letzten Generation.

Muss die Klimaschutzbewegung nicht alles dafür tun, Mehrheiten in der Bevölkerung zu gewinnen? Und bringt die Letzte Generation nicht ganz normale Menschen gegen sich und den Klimaschutz auf, wenn sie sie zum Beispiel daran hindern, mit dem Auto rechtzeitig zur Arbeit oder zum Abholen ihrer Kita-Kinder zu kommen?

Ich finde diesen Einwand durchaus einleuchtend. Denn wenn jemand mich zum Beispiel als Umweltsau an der Benutzung unserer Mülleimer hier hindern würde, weil ich so viel Müll produziere, dann wende ich ja auch ein: seit wann produziere ich Müll? Ich bin, wie alle anderen auch, gezwungen in Supermärkten einzukaufen, und krieg dabei den Verpackungsmüll eben verpasst.

Natürlich bin ich dafür, in der Klimaschutzbewegung solidarisch über geeignete Aktionsformen zu diskutieren. Das ist etwas anderes, als sich quasi von außen gegen die Letzte Generation zu stellen. Allerdings ist die Sache etwas kniffelig: Es ist nicht möglich, wirksame Aktionen durchzuführen, ganz ohne bei diesen oder jenen Leuten anzuecken. Und mit der sklavischen Unterwerfung unter alle Gesetze des bestehenden Staats ist schon gar nichts auszurichten.

Hierzu ein Beispiel. Alles, was die Leute in ihrer Freizeit tun, kann die Verhältnisse nicht grundlegend umwälzen. Die kapitalistischen Klimakiller können nur durch die gemeinsame Aktion der abhängig Beschäftigten nachhaltig unschädlich gemacht werden. Unbefristeter branchenübergreifender Generalstreik, bis diese Herrschaften entmachtet sind!

Aber … auch das ist ja gar nicht legal. Ich weiß wohl, in vielen Staaten ist sehr viel mehr verboten als hier und heute in Deutschland. Ich darf mich hier sogar öffentlich äußern, das ist schon ein Ding! Aber allzu viel erlaubt ist auch nicht. Politische Streiks zum Beispiel sind verboten. Alles, was ans Eingemachte geht, ist verboten.

Merke: Der dogmatische Legalismus ist das Todesurteil für jede Bewegung, die die Verhältnisse wirklich ändern will.

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