TEILEN
Innenpolitik

Wie viel Platz ist links von der Linkspartei?

Von B.B. | 01.05.2007

Die aus der Fusion von L.PDS und WASG entstehenden neuen Partei Die Linke hat die Möglichkeit, sich im politischen Geschehen zu etablieren. Könnte der Platz, den sie im politischen Spektrum einnimmt, auch revolutionär besetzt werden?

Die aus der Fusion von L.PDS und WASG entstehenden neuen Partei Die Linke hat die Möglichkeit, sich im politischen Geschehen zu etablieren. Könnte der Platz, den sie im politischen Spektrum einnimmt, auch revolutionär besetzt werden?

Das Zusammengehen von RegierungsbefürworterInnen mit sozialistischer Perspektive und RegierungskritikerInnen ohne Vision ergab nicht etwa den Ausstieg der Partei Die Linke aus der bürgerlichen Regierungspolitik im Interesse des Sozialismus, sondern die weitere Abschwächung der sozialistischen Utopie zugunsten der Integration in den kapitalistischen Staatsapparat. Der „Doppelcharakter“ der Partei Die Linke ist, wenn überhaupt, nur noch sehr schwach vorhanden.
Selbst eine ausgeprägt reformistisch-sozialistische Partei wird den neoliberalen Kapitalismus nie konsequent bekämpfen können. Die Halbheit und Zweideutigkeit, mit der sie das System kritisiert, in das sie sich zu integrieren sucht, macht ja gerade das Wesen des Reformismus aus. Notwendig ist daher nicht nur die Kritik an einzelnen Maßnahmen der RegierungssozialistInnen. Dies muss auch in den Zusammenhang mit dem Charakter der Partei und mit der Notwendigkeit des Aufbaus einer neuen antikapitalistischen Organisation gestellt werden. Das tut bereits ein Großteil der WASG-Opposition, die sich um das Netzwerk Linke Opposition (NLO) gruppiert.
Erfolgreiche Platzbesetzung
Die kapitalistische Welt zeigt längst ihr wahres Gesicht der Kriege, der Armut und Verelendung, der Erwerbslosigkeit und des Sozialabbaus, des Hungers, der Umweltzerstörung oder des Rassismus. CDU-CSU, SPD und Grüne sind in den letzten zehn, fünfzehn Jahren nach rechts gerückt und nehmen neoliberale, marktradikale Positionen ein. „Objektiv“ ist links von ihnen der Platz für eine neue Formation frei geworden, unabhängig davon, ob diese anti-neoliberal, sozialliberal, reformistisch-sozialistisch oder revolutionär ist. Diesen Platz hat die neue Partei Die Linke, nach Bildung der WASG und dann der Vereinigung, zunächst einmal erfolgreich besetzt. Sie erreicht 4 Millionen WählerInnen, ist im Bundestag vertreten, verfügt über einen ansehnlichen Apparat, hat Aussichten auf weitere Wahlerfolge und auf neue Mitglieder.

Die große Mehrheit ihrer AnhängerInnen und WählerInnenschaft findet an Regierungsbeteiligungen nichts oder nur wenig auszusetzen. Sie kann sich keinen anderen Weg vorstellen, um linke Politik durchzusetzen. 90 % der Linken in der BRD teilen diese Position des „linken Politikwechsels“. Die Erfahrung, dass eine linke Organisation einer außerparlamentarischen Bewegung hilft, Forderungen erfolgreich durchzusetzen, haben sie nie gemacht.

Deshalb darf sich eine antikapitalistische bzw. revolutionäre Organisation nicht einfach mit der Kritik an der neuen Partei Die Linke abarbeiten. Sie muss in der Praxis beweisen, dass sie ein nützliches Werkzeug in betrieblichen Kämpfen und in der sozialen Bewegung z.B. bei der Mobilisierung gegen G8, beim Aufbau der Gewerkschaftslinken und einer außerparlamentarischen Opposition ist.
Klassenkämpfe und Parteibildung
Die Initiative zur Bildung der WASG kam zu einem günstigen Zeitpunkt. Den nötigen Rückenwind für die neue Partei besorgte die außerparlamentarische Bewegung der Montagsdemonstrationen. Dort war ursprünglich die MLPD führend vertreten. Aber mit dem Scheitern der Bewegung, die Hartz IV nicht verhindern konnte, gelang es nicht etwa der linken MLPD, sondern der gemäßigteren WASG, das parteipolitische Potential der Proteste auf sich zu lenken und zu organisieren.

Ähnliches war schon zwanzig, fünfundzwanzig Jahre früher bei der Anti-AKW- und der Friedensbewegung passiert. Nicht die linken MaoistInnen, die anfangs die Anti-AKW-Bewegung angeführt hatten oder die linke DKP, die maßgeblich an der Friedensbewegung beteiligt war, setzten sich parteipolitisch durch, sondern die Niederlage der Bewegungen beförderte die gemäßigten Grünen.

Revolutionäre, antikapitalistische Formationen profitieren von den Erfolgen außerparlamentarischer Bewegungen und Kämpfe; deren Niederlagen begünstigen gemäßigt linke, parlamentarische, „reformistische“ Parteien.

Frankreich bestätigt diese Regel. Im Unterschied zur BRD wurden in Frankreich durch die positiven Erfahrungen dreier großer Klassenkämpfe, – Mai ’68, Generalstreik im Öffentlichen Dienst 1995/96 und die Proteste gegen das CPE 2006 –, nicht nur drei politische Generationen geprägt. Es entwickelte sich auch mit der LCR eine vergleichsweise große revolutionäre Organisation, deren AktivistInnen in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen eine vorantreibende Rolle spielen.

Kämpfe wie in Frankreich gibt es zurzeit in der BRD nicht. Zwar ist seit zwei, drei Jahren eine Belebung defensiver betrieblicher Abwehrkämpfe und Tarifauseinandersetzungen spürbar, aber sie führten bislang zu keiner nennenswerten Radikalisierung. Der gesellschaftliche Rückenwind für eine antikapitalistische oder revolutionäre Partei fehlt zur Zeit in der BRD, um von einer revolutionären Massenpartei erst gar nicht zu reden. Das heißt nicht, die Hände in den Schoß zu legen. Auch unterhalb einer Partei, die den Namen verdient, ist es möglich, eine antikapitalistische, eine revolutionäre Organisation aufzubauen, die nicht nur Propaganda betreibt, sondern im Klassenkampf etwas bewirkt.
Vereinigen statt spalten?
Welche Hindernisse stehen dem Aufbau einer solchen Organisation entgegen?
Wie oben beschrieben befindet sich die Linke links der Partei Die Linke wie die ganze ArbeiterInnenklasse in einer Defensivsituation. Sie wird noch dadurch erschwert, dass 90 % der Linken mehr oder weniger ihre Hoffnungen auf die neue Partei Die Linke setzen, darunter auch die meisten TrotzkistInnen.

Unter denen, die außerhalb stehen, scheiden DKP, MLPD und Autonome aus unterschiedlichen Gründen für den Aufbau einer antikapitalistischen, revolutionären Organisation aus. Wer aber dafür in Frage kommt, ist der Teil der WASG-Opposition, der nicht in Die Linke eintritt. Das Netzwerk Linke Opposition, das viele dieser OpponentInnen verbindet, will die Ausgetretenen in einem Verein sammeln und perspektivisch in einer neuen Partei organisieren. Wünschenswert ist es, dass sich das NLO zu einem neuen Kristallisationspunkt entwickelt, nachdem der alte Kristallisationspunkt – die WASG – so herb enttäuscht hat. Aber genügt der feste Vorsatz, alle Enttäuschten und Unzufriedenen einzusammeln, dass daraus eine neue Kraft entsteht?

Nichts war so heterogen innerhalb der Wahlalternative wie der linke Flüge. Das NLO unterschied sich von der Antikapitalistischen Linken.  Der Linksruck verfolgt eine andere Perspektiv
e als SAV und isl. Die SAV vertritt drei unterschiedliche Projekte, die isl vier, daneben existierten Dutzende von Untergruppen und Sonderansichten, die hundert Einzelgänger nicht zu vergessen. Sie alle einte nur die Opposition gegen die Parteivorstände von WASG und L.PDS … und noch nicht einmal das. Neustes Beispiel ist der Zerfall der WASG Berlin, zu deren „linker“ Mehrheit eine Gruppe gehören durfte, die eine anti-kapitalistische Orientierung ebenso ablehnt wie „Doppelmitgliedschaften“ von Linken (s. Kasten).

Diese Heterogenität ohne gemeinsame Praxis, ohne gemeinsame Traditionen, ohne gemeinsames Politikverständnis, ohne gemeinsame politische Ziele und ohne gemeinsame Strategien hat die Opposition beim Verlassen der WASG mitgenommen.
Das ist zunächst nicht einmal schlimm. Doch wie kommen die aus der WASG Ausgetretenen über das Stadium der Opposition gegen etwas hinaus, hin zu antikapitalistischen bzw. revolutionären Positionen?

Gemeinsame Diskussionen, Seminare und Veranstaltungen sind wichtig. Sie werden aber nur die bestehenden Unterschiede bestätigen oder vielleicht übertünchen, aber kaum zu neuen politischen Gemeinsamkeiten führen.

Nur über gemeinsame Erfahrungen im Klassenkampf kann die so heterogene Opposition zu einer politischen Einheit werden und ein neues kollektives Politik-  und Organisationsverständnis entwickeln. Erst vor dem Hintergrund einer gemeinsamen, auf radikale Veränderung zielenden Praxis erhalten Strategie- und Programmdebatten die ihnen zukommende Bedeutung. So zeigt sich z.B. erst in der Praxis, ob die angebliche theoretische Übereinstimmung in der Einheitsfrontpolitik tatsächlich für ein unsektiererisches Herangehen an Aktionseinheiten und Bündnispolitik ausreicht.

In diesem Sinne ist es wünschenswert, dass möglichst viele der aus der WASG Ausgetretenen sich in das Bündnis 3. Juni, in die Mobilisierung gegen den G8-Gipfel in Rostock und in die Gewerkschaftslinke einbringen und den Aufbau einer außerparlamentarischen Opposition aktiv unterstützen.
Die Parole der SAP
Der RSB tritt für den Aufbau einer Sozialistischen ArbeiterInnenpartei (SAP) ein. Sie soll eine Partei sein, die an den Kämpfen der ArbeiterInnenklasse teilnimmt, sie vorantreibt und in der sozialen Bewegung mitwirkt.

Eine SAP wird nicht durch den Zusammenschluss einiger linker Gruppen und Einzelpersonen entstehen, sondern nur dann, wenn eine Welle von Kämpfen zu einer Radikalisierung zumindest einer Minderheit der Lohnabhängigen führt. Wann, wo und wie die ArbeiterInnenklasse den Kampf gegen die neoliberalen Reformen aufnehmen wird, kann niemand vorhersagen. Ohne große, offene Klassenkämpfe bleibt die SAP-Losung Propaganda, die heute nur wenige Menschen erreicht.

Wollen die Linken links von Die Linke auf zukünftige Kämpfe Einfluss nehmen, dann müssen sie hier und heute eine entsprechende Organisation aufbauen. In Auseinandersetzungen und Bewegungen muss von der revolutionären bzw. antikapitalistischen Organisation das Bewusstsein hineingetragen werden, dass zur erfolgreichen Durchsetzung der eigenen Forderungen der Aufbau einer Partei mit sozialistischer Perspektive notwendig ist.

Der Aufbau einer antikapitalistischen bzw. revolutionären Organisation, vielleicht nicht einmal der einer SAP, wird aber kaum davon abhängig sein, ob die neue Partei Die Linke scheitert oder nicht. Historisch gesehen ist das Scheitern der Linkspartei zwar unausbleiblich. Aber weder aus der Geschichte des Reformismus noch aus der seiner Regierungsbeteiligungen lässt sich eine Prognose für die Entwicklung der Linkspartei in den nächsten zwei oder fünf Jahren ableiten. Zum Scheitern einer großen Partei wie Die Linke braucht es große historische Ereignisse, die den Menschen die Augen öffnen. Dafür reichen leider eine paar abstoßende Regierungsbeteiligungen wie in Berlin nicht aus.

 

Spaltung der WASG-Berlin?
In Berlin soll sich die linke WASG-Mehrheit in einer schweren Krise befinden:

  • –    Gestützt auf die Hälfte der Aktiven führt eine knappe Mehrheit von SAV u. a. die WASG Berlin weiter an.
  • –    Das NLO zieht sich anscheinend aus der WASG-Berlin zurückgezogen.
  • –    Eine Gruppe in der „linken“ Berliner WASG bekennt sich zum alten WASG-Gründungsprogramm und lehnt eine antikapitalistische Orientierung ebenso ab wie die Doppelmitgliedschaft von Linken.

Was bedeutet es bei solchen Positionen schon, wenn die letzt genannte Gruppierung die Regierungsbeteiligung der Linkspartei ablehnt?!

Quelle: Linke Zeitung

 

 

Artikel teilen
Kommentare auf Facebook
Ähnliche Artikel
Zur Startseite