Wie wirkt sich das alles nun politisch aus? Angesichts der vollen Wucht, mit der die Bankenpleiten auftraten hatten die Regierungen der imperialistischen Staaten nur die Wahl zwischen Pest und Cholera:
Entweder die maroden Banken pleite gehen lassen und dann den Volkszorn dadurch in Zaum halten, dass die Verluste der kleinen Leute (Sparguthaben etc.) vom Staat gesichert werden (was einen völligen Wandel/eine Umkehr im Verhältnis öffentliche Gewalt und öffentliche Haushalte zu einfachen Bürgern bedeutet hätte),
oder aber die jeweiligen Banken (und Versicherungen wie AIG) mit Steuermitteln am Leben halten. Sie haben sich in allen imperialistischen Staaten für die letztere (vom bürgerlichen Standpunkt aus in sich schlüssigere) Lösungsvariante entschieden (in Deutschland ist das extremste Beispiel die Hypo Real Estate).
Selbst die Zuzahlung zur Krankenversicherung, mit der wir Mitte 2010 zu rechnen haben, ist noch nicht der große Raubzug (auch wenn er viele Menschen hart treffen wird). Dies kann den Herrschenden nicht reichen, denn damit wird noch nicht die Ertragslage des Gesamtkapitals verbessert.
Die Gewerkschaften sind nicht auf Widerstand eingestellt und die soziale Bewegung ist viel zu schwach, um größeren Druck auszuüben. Sie kann bestenfalls die Gewerkschaften – ein wenig – unter Druck setzen. Ob das dann Folgen haben wird, wissen wir nicht, aber wir sollten dies natürlich weiter fördern.
regieren und auf ihre Arbeit in den Parlamenten. Die Bundestagsfraktion in Verbindung mit dem Parteivorstand und dem umfangreichen Apparat bilden ihr Kraftzentrum. Dabei werden auch sinnvolle und nützliche Sachen gemacht, aber es wird auch viel Unsinn verzapft, der sich längerfristig politisch rächen wird bzw. sich negativ für eine schlüssige Aufklärungsarbeit auswirken wird.
Linkspartei-Chef Lothar Bisky plädiert für ein neues Verhältnis zur Sozialdemokratie und hält langfristig einen Zusammenschluss von Linken und SPD für möglich (so im Spiegel vom 7.12.09).
Also müsste der so genannte „Mittelstand“, das Gros der in Erwerbsarbeit befindlichen Lohnabhängigen kräftig zur Kasse gebeten werden, und zwar am besten mit irgendwelchen Sonderabgaben oder einer kräftigen Mehrwertsteueranhebung. Mal abgesehen davon, dass Steuererhöhungen mit der FDP schlecht umzusetzen sind (notfalls wird sie das natürlich tun, auch wenn es mit der SPD viel wirksamer und flotter gehen würde): Ein richtiges Absahnen bei uns, den Lohnabhängigen, werden sie politisch nicht einfach rüberbringen können. Hier haben sie im Moment ein Problem.
Das Problem bleibt vorläufig noch begrenzt, solange die Krise noch nicht bei der Mehrheit der Bevölkerung angekommen ist und solange der Handlungsdruck bei den Regierenden noch im gegenwärtigen Rahmen bleibt. Das wird nicht endlos so weitergehen können. Die Krise wird in den nächsten Monaten breitere Schichten erfassen und die steigenden Staatsschulden werden den Gestaltungsspielraum der Politik einengen. In Griechenland erleben wir gerade, welche tiefe gesellschaftliche Krise daraus erwachsen kann. Der Unterschied zu Deutschland: In Griechenland ist die Krise zwar schon länger am Kochen, aber andererseits ist der griechische Staatshaushalt von der EU leichter zu stützen, als wenn dies für die BRD notwendig würde. Keiner ist heute sicher, dass die griechische Regierung nicht demnächst heimlich anfängt, Euro zu drucken. Dann haben wir eine der Varianten, die die Inflation im Euroraum beschleunigen wird.
Was folgt aus dieser Gesamtlage für uns?
1. Wir müssen die Krise erklären und Argumenten liefern, aber auch eine Vision entwickeln, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Dabei sollten wir nicht in abgehobenen, abstrakten Tiraden über den Kapitalismus verharren, sondern Folgendes zu leisten versuchen:
a. Den Schwerpunkt in der unmittelbaren Bekämpfung der Krisenfolgen auf den Kampf gegen die Arbeitsplatzvernichtung legen. Da ist es allein mit Visionen (etwa für die Konversion) nicht getan, da muss auch angegeben werden können, wie, wo mit wem gegen eine Werksschließung oder einen massiven Stellenabbau zu kämpfen ist. Die Gewerkschaften dürfen dabei nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden, aber wir müssen den KollegInnen auch Mut machen, ihre Geschicke selbst in die Hand zu nehmen, sich selbst von unten her zu organisieren, den Betrieb notfalls zu besetzen. Aber wir propagieren nicht die Übernahme des Betriebs durch die Belegschaft. Wir müssen die Verantwortung der Gesellschaft herausstellen.
b. Das müssen wir verbinden mit der Propaganda für die Vergesellschaftung der Betriebe. Selbst wenn es nicht zu einer Bewegung für die Vergesellschaftung/Inbesitznahme kommt, wird dieses Gedankengut die Menschen argumentativ fitter machen für die Entwicklung eines hartnäckigen Widerstands.
c. In diesem Zusammenhang ist die weitere Arbeit in der Gewerkschaftslinken von einiger Bedeutung, nicht zuletzt, um in den Gewerkschaften die Diskussionen für die Neuaufnahme des Kampfs für die Arbeitszeitverkürzung zu befördern.
2. Wir müssen an der Bildung breitester Aktionseinheiten arbeiten. Ein Teil dieses Bemühens ist die Mitarbeit im Bündnis „Wir zahlen nicht für eure Krise“.
3. Parallel dazu sollten wir schauen, dass wir mit bestimmten sozialistischen Kräften in engere Diskussionen eintreten, um vor allem strategische Frage zu erörtern und darüber die allgemeine politische Debatte voranzubringen. Wir haben dabei nicht die Illusion, dass wir in Deutschland so etwas wie eine NPA schaffen können.
4. Wir sollten keine Illusionen in die SPD haben, die sicherlich früher oder später ein paar verbale Schwenks nach links machen wird, aber ihr Charakter wird sich so schnell nicht ändern. Auf keinen Fall betrachten wir die SPD als einen Teil eines imaginären linken Lagers.
5. Wir müssen eine gut belegte Fundamentalkritik am Kapitalismus entwickeln und verbreiten. Von der Partei Die Linke ist das in keiner Weise zu erwarten, denn Gysi will dezidiert nicht die bürgerliche Gesellschaftsordnung stürzen. Den Kapitalismus will er verändern, nicht überwinden.
6. Wenn es im Entstehungsprozess der WASG Sinn gab, dort mitzuarbeiten – weil mensch dort ein bestimmtes organisatorisch Projekt verfolgen wollte – dann muss dies heute als völlig aussichtslos erklärt werden, es sei denn mensch passt sich opportunistisch an. Diejenigen, die es dort heute immer noch aushalten, haben keine Austrittsperspektive, sondern im Gegenteil schaffen sich immer noch tiefer rein, bzw. betteln darum, wieder aufgenommen zu werden. Wie schon bei der Gewerkschaftslinken beobachten wir auch in der sozialen Bewegung, dass die Menschen, die sich in die Parteiarbeit reinwuseln (wie weiland Sisyphus), der Mitarbeit in der sozialen Bewegung fehlen, zumindest dafür keine großen freien Valenzen mehr haben.
7. Mit Macht ist in den letzten Monaten die Misere im Bildungssektor ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Die Studierenden haben im Jahr 2009 eine gewisse Politisierungswelle erfahren, die sicher nicht die Mehrheit der Studierenden erfasst hat, die aber nicht wenige Menschen zurzeit prägt und sie für eine grundlegende Gesellschaftskritik ansprechbar macht. Die Verbindung zu den sonstigen Widerstandsaktivitäten sollte auch von uns gefördert werden.
8. Eine gewisse Bedeutung kann auch die Bewegung gegen die AKW erlangen. Dies sollten wir politisch begleiten und im Rahmen unsrer Kräfte auch unterstützen.
9. Wenn sich im Jahr 2010 die allgemeinen Widerstandsaktivitäten verstärken sollten, was stark vom konkreten Kurs der gewerkschaftlichen Apparate in den nächsten Monaten abhängen wird, dann könnte sich eine Stimmung herauskristallisieren, die die Parole des politischen Streiks auf fruchtbaren Boden fallen lässt. Dies gilt es genau zu beobachten und gegebenenfalls aktiv zu fördern.
12.12.09