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Betrieb & Gewerkschaft

Welche Arbeitszeitverkürzung?

Von Jakob Schäfer | 01.02.2010

Die Detroiter Autoschau sollte Zuversicht ausstrahlen: „Die Krise ist vorbei. Es geht wieder aufwärts“. Aber die fundamentalen Wirtschaftsdaten sprechen eine andere Sprache, und wenn nicht bald für die Gegenwehr mobilgemacht wird, werden es die KollegInnen teuer bezahlen.

Die Detroiter Autoschau sollte Zuversicht ausstrahlen: „Die Krise ist vorbei. Es geht wieder aufwärts“. Aber die fundamentalen Wirtschaftsdaten sprechen eine andere Sprache, und wenn nicht bald für die Gegenwehr mobilgemacht wird, werden es die KollegInnen teuer bezahlen.

Gegenüber dem niedrigen Stand des BIP 2009 in den allermeisten Ländern (Deutschland -5 %) ist ein kleiner Anstieg für 2010 in keinem Fall ausreichend, um aus der Misere rauszukommen, schon gar nicht in der Autoindustrie und das aus mehreren Gründen:
Erstens ist die weltweite Konsumnachfrage nicht wegen der Bankenkrise eingebrochen, sondern wegen der im vergangenen Jahrzehnt so gewaltig aufgebauten Überkapazitäten. Ein Großteil der künstlich (weil vom Staat auf Pump) finanzierten Nachfrage im Jahr 2009 kann nicht umstandslos fortgeführt werden (s. dazu auch S. 4-5 in dieser Avanti).

Zweitens hat gerade die Abwrackprämie bewirkt, dass viele Menschen ihren Autokauf nur vorgezogen haben. Dies lässt sich in Deutschland, Frankreich usw. nicht einfach wiederholen.

Drittens ist die Bankenkrise immer noch nicht ausgestanden und kann schon 2010 zu neuen Einbrüchen führen.
Viertens ist letztlich das Wichtigste: Gerade in der Autoindustrie sind die Überkapazitäten alles andere als abgebaut. In China und Indien werden neue Werke gebaut, die tendenziell nicht nur den eigenen Markt abdecken werden, sondern auch auf die internationalen Märkte treten. Nach wie vor müssen wir von einer Überkapazität von annähernd 30 % ausgehen.
Welche Strategie?

In dieser Gesamtlage kann es eigentlich nur eine gewerkschaftliche Antwort geben: den Kampf um eine Verkürzung der Arbeitszeit! Aber sowohl der Gesamtbetriebsrat von Opel unter Führung des Co-Managers Klaus Franz als auch die IG Metall sind nicht bereit, ihren Kurs der besseren Unternehmensberatung aufzugeben. Die Betriebsratsspitze von Opel ist immer noch bereit – wenn kein Werk (etwa Antwerpen) geschlossen wird – Einkommensbestandteile der KollegInnen im Wert von jährlich 265 Mio. € für ein Linsengericht (einen „Unternehmensanteil“) zu verkaufen. Das wären laut Die Welt vom 28.8.09 bis 2014 satte 1,5 Mrd. € ohne irgendwelche realen Garantien für den Erhalt der Arbeitsplätze.

Nach ersten zaghaften kritischen Anmerkungen aus den Reihen der IG Metall im Bezirk Frankfurt (allerdings nicht von der Bezirksleitung) und stellenweise auch in NRW haben sich zum Jahresende die Reihen wieder fest geschlossen. Der Vorsitzende Huber hält sowieso demonstrativ zu Franz und scheut weiterhin jegliche Kursänderung.

In dieser Situation ist es zunächst gut, wenn der „Offene Brief“ einiger Professoren an die Betriebsräte von Opel darauf hinweist, dass Arbeitszeitverkürzung besser ist als Massenentlassungen1. Dieser Brief ist inzwischen weit verbreitet, aber seitdem ist die IG Metall-Führung noch mehr abgetaucht.

Leider geht der konkrete Vorschlag in dem „Offenen Brief“ nicht von einem Klassenstandpunkt aus. Schlecht daran ist im Besonderen:

  • Er stellt das VW-Modell (als dort die 28-Stundenwoche eingeführt wurde) als positiv dar. Dabei haben die KollegInnen diese Verkürzung immerhin mit einem realen Einkommensverlust (je nach Schichtplan) zwischen 6 und 8 % bezahlt.
  • Der Brief führt aus, dass mit dem vom Betriebsrat favorisierten Konzept „die Hauptlast der Krise dem vom Personalabbau betroffen Teil der Belegschaft aufgebürdet wird“. Wieso sollen die KollegInnen denn überhaupt einen Teil der Krisenlasten zahlen? Sind sie für die Krise verantwortlich?
  • Abzulehnen ist auch der Vorschlag, Staatsgelder für die Mitfinanzierung der Arbeitszeitverkürzung heranzuziehen.
  • Einen Lohnausgleich soll es lt. „Offenem Brief“ nur für die unteren Entgeltgruppen geben.

Darüber hinaus fehlt dem „Offenen Brief“ eine weiterreichende Perspektive. Weder wird dort die Eigentumsfrage aufgeworfen noch die Umstellung der Produktion auf weniger klimaschädliche Produkte und auf den Aufbau einer klimafreundlicheren Verkehrsinfrastruktur gefordert.

Eine längerfristig in sich schlüssige Perspektive ist nur über eine Inbesitznahme der Autoindustrie (anzufangen bei Opel) durch die Beschäftigten und die gesamte Gesellschaft umsetzbar (erst recht, wenn Standorte dichtgemacht werden sollen). Denn von einem privaten Autokonzern kann nicht die notwendige Abkehr von der klimaschädlichen Autoproduktion, d. h. die Umstellung der Produktion z. B. auf den Bau von Straßenbahnen, erwartet werden. Selbst wenn er es wollte, er hätte gar nicht die Mittel dazu.
Arbeitszeitverkürzung
Die dringendste Aufgabe und die besten Mobilisierungsmöglichkeiten liegen natürlich im Kampf für eine unverzügliche Arbeitszeitverkürzung bei vollem Entgelt- und Personalausgleich. Hier müsste jetzt im Betrieb und im Bezirk angesetzt und die aktuelle Tarifrunde ausgenutzt werden. Die Laufzeit des Tarifvertrags reicht bis Ende April, am 28. Mai erlischt die Friedenspflicht. Warum nicht bei Opel schon im Februar oder März mit Warnstreik-Aktionen für eine Arbeitszeitverkürzung beginnen? Die Änderung der Laufzeit bei den entsprechenden Bestimmungen im Manteltarifvertrag ist allein eine Machtfrage.

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