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Betrieb & Gewerkschaft

Federal Mogul: Widerstand ist möglich!

Von Korrespondent Wiesbaden | 01.06.2009

Sicherlich haben die Beschäftigten von Federal Mogul nicht alle Streikziele erreicht, aber es wird erst mal keine Entlassungen geben.

Sicherlich haben die Beschäftigten von Federal Mogul nicht alle Streikziele erreicht, aber es wird erst mal keine Entlassungen geben.

Die Bedeutung des Kampfes der Beschäftigten des Automobilzulieferers Federal Mogul in Wiesbaden reicht weit über den Ort hinaus. Der Konzern wollte von den 1 600 Beschäftigten 436 entlassen, obwohl gerade erst ein paar Monate kurz gearbeitet worden war. Als klar wurde, dass die Konzernleitung auf Stellenabbau bestand, schlug die Stunde des gewerkschaftlichen Kampfes der Beschäftigten und ihrer betrieblichen Führung. Schon am 4. März hatten mehrere Dutzend Beschäftigte das Verwaltungsgebäude einschließlich der „Chefetage“ gestürmt und forderten die Geschäftsleitung zu weiteren Verhandlungen auf, was diese aber ablehnte.

Auf Betreiben der kämpferischen Betriebsratsspitze setzte die IG Metall Verhandlungen um einen Sozialtarifvertrag an, sodass die Beschäftigten eine Chance hatten, aus der Friedenspflicht rauszukommen. Die Verhandlungen wurden am 21. April von einem Warnstreik begleitet (siehe letzte Avanti). Am 4. Mai erklärte die IGM-Verhandlungskommission die Tarifverhandlung für gescheitert und setzte für den 5. Mai eine Urabstimmung an. 99 % der anwesenden Metaller­­­Innen beteiligten sich und stimmten mit 94 % für den Streik, der dann sofort am 6. Mai begann. Die Beteiligung war fantastisch, die Produktion ruhte und zwei Tage lang kam kein LKW ins Werk. Aber auch als die Zufahrt am 8. Mai gerichtlich durchgesetzt wurde, bewirkte dies nicht viel, denn die von der Werksleitung angeschriebenen Personen, die vorher als Befristete heimgeschickt worden waren, ließen sich nicht als Streikbrecher missbrauchen (nicht zuletzt, weil die Streikposten sehr wachsam waren).

Zwar wurde der Streik übers Wochenende und für den Montag danach ausgesetzt, aber als am Dienstag (12.5.) der Streik wieder erfolgreich aufgenommen wurde, war klar, dass die Geschäftsleitung in großer Not war: Länger konnte sie die Produktion nicht ruhen lassen, denn die Bevorratung von Zulieferteilen für die Autoin­dustrie reicht heute nur wenige Tage und der Druck z. B. von Opel Kaiserslautern und Daimler Stuttgart wuchs. Noch am selben Abend wurde dann ein Ergebnis erzielt, mit dem die Beschäftigten zunächst leben können (s. Kasten).

Die Wermutstropfen sollten nicht übersehen werden: Werden die beiden Programme für freiwillige Aufhebungsverträge nicht in ausreichender Zahl angenommen, können doch Kündigungen ausgesprochen werden; so oder so werden nachher 200 Stellen abgebaut sein.
Tolle Kampferfahrung
Die Erfahrungen dieses Kampfes sind außerordentlich positiv:
Diese Auseinandersetzung ist exemplarisch für die kommenden Monate in der Industrie, wenn der eine oder andere Konzern statt Kurzarbeit lieber Entlassungen will.

Der Kampf hat die interessierten gewerkschaftlichen Aktivist­­­Innen in der Stadt in einem Solidaritätskomitee zusammengeführt. Sie waren sich einig, dass die Krise in der nächsten Zeit zu noch mehr Auseinandersetzungen führen wird.

Der Kampf hat die Belegschaft enger zusammenrücken lassen und bewiesen, dass Widerstand möglich ist. Wie sagte der Betriebsratsvorsitzende Alfred Matejka: „Wir stehen im Konzern mit stolzem und erhobenem Haupt da. Was wir in diesem Streik an Solidarität und Zusammenhalt erlebt haben, ist tief in unserem Bewusstsein. Wir gehen ge­stärkt aus diesem Arbeitskampf her­aus“.
Für die Gewerkschaft insgesamt und erst recht für ihre Führung gilt dieses Lob allerdings nicht. Die IG Metall hat diesen Kampf nicht zum Anlass genommen, eine Kampagne für die Arbeitszeitverkürzung anzustoßen. Angesichts von 30 % Überkapazitäten wissen wir heute schon, dass die nächsten Entlassungswellen spätestens nach der Bundestagswahl gestartet werden.

Hätte es im Betrieb von Federal Mogul nicht das kämpferische Kollektiv um die Betriebsratsspitze gegeben (im Gegensatz also zu dem, was wir vom Daimler oder von Opel-Rüsselsheim kennen) wäre es gar nicht erst zum Kampf gekommen.

Angesichts der gesamtgesellschaftlichen Kräfteverhältnisse und vor allem angesichts der vollkommen perspektivlosen Haltung der IGM-Spitze war ein Kampf um eine betriebsübergreifende Arbeitszeitverkürzung bei vollem Entgeltausgleich jenseits der konkreten Möglichkeiten für die kämpfenden Kolleg­­­Innen. Sie mussten sich also auf die Perspektive Fortführung der Kurzarbeit beschränken. Für die von Entlassung Bedrohten war dies eine existenzielle Angelegenheit angesichts der insgesamt völlig wehrlosen Haltung der IG Metall und deren Perspektivlosigkeit in der Krise. Jetzt muss der Kampf innergewerkschaftlich für eine neue Offensive in Sachen Arbeitszeitverkürzung vorangetrieben werden.

www.kurzarbeit-statt-entlassungen.de. Dort finden sich nicht nur diverse Zeitungsartikel und Streiknachrichten, sondern auch Videos, so z. B. von dem Solidaritätsbesuch der betrieblichen Oppositionsgruppe „Alternative“ von Daimler Untertürkheim. 

 

Eckpunkte der Vereinbarung
120 Stellen sollen über freiwillige Abfindungsverträge abgebaut werden. Diese Beschäftigten erhalten zusätzlich zur Abfindung ein Transferkurzarbeitsgeld, das auf 80 % des letzten Nettos aufgestockt wird. Dort werden Qualifizierungen angeboten.
200 Beschäftigte werden über 13 Monate mit konjunkturellem Kurzarbeitergeld gesichert, das ebenfalls auf 80 % aufgestockt wird. Für insgesamt 80 Beschäftigte wird ein Freiwilligenprogramm „50 plus“ angeboten, nach dem sie bis zu 4 Jahre lang bis zum Rentenbezug (oder einer anderen Ausstiegsmöglichkeit) eine finanzielle Absicherung gezahlt wird.

 

 

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