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Innenpolitik

Was will eigentlich Die Linke?

Von Ferdinand | 14.02.2012

Die Linkspartei hat heute große Probleme, ihre Konsolidierung zu bewerkstelligen. Sofort nach der Gründung in aufreibende Wahlkämpfe geworfen, fehlten die Kapazitäten, sich in Ruhe und mit gebotener Sorgfalt über die eigene Position Klarheit zu verschaffen.

Die Linkspartei hat heute große Probleme, ihre Konsolidierung zu bewerkstelligen. Sofort nach der Gründung in aufreibende Wahlkämpfe geworfen, fehlten die Kapazitäten, sich in Ruhe und mit gebotener Sorgfalt über die eigene Position Klarheit zu verschaffen.

Ein gemeinsames Verständnis als Partei ist bisher nicht entwickelt worden. Die Loyalitäten der meisten Mitglieder beziehen sich auf die jeweilige politische Strömung, der sie selbst angehören. Dabei werden von den Strömungen die Claims abgesteckt und darauf geachtet, dass niemand die Territorien verletzt.

Die Partei arbeitet nicht miteinander, sondern bestenfalls gemeinsam nebeneinander her. Bei Missachtung der Claims fällt man auch schon mal raufend übereinander her. Dabei gehört die große und überwältigende Mehrheit in der Partei der Gruppe der „Mitgestalter“ an. Diese teilt sich wiederum in einen pragmatischen Mehrheitskern mit dem Charme einer Ministeriumsverwaltung (Forum demokratischer Sozialismus, fds) und einer am traditionellen Reformismus vergangener Zeiten orientierten Minderheitsflügel (Sozialistische Linke, SL).
Beide verfügen über keine Konzeption, wie ihr eigener sehnlichster Wunsch der Einflussnahme auf die Krisenverwaltung des bürgerlichen Staates aktuell umsetzbar sein könnte.

Je mehr die SPD dieses Dilemma der Mehrheit begreift, umso rabiater springt sie mit der Linken um. Sie benutzt die Linke, um mittels riesiger reaktionärer Projektion von roten Teufeln sowie der Selbstdarstellung als soziale Kraft jeder linken Formierung das Lebenslicht auszublasen. Sie spielt damit in etwa die Rolle der US-Demokraten.
In völliger Verkennung der ihnen zugedachten Rolle und angesichts der gegen sie selbst arbeitenden Zeit meint nun das fds, die Linkspartei von allen „linken Spinnern“ säubern zu müssen, um endlich von der SPD als Partner angenommen zu werden.

Die fds-Funktionäre votierten auch nach der enttäuschend verlaufenden Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im September 2011, trotz des brüskierenden Verhaltens der SPD nach den Landtagswahlen in Thüringen (2009), Sachsen Anhalt (März 2011) und Mecklenburg-Vorpommern für ein Mitte-Links-Bündnis. Auch die trostlose Bilanz der Berliner Regierungsbeteiligung mit enormen sozialen Verschlechterungen für die Bevölkerung führte zu keiner Besinnung. Der Stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch: „Selbstverständlich wollen wir Regierungsverantwortung übernehmen. Man muss regieren wollen“ …. und weiter: „…man muss regieren können und es müssen die politischen Voraussetzungen stimmen.“

Die Kandidatur von Bartsch zum Parteivorsitz ist der Fehdehandschuh gegenüber den übrigen Parteiströmungen, der nun in den Ring geworfen ist. Je weiter sie ihren Vorstoß voranbringen, umso ununterscheidbarer wird das Profil der Partei von der SPD. Das kostet Wählerstimmen, wie Berlin in zwei Wahlen deutlich gezeigt hat. Der Wähler neigt schließlich immer zur Wahl des Originals statt der Kopie.
Die SL begreift dieses Dilemma sehr klar und versucht die Reinstallation einer reformistischen Partei zu betreiben. Sie will der SPD zeigen, was diese nach ihrer Auffassung „eigentlich“ zu tun hätte.
Dabei übersieht die SL, dass sich die Zeiten, besser: das Profitverhalten des Kapitals gewandelt hat und die Bereitschaft, bzw. die Notwendigkeit zur Duldung einer reformistischen Kraft heute vonseiten der Bürgerlichen keineswegs gegeben ist und die SPD dies auch in Rechnung stellt: Nicht umsonst hat die SPD gemeinsam mit Industriemanagern wie Hartz und Rürup Politik gegen ihre eigene Basis betrieben.
Die Minderheit
Die linke Parteiminderheit, die an der Notwendigkeit des Aufbaus einer sozialistischen Partei festhält, setzt sich aus Kommunistischer Plattform (KPF), Antikapitalistischer Linken (AKL) und Geraer Dialog zusammen. In NRW betreiben SL und AKL auf Landesebene eine Tolerierungspolitik gegenüber der SPD und stilisieren sich damit innerparteilich als Alternative zum sonstigen Politbetrieb der Partei.
Die KPF betreibt eine stille Sammlung und einen eigenen organisatorischen Aufbau innerhalb der Partei, während der Geraer Dia­log sich um die Funktion eines linken Braintrust abmüht.

Die AKL hatte ihren Status bislang noch nicht geklärt und hatte am 15. Januar  in Berlin eine Bundesversammlung mit ca. 100 Gästen. In der Programmdebatte der Partei war es ihr gelungen, die Forderung nach Auflösung der NATO und der Ablehnung von Auslandseinsätzen im Parteiprogramm zu verankern, was natürlich den von Bartsch gemeinten „politischen Voraussetzungen“ (siehe oben) diametral zuwiderläuft.
Die AKL geht von einer tiefen historischen Krise des kapitalistischen Gesellschaftssystems aus und fordert verbal den Aufbau einer gesamtgesellschaftlichen Bewegung, die die Systemfrage aufwirft.

Die dazu notwendigen praktischen Schritte werden nicht angegeben und die Arbeit wird ausschließlich auf die Arbeit in der Partei beschränkt, was natürlich die Glaubwürdigkeit der programmatischen Aussagen stark schmälert und das Fehlen eines politischen Konzepts verdeutlicht.
Eine eigene Organisationsstruktur mit Mitgliedschaftskriterien und Kassenführung wurde in Berlin mit dem Argument, keine „Partei in der Partei“ sein zu wollen, abgelehnt, obwohl andere Strömungen bereits so arbeiten.

Zugleich wurde beschlossen, beim Parteivorstand die offizielle Anerkennung als Parteiströmung zu beantragen. Warum nun die bisherige Begründung für die Nichtanerkennung ihre Gültigkeit verloren hatte, wurde nicht erläutert.

Auffällig war der einhellige Widerstand aller anwesenden Mandatsträger gegen die Etablierung einer eigenen Mitgliedschaft und der Wahl einer politischen Strömungsführung durch die Mitglieder.

Als Gegenargument wurde die zufällige Mitgliederzusammensetzung bei bisherigen Treffen angeführt, was mit festen Mitgliedschaftskriterien hinfällig wäre. Mit nur knapper Mehrheit von zwei Stimmen wird die Wahl der Führung durch eine Mitgliederversammlung abgelehnt. Stattdessen soll die Führung durch den Länderrat bestimmt werden, der analog zu den Parteistrukturen aufgebaut werden soll und die weitere „Verständigung“ der Mandatsträger ohne Basiseinmischungen garantiert.

Gegenüber dem bisherigen Zustand einer durch sich selbst ermächtigten „Führungsmannschaft“ mag das als Fortschritt erscheinen.
Obwohl in politischen Resolutionen und Beschlüssen der breitest mögliche internationale Widerstand gegen die Abwälzung der Krisenlasten beschworen wird, verengt die AKL ihre Praxis damit einzig auf das Machtgerangel in der Linkspartei und zerstört damit die Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen. Ihre Weigerung, die Fragen des Aufbaus einer breiten gesellscha
ftlichen Strömung auch nur ansatzweise zu stellen, degradiert diese Strömung zu einer weiteren Seilschaft innerhalb der Partei.

Mit ihrer Weigerung der Einführung fester Mitgliedschaftskriterien und der Gewährleistung eines demokratischen Aufbaus durch Basiseinheiten wird sie sehr schnell ihre Glaubwürdigkeit verlieren und lediglich als „Maulheldentruppe“ wahrnehmbar sein, die ihre Posten absichert.
Das mittlerweile völlig vergiftete innerparteiliche Klima (siehe neuester Skandal um das Papier aus Bayern)  setzt die unappetitliche Tradition der Tricksereien aus der Gründungsphase der Partei fort und wird weitere Mitgliederverluste forcieren.

Die unsägliche immer wieder aufflammende „Israeldebatte“ sowie die Blindheit für die Europafragen offenbart ein Denken in nationalstaatlichen Kategorien, ohne die Klassenfragen zu berühren.

Von einer „neuen Linken“ kann bei dieser Partei schon längst keine Rede mehr sein.  Dieses Projekt ist ein Rückschlag für all jene, die auf einen neuen linken Aufbruch gehofft hatten. Die Austritte nehmen zu und jene interessanten inhaltlichen Ansätze (wie die Bischof-Gruppe in Hamburg) versanden durch den resignativen Rückzug ihrer Protagonisten.

Die Partei wird als Wahlvereinigung sicherlich weiterhin ihre Funktion haben, indem sie linke Themen in der öffentlichen Debatte einspeist. Als gesellschaftlich wirksame Kraft zum Aufbau einer Gegenmacht ist sie eine herbe Enttäuschung für alle, die an einer strukturellen Änderung linker Politik interessiert sind. Um so dringlicher wird der Aufbau einer alternativen Struktur der Bewegungslinken.

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