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Wahlen ohne Wahl – Überblick über die EU-Stimmenabgaben

Von H. Hilse | 09.06.2014

Die Wahlen zum EU-Konstrukt dokumentieren ein tiefes Misstrauen gegen das Gebilde in Brüssel. Alle Parteien, die sich gegen die Zumutungen aus Brüssel stellten, werden nun unisono von der herrschenden Propaganda als „antieuropäisch“ gebrandmarkt. Die EU-Gegner konnten ihre Stimmenzahlen gegenüber der letzten EU Wahl verdreifachen, während linke Parteien europaweit knapp über der 5% Hürde landen, was sie in erster Linie den griechischen Wählern zu verdanken haben.

Es hätte so viele Themen gegeben, um die EU von links anzugreifen; angefangen bei den TTIP – Mauscheleien bis hin zu der Unverschämtheit der Generalkommission für Wirtschaft. Wie weit es mit der „Demokratie“ bei diesem Europakonstrukt der Banken bestellt ist, zeigt sich daran, dass nun die Staatschefs in einer Mauschelrunde den Kommissionspräsidenten ausloben, um ihn dann dem Europaparlament vorzuschlagen. Dabei riskiert der „kontinentale Block“ den Austritt der Briten, wenn sie sich auf den blassen Technokraten Jean-Claude Juncker einigen sollten. Auch Schweden und Polen steht dieser „Personalie“ ablehnend gegenüber.

Ebenso unklar, wer nun die europäische „Regierung“ bestimmt, ist auch unklar, wer das „ souveräne Wahlvolk“ spielen darf, da nach 28 verschiedenen Wahlsystemen nur die national antretenden Kräfte wählbar waren.

Der Bedarf nach einer ausführlichen Debatte darüber, was diesem EU-Konstrukt von links entgegengestellt werden soll, ist unübersehbar. Die Option einer „Mitgestaltung“ von links ist angesichts der strukturell fest in der Hand des europäischen und insbesondere des deutschen Kapitals befindlichen Konstruktes ein lächerliches Unterfangen, solange man nicht gleichzeitig gewillt ist, gegen diese westliche Form der „gelenkten Demokratie“ mit ihren nicht legitimierten Einrichtungen mit Massenmobilisierungen vorzugehen. Der vom neuen DGB ins Spiel gebrachte „Konvent“ zur Ausarbeitung einer alternativen EU-Verfassung dürfte spannend sein, wenn er denn ernst gemeint ist und von den „Bedenkenträgern“ nicht wieder eingestampft wird.

Der Wunsch des Wahlvolks, -sofern es sich noch am Wahlzirkus beteiligt- , nach Wiedererlangung seiner Souveränität (-die auch national nicht herstellbar ist ) drückt sich in der Wahl nationalistischer Parteien aus. Da die Linken sich nicht entscheiden konnten, ob sie diesem imperialistischen Gebilde etwas anderes entgegensetzen wollen, oder den Part des „Gestaltens in sozialem Auftrag“ übernehmen, blieb dem, der die Ablehnung des Projekts zum Ausdruck bringen möchte, nichts anderes übrig, als der Griff zu den Nationalisten. Der französische Front National konnte ein Viertel der Wähler für sich mobilisieren.

Schaut man jedoch auf die Zahlen, so stellt sich heraus, dass er 4 Millionen Stimmen erhielt. Es gab schon Zeiten, wo sie 2005 über 5 Millionen erhielten und großspurig die 6 Millionen anpeilten. Das französische Problem ist das völlige Desaster der traditionellen bürgerlichen (UMP) und sozialdemokratischen (PS) Massenformationen.  Bereits 1911 notierte Rosa Luxemburg zu einem möglichen europäischen Zusammenschluss unter der Führung des Kapitals: “Ist die Idee des europäischen Zusammenschlusses wirtschaftlich längst überholt, so nicht minder politisch. Sie ist im Grunde genommen nur ein demokratisch aufgeputzter Abklatsch der Idee vom Konzert der europäischen Mächte, das als der bewegende Mittelpunkt, als die Zentralsonne des politischen Weltalls die Geschicke entschied. …Und jedes Mal, wo bürgerliche Politiker die Idee des Europäertums, des Zusammenschlusses europäischer Staaten auf den Schild erhoben, da war es mit einer offenen oder stillschweigenden Spitze gegen die „gelbe Gefahr“, gegen den „schwarzen Weltteil“, gegen die „minderwertigen Rassen“, kurz, es war stets eine imperialistische Missgeburt.

Der linke Sozialdemokrat Tharnow zog die einzig richtige Konsequenz und forderte die „Sozialistischen Staaten Europas“, was jedoch in den nationalstaatlich agierenden Linken keinen Widerhall auslöste und bereits auf den späteren Kriegskurs (entgegen aller Beschlusslagen) verweist. Nur Trotzki übernahm später diese Losung. Die Stärkung Fraktion der Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL) im Europaparlament ist zwar vorhanden, aber ein eigenes Europaprojekt als Alternative zum Kapitalistenprojekt EU sucht man dort vergeblich. Die Zahl ihrer Mandate hat sich von bisher 35 auf jetzt 50 Sitze erhöht, was bedeutet Abgeordnete von 18 Parteien aus 14 Ländern arbeiten nun in dieser Fraktion zusammen. Erfreulich, dass das erst vor 4 Monaten gegründete spanische antikapitalistische Bündnis mit seiner klaren Haltung zur EU aus dem Stand heraus 8% holen konnte und erfreulich auch der Umstand, dass in der irischen Haupstadt Dublin eine Vertreterin  der SAV –Schwesternpartei ins Parlament gewählt wurde: Glückwunsch!

Und in Germoney?

Von der bürgerlichen Krisenpolitik  des Merkelismus wollte die CSU sich betont absetzen und zugleich den AfD – Rand abfischen. Das misslang und noch vor wenigen Monaten von der CDU umjubelt, muss sich die CSU nun hämische Bemerkungen von der Schwesterpartei gefallen lassen. Undank ist auch bei den „Christdemokraten“ der Weltenlohn.
Die deutsche PDL konnte mit 7,4% ihr Ergebnis von 2009 halten, obwohl sie 100 000 Stimmen an die AfD abgeben musste. Sie konnte jedoch 200 000 Stimmen hinzugewinnen. Die etwas höhere Wahlbeteiligung kam ihr dabei zu Hilfe. Kein Grund zum Jubeln.

Schaut man genauer hin, so zeigt sich eine Verlagerung der Gewichte. Grob liesse sich sagen, dass die Linke im Westen zulegen konnte, im Osten dagegen leicht verlor. In Mecklenburg-Vorpommern gewinnt die Linke nur leicht hinzu und in Brandenburg, der „rot-roten“ Vorzeigekoalition, verliert sie 4%. Hier bekam sie offenbar eine Quittung für ihre derzeitige Beteiligung an der Landesregierung unter dem SPD-Ministerpräsidenten Dietmar Woidke. Dass sich gegen die Koalition mit der SPD in dem Bundesland Unmut regt, erlebte die Partei auch schon beim Bundesparteitag – als KlimaschützerInnen gegen die konkrete Politik bezüglich des Braunkohletagebaus protestierten. In Sachsen ist die Linke zwar zweitstärkste Partei nach der CDU geblieben, verlor aber trotz gestiegener Wahlbeteiligung fast zwei Prozent ( jetzt 18,3%). Umgekehrt verhält es sich dagegen in Thüringen, wo ein Zugewinn von 2% zu verzeichnen ist. In Gera, Jena, Suhl und dem Ilm-Kreis ist die PdL stärkste Fraktion und in Eisenach konnten sie kräftig zulegen.

Prozentual gesehen, spielt NRW in einer ganz anderen Liga. In NRW konnte die PdL sich leicht von 4,3 auf 4,6% steigern. Allerdings leben in diesem Flächenland mehr Menschen, als in den 5 neuen Ostländern zusammen. Die Spitzenwerte erzielten in NRW Oberhausen und Wuppertal mit 8-Prozent-Ergebnissen. In realen Zahlen sind die Ergebnisse jedoch durchaus mit vielen Ostkommunen vergleichbar.
 
Deutlicher wird das Bild, wenn man  Städte und Stadtteile vergleicht, wo eine aktive Arbeit des linken Flügels auch ausserhalb des Politmanagements in den etablierten Strukturen spürbar oder eben nicht spürbar ist. Im ehemaligen Berliner Vorzeigebezirk Marzahn Hellersdorf, mit einer starken SED Traditionslinken setzt sich der Abwärtstrend der vergangenen Jahre fort, obwohl die Link
e dort mit 31,3%  noch stärkste Kraft bleibt. Das Gegenbeispiel ist Jena, wo die PdL mit 30 400 Stimmen stärkste Partei im Rat wird. wird und CDU und SPD überholt.

Mit 27 000 Stimmen hat die PdL in der größten Stadt von NRW, in Köln, vergleichbar viele Stimmen, wie in Jena erhalten, liegt damit aber in der Millionenstadt nur bei fast 7% – ein Plus von fast 10 000 Stimmen und eine fast drei prozentige Steigerung. Ähnlich verhält es sich in Dortmund, wo die PDL ihre Mandate verdoppeln konnte und 6,8 Prozent errang. Das ist seit 1952 die höchste Stimmenzahl für eine Partei links der SPD. Die SPD verlor dagegen in ihrer Hochburg 5,5 Prozent und erzielte somit ihr zweitschlechtestes Nachkriegsergebnis.

Es ist nicht zufällig, dass es in der Wahlnacht in Dortmund zum rechtsradikalen „Rathaussturm“ kam. Dort ist die PDL in der Antifaarbeit eine wichtige Kraft. Da dort in einem Stadtteil die Rechte einen Abgeordneten durchsetzen konnte (über 3%)  leitete die Partei DIE RECHTE daraus provokant das Recht zur Teilnahme an der „Wahlparty“ im Rathaus ab. Linke und SPD verhinderten den Zutritt und es kam zu einer Auseinandersetzung mit 12 Verletzten. Peinlich nur für die SPD, dass der als „SS-Siggi“ im Ruhrgebiet bekannte Anführer der Schläger jahrzehntelang im Ortsvereinsvorstand der SPD tätig war.

In Köln und Dortmund verfügt die AKL über zwei wichtige  NRW-Stützpunkte.  In beiden Städten beteiligten sich AKL-Mitglieder in den letzten Monaten aktiv an ausserinstitutionellen Protestaktionen und in beiden Städten liegt der Zuwachs der PdL über dem NRW- Durchschnitt.  In Köln konnte der  „linke Ratsherr“ Claus Ludwig (AKL und SAV) mit über 13 % das beste Ergebnis in seinem Wahlkreis für die Linke holen. Der „Dank“ der Partei dürfte allerdings schwach ausfallen, da die aktiven AKL- Mitglieder in NRW zunehmend innerhalb der PdL in Bedrängnis gebracht werden, da sie als „Unruhefaktor“ in dem konservativenProjekt wahrgenommen werden.

Deren eigene Rolle und Funktion als AKL innerhalb der Partei bleibt völlig also widersprüchlich: Wohlwollend gefördert als aktiver Parteiaufbauhelfer – abgelehnt als antikapitalistische Systemopposition entwickeln sie keine eigenen linken Projekte. Für antikapitalistische Linke gibt es eine große Menge Baustellen zu bearbeiten.

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