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Betrieb & Gewerkschaft

Wie durchsetzen beim Kitastreik?

Von B. B. | 01.07.2009

Es ist nicht einfach, in einer Wirtschaftskrise einen Streik zu gewinnen. Vor allem dann nicht, wenn es sich nicht um einen kleinen Konjunktureinbruch handelt, sondern um eine scharfe Krise des Kapitalismus.

Es ist nicht einfach, in einer Wirtschaftskrise einen Streik zu gewinnen. Vor allem dann nicht, wenn es sich nicht um einen kleinen Konjunktureinbruch handelt, sondern um eine scharfe Krise des Kapitalismus.

Wenn Welthandel und Industrieproduktion dramatisch einbrechen, dann mag das die streikenden Erzieherinnen nicht direkt treffen. Aber der Staat als „Arbeitgeber“ will die Milliarden Euro, die er an Banken und Konzerne gibt, nicht nur allgemein bei den Lohnabhängigen einsparen. Er versucht auch die staatliche Neuverschuldung einzudämmen, indem er in vielen Bereichen die Ausgaben prüft und zusammenstreicht. Zu denen gehören auch diejenigen, die die neuen Tarifverträge für die Erzieherinnen kosten werden. Umgekehrt kann der Staat das, was er nicht den Erzieherinnen gibt, den Banken zur Verfügung stellen. Deshalb findet der Streik anders als üblich nicht nur einen anderen Rahmen vor. Er ist objektiv ein Streik, der über die gewohnten Tarifauseinandersetzungen hinausgeht – ein politischer Streik. Nur leider wird er bisher nicht als solcher geführt.
Qualitative Forderungen
Die Gewerkschaft verdi hatte sich unter den o. g. politisch-ökonomischen Rahmenbedingungen entschlossen, für die Erzieherinnen und SozialpädagogInnen zwei Forderungen aufzustellen, die nicht einfach ein paar Prozent mehr Gehalt bedeuten, sondern darüber hinausgehen. Die Forderungen nach Änderung der Eingruppierung und nach einem Tarifvertrag zur Gesundheitsförderung lassen sich sicherlich in Geld umrechnen. Aber im Unterschied zur einfachen Lohnerhöhung sind sie nicht bloß quantitative sondern qualitative Forderungen. Das macht diesen Tarifkampf noch härter und scheint ein weiterer Grund, weshalb die Verhandlungen abgebrochen wurden bzw. noch keine Einigung zustande kam.

Die Gewerkschaftsbürokratie hat den Tarifvertrag zur Gesundheitsförderung auch als trickreiche Verhandlungsvariante eingebracht, um streikfähig zu sein und Druck ausüben zu können, da wegen der Entgeltordnung zurzeit nicht gestreikt werden darf. Mit solchen Klimmzügen ist der Arbeitskampf in der allgemeinen politisch-wirtschaftlichen Lage aber nicht zu gewinnen – zumindest nicht mit einem für die Erzieher­Innen annehmbaren Ergebnis.
Tarifkampf politisieren
Damit der Streik der Erzieherinnen siegreich ist, braucht die Gewerkschaft verdi eine andere Argumentation und andere Methoden. Vor allem die Kritik an den Banken und den staatlichen Finanzhilfen, die bisher keinen großen Raum in der Begründung der eigenen Forderungen einnahm und in den Reden auf den Kundgebungen in ein paar Nebensätzen erwähnt wurde, muss in den Mittelpunkt gestellt werden.

Der de facto politische Streik muss auch als solcher geführt werden. Da wäre es ein Schritt nach vorn, wenn die Verdi-Führung wirklich zum 14. September den Vollstreik erklärt. Das wäre das erste Mal, dass eine Gewerkschaft die Lage vor den Wahlen ausnutzt und politischen Druck aufbaut, um einen Streik zu gewinnen.

Für solch einen politischen Streik braucht es auch andere Methoden. Statt Politiker­Innen von CDU, SPD und Grünen als „Bündnispartner“ zu gewinnen und auf den eigenen Kundgebungen reden zu lassen, sollten die Erzieherinnen die Aktionsmethoden aus dem Streik der Unikliniken aufgreifen: Systematischer „Besuch“ eines jedes Auftritts aller Bundes- und Landesminister tagein und tagaus, wobei die eigenen Forderungen und der Arbeitskampf in den Mittelpunkt der zu besuchenden Versammlung gestellt werden sollten. Festakte, Einweihungen, Pressekonferenzen und Wahlversammlungen gibt es dafür genug.

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