Am 29. Dezember 2014 ist Hermann Weber im Alter von 86 Jahren gestorben, wie erst im Januar bekannt wurde. Er war einer der führenden Historiker zur Geschichte des deutschen Kommunismus und zur Geschichte der DDR.
Er vertrat Zeit seines Lebens die Auffassung: „Die große Sozialutopie der Arbeiterbewegung hat wenig von ihrer historischen Aktualität eingebüßt. Und daher sollte das hohe Ideal einer Gesellschaft ohne Klassen und Ausbeutung, ohne Entbehrung und Zwang, ohne Chauvinismus, Rassenhass und Völkerkriege weiterhin als Richtschnur von Politik gelten.“ Allerdings glaubte er, eine Partei des demokratischen Sozialismus, in der auch Platz für einen „demokratischen Kommunismus“ in der Tradition von Rosa Luxemburg und Paul Levi sein müsse, sei die SPD.
Seine Lebensgeschichte* kann hier nur kurz skizziert werden:
1945 kam Hermann Weber als Mannheimer Jungkommunist zur gerade wieder zugelassenen KPD. Bald bekam er Zweifel an der Ideologie und Politik der stalinistischen KPD, die sich während seines Studiums an der SED-Parteihochschule „Karl Marx“ (1947–1949) noch verstärkten. 1950 wird er von Erich Honecker als Chefredakteur der FDJ-Zeitung „Junges Deutschland“ abgesetzt, weil er ein Stalin-Telegramm von zwei Zeilen nur als kleinen Kasten auf der Titelseite veröffentlicht hatte. Auf der Parteihochschule lernte er seine Frau Gerda kennen, mit der er über 60 Jahre verheiratet sein wird. 1953 wurden er und Gerda – wie viele andere KommunistInnen – Opfer des Kalten Krieges und vom westdeutschen Staat ins Gefängnis gesteckt und erst 1954 freigelassen. Im gleichen Jahr wurden beide als „Agenten“ aus der KPD ausgeschlossen. Zeit ihres Lebens blieben sie der Arbeiterbewegung als Mitglieder der SPD auf deren linken Flügel verbunden, immer auf der Suche nach einem „dritten Weg“ jenseits von Kapitalismus und Stalinismus. Von 1956 bis 1960 wirkte Hermann Weber zusammen mit anderen Linken, zu denen auch Genossen der IV. Internationale wie Ernest Mandel, Willy Boepple, Georg Jungclas und Jakob Moneta gehörten, an der an SPD-Mitglieder und Gewerkschafter gerichteten Zeitschrift „Sozialistische Politik“ mit.
Webers Ruf begründet sich jedoch hauptsächlich auf seine Arbeiten zum deutschen Kommunismus vor 1933: Als den Fund seines wissenschaftlichen Lebens bezeichnete Weber die Entdeckung des 50 Jahre nicht auffindbaren Originaltextes des Protokolls des Gründungsparteitages der KPD 1918/1919 im Jahr 1968. 1990 sollte in der DDR im ehemaligen Parteiverlag der SED, dem Berliner Dietz Verlag, 1990 eine erweiterte der von ihm herausgegebenen Dokumentation „Der Gründungsparteitag der KPD“ erscheinen (1. Ausg. 1969). Nach einer Vielzahl von Aufsätzen erscheint 1969 bei der Europäische Verlagsanstalt (EVA) das monumentale zweibändige Werk „Die Wandlung des deutschen Kommunismus“. Die Stalinisierung der KPD in der Weimarer Republik mit zahlreichen Biographien kommunistischer Funktionäre, darunter auch zahlreicher Oppositioneller von rechts bis links. Eine stark gekürzte, immer noch fast 400 Seiten umfassende Studienausgabe dieses Standardwerks erscheint 1971 in der Reihe EVA Basis. Weber ist damals zusammen mit Ossip K. Flechtheim der Vertreter einer unabhängigen Kommunismus-Forschung, die nicht – wie die zahlreichen Publikationen in der DDR – apologetische Interessen verfolgt. Folgerichtig beginnt er eine akademische Karriere und 1975 wird er Professor für Politische Wissenschaften und Zeitgeschichte an der Universität Mannheim, bis zu seiner Emeritierung 1993.
Beflügelt durch den Aufbruch in der Sowjetunion unter Gorbatschow entsteht ab 1987 die Forderung nach Rehabilitierung aller Opfer des Stalinschen Terrors. In der BRD wenden sich im April 1988 deutsche UnterzeichnerInnen, darunter Hermann Weber, an die Botschaft der UdSSR in Bonn und fordern die Rehabilitierung aller Opfer der Moskauer Prozesse. Auf Anregung des isp-Verlags erscheint 1989 Hermann Webers Taschenbuch „Weiße Flecken“ in der Geschichte. Die KPD-Opfer der Stalinschen Säuberungen und ihre Rehabilitierung (isp-pocket 42). Es enthält Kurzbiographien von 242 ermordeten und 25 Kommunisten, die Haft- und Lagerjahre in der Sowjetunion überlebten. Bereits im Januar 1990 gibt der ISP-Verlag als Paperback eine 2., überarbeitete und erweiterte Ausgabe heraus, die nunmehr die Liste und biographische Daten von 305 ermordeten oder verschollenen deutschen Kommunisten enthält und nach wie vor lieferbar ist. Das Echo auf das Buch ist so enorm, dass der Rezensent Karl-Heinz Janßen im April 1990 in der Zeit feststellt: »Bücher haben nicht nur ihre Geschichte, manchmal machen sie auch Geschichte.« Als Folge der antibürokratischen Massenbewegung in der DDR im Herbst 1989 kommt es zu dem Kuriosum, dass das Buch auch in der DDR im Christoph Links Verlag im April 1990 in nochmals erweiterter Form erscheint.
Der nimmermüde Hermann Weber gründet 1993 das „Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung“ (bis 2007 war er dessen Herausgeber), das seit 2003 bei der Gerda-und-Hermann-Weber-Stiftung für Kommunismusforschung angesiedelt ist. 2004 geben er und Andreas Herbst ebenfalls bei Dietz Berlin das Biographische Handbuch „Deutsche Kommunisten“ in den Jahren 1918 bis 1945 heraus. 2008 folgt eine stark erweiterte 2. Auflage und 2013 ein weiterer Supplementband. Die drei Bände enthalten Biographien von fast 1900 KommunistInnen und stellen somit ein unersetzliches Nachschlagewerk dar. Ein weiteres monumentales Werk, herausgegeben von Hermann Weber (zusammen mit Jakov Drabkin und Bernhard H. Bayerlein), kommt kurz vor seinen Tod zum Abschluss: „Deutschland, Russland und die Komintern (1918–1943)“, bestehend aus einem Analyse- und Diskussionsband und einem Dokumentenband (2013 u. 2014, De Gruyter). Dankenswerterweise können die PDF der umfangreichen und somit nur für Bibliotheken erschwinglichen Bände kostenlos von der Webseite des Verlags heruntergeladen werden.
Neuer ISP Verlag, 23. Januar 2015
* Für ausführliche Informationen siehe die lesenswerten Autobiographien: Damals, als ich Wunderlich hieß. Vom Parteihochschüler zum kritischen Sozialisten. Die SED-Parteihochschule „Karl Marx“ bis 1949, Berlin (Aufbau) 2002 sowie (zusammen mit Gerda Weber) „Leben nach den ‚Prinzip links’“. Erinnerungen aus fünf Jahrzehnten, Berlin (Ch. Links) 2006.
Vgl. auch die Festschrift: „Sozialismus und Kommunismus im Wandel.“ Hermann Weber zum 65. Geburtstag, hrsg. von Klaus Schönhoven und Dietrich Staritz, Köln (Bund-Verlag) 1993.
Anmerkung:
In einer früheren Version dieses Artikels haben wir fälschlicherweise das Jahr, in dem Hermann Weber als Chefredakteur der FDJ-Zeitung „Junges Deutschland“ abgesetzt wurde mit 1951 bezeichnet, korrekt ist aber das Jahr 1950. Wir bitten dies zu entschuldigen.