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Betrieb & Gewerkschaft

Daimler-Werk Untertürkheim: Stoppt die Ausgrenzung kritischer IG Metaller

Von Korrespondent Stuttgart | 01.07.2006

Im Daimler-Chrysler Werk in Stuttgart-Untertürkheim feiert derzeit die unheilvolle Tradition, unbequeme, kritische linke GewerkschafterInnen an den Rand oder aus der IGM drängen zu wollen, fröhliche Urstände. Mensch sieht sich in Zeiten zurückversetzt, die zumindest in der IGM Stuttgart überwunden gewesen schienen.

Im Daimler-Chrysler Werk in Stuttgart-Untertürkheim feiert derzeit die unheilvolle Tradition, unbequeme, kritische linke GewerkschafterInnen an den Rand oder aus der IGM drängen zu wollen, fröhliche Urstände. Mensch sieht sich in Zeiten zurückversetzt, die zumindest in der IGM Stuttgart überwunden gewesen schienen.

Mensch muss sich in Erinnerung rufen, dass es gerade im Werk Untertürkheim eine lange Tradition linker Betriebs- und Gewerkschaftsaktivitäten gibt, die auf die Zeitung „Plakat“ zurückgeht. Deren MacherInnen und etliche UnterstützerInnen wurden seinerzeit aus der IGM ausgeschlossen. In einem langen, über Jahre gehenden Prozess gab es eine von der Stuttgarter Verwaltungsstelle der IGM mitmoderierte und vorangetriebene Annäherung, die mit der Wiederaufnahme der Plakatmitglieder in die IGM endete.

Basis deren Aufnahme in die IGM war eine Vereinbarung, die regelte, dass die Ex-PlakatlerInnen zwar ihre eigenständige Zeitung nicht weiter herausgaben, aber im Gegenzug das selbstverständliche Recht erhielten, politische Positionen zu Fragen der Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit unzensiert in der Betriebszeitung der Untertürkheimer Metaller zu veröffentlichen. Diese Vereinbarung ging einem Teil der Betriebsratsführung von Anfang an gegen den Strich, angesichts der Stimmung im Vertrauenskörper und in der Stuttgarter IGM hielt sie sich aber eine Zeit lang taktisch zurück.

Mit den ersten Standortvereinbarungen und konkreten betrieblichen Entscheidungen der Betriebsratsmehrheit, die von Wettbewerbslogik und Co-Management-Mentalität nur so strotzten, brach der Konflikt dann aber wieder offen aus. Die Betriebsratsführung nutzte seitdem jede sich bietende Möglichkeit, um die innerbetrieblichen KritikerInnen sowohl im Vertrauenskörper als auch in der Betriebsöffentlichkeit mundtot zu machen. In der betriebsrätlichen Tagesarbeit sollten sie mehr und mehr kalt gestellt werden, auf den Vertrauensleutevollversammlungen wurde ihnen oft nicht mal mehr das Wort erteilt, Artikel für die Betriebszeitung erschienen einfach nicht mehr.
Konfrontation
Zur endgültigen Konfrontation kam es dann jedoch mit der Auseinandersetzung um die Angriffe des DaimlerChrysler-Managements auf die Belegschaften im Juli 2004, die nach einem beispielhaften Kampf von den Betriebsratsspitzen und der IGM mit einer Vereinbarung über massive Einschnitte für die Beschäftigten – insbesondere in den industriellen Dienstleistungsbereichen – beendet wurde. Die Vereinbarung, ihre Auswirkungen und die hieraus resultierenden Gefahren für die DaimlerChrysler-Beschäftigten aber auch die IG Metall wurden von den führenden AktivistInnen des Kampfes in einer tausendfach betriebsöffentlich verteilten Broschüre „Erpresswerk DaimlerChrysler – Eine Bilanz von Metallern an der Basis“ schonungslos analysiert und kritisiert. Seitdem wird auch regelmäßig die kritische Betriebszeitung „alternative“ für das Werk Untertürkheim herausgegeben.

Die Ausgrenzungspolitik und Konfrontationspolitik der Betriebsratsspitze mit Unterstützung durch den hauptamtlichen IGM-Betreuungssekretär verschärfte sich darauf. So wurde durch das Stellen unannehmbarer Vorbedingungen erreicht, dass die KritikerInnen nicht auf der IG Metallliste zur Betriebsratswahl kandidieren konnten, sondern mit einer eigenen Liste antreten mussten. Auf der Liste „alternative – Klartext“ kandidierten 105 Daimler-Beschäftigte des Werks Untertürkheim, davon 101 Gewerkschaftsmitglieder, von denen 70 gewählte IGM-Vertrauensleute waren. Sie fuhren mit 10 Sitzen im 45-köpfigen Gremium (21% der Stimmen, in Werksteil Mettingen in manchen Bereichen  über 60%) einen bemerkenswerten Erfolg ein.

Dieser Erfolg, verbunden mit den derzeit laufenden Angriffen des neuen DC-Managements unter Zetsche auf Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen, die die Warnungen der KritikerInnen in Bezug auf die Standortvereinbarungen von 2004 nachdrücklich bestätigen, hat bei der Betriebsratsführung zur Vollenthemmung geführt. In einem beispiellosen Akt antidemokratischen Verhaltens dürfen die gewählten Mitglieder des Vertrauenskörpers und der Vertrauenskörperleitung jetzt nicht mehr an den Sitzungen teilnehmen, sofern sie auf der alternative-Liste kandidiert haben.

Dieser eklatante Verstoß gegen die Grundprinzipien innergewerkschaftlicher Demokratie und Diskussionskultur ist unerträglich. Hier wird offensichtlich mit administrativen Mitteln die Zurichtung der IG Metall auf die Akzeptanz der Wettbewerbslogik und die Ausschaltung von innergewerkschaftlichen KritikerInnen vorangetrieben. Dem muss überall entschieden entgegengetreten werden.

Nähere Infos unter: www.alternative-info.de oder unter www.labournet.de/branchen/auto/dc/s/altern_mai06.pdf

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