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Innenpolitik

Zwei Jahre nach dem Rechtsputsch in der Ukraine: Die bitteren Früchte des Maidan

Von Georg Heidel | 11.06.2016

Im Februar 2014 musste der damalige Präsident der Ukraine, Viktor Janukowitsch, fluchtartig das Land verlassen und Schutz in der Russischen Föderation suchen.

Im Februar 2014 musste der damalige Präsident der Ukraine, Viktor Janukowitsch, fluchtartig das Land verlassen und Schutz in der Russischen Föderation suchen.

Vorausgegangen waren mehrwöchige Protestaktionen – vor allem in Kiew, bedeutend seltener und ohne große Unterstützung in der Ost- und Südukraine – gegen seine Präsidentschaft und Regierung. Als Anlass dafür wurden hauptsächlich zwei Entscheidungen der Regierung bzw. Vorkommnisse in‘s Feld geführt: zum einen die Weigerung der Regierung, das Freihandelsabkommen mit der EU zu unterzeichnen und dabei die stabilen Wirtschaftsbeziehungen zu Russland aufzugeben, das der Ukraine eine engere wirtschaftliche Kooperation als Alternative anbot; und zum anderen der Versuch, die Proteste dagegen gewaltsam zu unterbinden.

Bei den Protesten, deren Zentrum der Platz Maidan in Kiew war, kam es zum Einsatz von Schusswaffen mit Opfern seitens der staatlichen Ordnungskräfte – eine Darstellung, deren Entwicklung heute zunehmend infrage gestellt wird.

Auch wenn es anfängliche Sozialproteste mit Beteiligung linker oder radikal-demokratischer Kräfte gab, so wurden diese Teile eines sogenannten linken Maidan blitzschnell von den dominierenden rechten, zum Teil neo-faschistischen Kräften bei der Führung abgelöst. Das Markenzeichen des realen Maidan, jenseits linker Mythen, war ein klarer nationalistischer, anti-russischer und offen neofaschistischer Kurs der Bewegung. Die Arbeiter*innenklasse mit ihren Organisationen spielte dabei weder eine tragende Rolle, noch gab sie dafür ihre Unterstützung. Hoffnungen auf mehr demokratische Freiheiten wurden in ihr Gegenteil verkehrt, die allgemeine Repression und Verfolgung von Gegnern des heutigen Regimes erfuhr eine enorme Verschärfung. Der Charakter der Maidan-Bewegung und ihrer etablierten Führung offenbarte sich im Massaker vom 2. Mai 2014 in Odessa. Ultra-nationalistische Banden und Maidan-Anhänger jagten in Odessa Gegner der Putschregierung durch die Stadt.

Als sich diese dann in das Gewerkschaftshaus flüchteten, wurde das Gebäude in Brand gesetzt, wer es verlassen wollte, wurde umgebracht. Insgesamt wurden in Odessa allein bei dieser Aktion 42 Menschen durch die Unterstützer der rechten Putschisten ermordet. Eine Aktion, die von den EU-Regierungen schnell übergangen wurde. Wo sind hier Rebecca Harms oder Marie-Luise Beck-Oberdorf von den Grünen im EU-Parlament, die doch ansonsten die Verteidigung der Menschenrechte für sich reklamieren, wenn z. B. in Russland Anlässe zum Protest gesehen werden?

Spaltung des Landes

Es war der rechte Putsch in Kiew, der zur Spaltung des Landes und in einen Bürgerkrieg führte. Die mehrheitlich pro-russische Bevölkerung im Osten und Süden der Ukraine verweigerte den Gleichschritt mit den neuen Herren aus Kiew; die Kämpfe in der Ostukraine forderten bis heute 9000 Menschenleben, Zerstörungen und den Niedergang der ohnehin schwachen Wirtschaftsleistung des Landes.

Dass sich infolge dieser Ereignisse die Bevölkerung auf der Krim in einer Abstimmung mit überwältigender Mehrheit für den Anschluss an Russland aussprach, ist nachzuvollziehen und eine lebensrettende Entscheidung gewesen. Es ist klar, dass die Rechtmäßigkeit dieser Abstimmung von der EU bestritten wird und sie deshalb von einer Annexion spricht, aber das kann nun wirklich nicht verwundern. Natürlich hat auch Russland ein Interesse an der Wiedereingliederung der Krim in seine Föderation; allein schon aus geopolitischen Nöten heraus, wenn es seiner weiteren militärischen Umzingelung und wirtschaftlichen Schwächung einen Riegel vorschieben will.

Auf mehreren Fahrten im letzten Jahr durch den Osten der Ukraine konnte der Eindruck entstehen, dass zumindest ein großer Teil der Bevölkerung im Kiewer Hoheitsgebiet klar für eine Aussöhnung mit Russland steht. Wir sollten nicht vergessen, dass die föderale Struktur der Ukraine mit einer höheren Selbstbestimmung für die separatistischen Regionen, wie sie im Minsk-II-Abkommen unter Beteiligung der Ukraine, Russland, Frankreichs und Deutschlands vorgesehen ist, nicht durchgeführt wurde.

Wer zieht einen Nutzen aus dieser Entwicklung? Von Beginn an unterstützten die politischen Eliten der EU und besonders der USA den Putsch in der Ukraine. Innerhalb der Ukraine ist es eine Auseinandersetzung zwischen den Oligarchen mit pro-westlicher und pro-russischer Orientierung. Die stellvertretende US-Außenministerin Victoria Nuland berichtete im November letzten Jahres, dass die USA seit 1991 fünf Milliarden US-Dollar in die Ukraine zur Entwicklung und Unterstützung demokratischer Institutionen gesteckt habe. Die Ziehkinder dieser Unterstützung sind solche Leute wie der inzwischen zurückgetretene Ministerpräsident Jazenjuk und die ehemalige Präsidentin Timoschenko, die gegenüber Russland eine „Politik der verbrannten Erde“ gefordert hatte. Es geht weder den USA noch der EU um Menschenrechte und Demokratie, es geht um die Ausdehnung ihrer Herrschaftsbereiche nach Osten.

Lage der Klasse

Die Lage der Arbeiter*innen­klasse hat sich seit dem Putsch gegen Janukowitsch massiv verschlechtert. Die NATO und insbesondere die USA rüsten zwar massiv militärisch in den baltischen Staaten, Polen und Rumänien auf, haben aber für die Lebensbedingungen der Menschen in der Ukraine wenig übrig, im Gegenteil. Das durchschnittliche Monatseinkommen in der Ukraine lag im letzten Jahr bei knapp 80 Euro, ein Drittel der Ukraine lebt mittlerweile unterhalb der Armutsgrenze, die Renten wurden um 15 % gekürzt, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 20 %. Gleichzeitig wurden die Preise für Erdgas um 285 % und Wasser um 70 % erhöht. Proteste, insbesondere der Bergarbeiter haben Ende letzten Jahres zugenommen, es ging um die Zahlung ihrer Löhne. Nach einer Gallup-Umfrage stehen nur knapp 20 % der Ukrainer*innen hinter dem Präsidenten Poroschenko, hinter Ministerpräsident Jazenjuk zum Schluss keine 10 % mehr. Als Hauptursache für die wirtschaftliche Misere werden der Bürgerkrieg im Osten und die enorme Korruption angeführt.

Angesichts dieser Verhältnisse und Entwicklungen muss die Linke in Deutschland einen klaren antimilitaristischen Kurs gegen die NATO-Politik fahren und wo immer möglich klassenkämpferische Gewerkschaftskolleg*innen in der Ukraine politisch und materiell unterstützen. Die Grenze verläuft nicht zwischen den Völkern, sondern zwischen den Klassen oder – zwischen Oben und Unten. Der RSB in Berlin plant zusammen mit anderen Aktivisten für dieses Jahr eine Veranstaltung und ein Wochenendseminar zu praktischer Solidaritätsarbeit.

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