TEILEN
Betrieb & Gewerkschaft

Vivantes Berlin: Beschäftigte werden nicht gefragt – Hat die Gewerkschaft immer Recht?

Von Korrespondentin Berlin | 01.09.2004

Wie in vielen Betrieben und Büros der Republik, sollten auch beim Berliner Krankenhauskonzern Vivantes die Lasten der „Restrukturierung“ auf die Schultern der Beschäftigten abgewälzt werden. Auch diesmal half die Gewerkschaftsbürokratie von Ver.di durch Bevormundung, Verleumdung und Verrat an den Kolleginnen und Kollegen bei der Umsetzung der Vorstandspläne.

Wie in vielen Betrieben und Büros der Republik, sollten auch beim Berliner Krankenhauskonzern Vivantes die Lasten der „Restrukturierung“ auf die Schultern der Beschäftigten abgewälzt werden. Auch diesmal half die Gewerkschaftsbürokratie von Ver.di durch Bevormundung, Verleumdung und Verrat an den Kolleginnen und Kollegen bei der Umsetzung der Vorstandspläne.

Bereits seit Ende 2003 laufen Verhandlungen zwischen der Verdi-Tarifkommission und der Geschäftsführung über die Einsparung von 34 Mio. Euro zur Sanierung der Konzernprofite. Durch den so genannten „Notlagen-Tarifvertrag“ sollen die Beschäftigen bis 2008 auf ihr Weihnachts- und Urlaubsgeld verzichten. Dafür soll es bis 2010 keine „betriebsbedingten“ Kündigungen geben. Grund für die Verdi-Führung und die Betriebsratsmehrheit, diesem „Kompromiss“ zuzustimmen.
Dabei gibt es gleich mehrere Haken: Erstens werden über so genannte „sozialverträgliche“ Maßnahmen unter anderem über „Trennungsgespräche“ bis 2008 trotzdem 2500 Arbeitsplätze abgebaut. Zweitens gilt auch der Kündigungsschutz nur so lange, wie Vivantes nicht verkauft wird. Private Krankenhauskonzerne wie Rhön oder Helios haben schon Interesse bekundet und der Berliner Senat, egal welcher Couleur, wird nur zu gerne verkaufen.

Widerstand muss selbst organisiert werden

Der Betriebsratvorsitzende Volker Gernhard trat im Januar von seinem Posten zurück, als er merkte, dass die Betriebsratsmehrheit nicht bereit ist, diesen Plänen Widerstand entgegenzusetzen. Mehr noch, die KollegInnen, um deren Geld es geht, sollten noch nicht mal ge-fragt werden, was sie von solchen Plänen halten. Der Betriebsrat hob im Mai einen Beschluss auf, die Kolleginnen und Kollegen zu ihrer Meinung über den „Notlagen-Tarifvertrag“ zu befragen. Das schwache Argument: Die Verdi-Satzung sehe so et-was nicht vor. Ein Schuft wer Böses dabei denkt… Die oppositionelle Betriebsratsliste Gegen den Strom, in der auch Gernhard aktiv ist, organisierte die Beschäftigtenbefragung nun selbst. Um mit den Fragebögen über die Krankenhausstationen zu ziehen, wurden viele HelferInnen gebraucht. Das Netzwerk für eine kämpferische und demokratische Verdi (siehe Kasten) beschloss, die Aktion zu unterstützen und verteilte die Befragungsbögen in vier der neun Krankenhäuser.

Trotz der etwas unverständlichen Abstimmungsprozedur, bei der Name, Adresse und Abteilung von den KollegInnen angegeben werden mussten, beteiligten sich bis Ende Juli mindestens 500 Beschäftigte – und stimmten überwiegend gegen den Tarifvertrag. Offensichtlich gewann die Kampagne an Einfluss, denn die Gewerkschaftsbürokratie reagierte jetzt mit einer Lügenkampagne: Angeblich würden sich die KollegInnen vom Netzwerk als Betriebsräte ausgeben und mit „Amtsanmaßung“ den Betriebsfrieden stören, hieß es in einem Rundschreiben des Gesamtbetriebsrats. Außerdem mache man den KollegInnen falsche Hoffnungen, sie könnten über den Vertrag abstimmen und ihn damit verhindern.
Was bedeutet: Die Tarifkommission befürchtete, dass die KollegInnen in der Mehrheit gegen ihr Verhandlungsergebnis sind. Eine Befragung allein kann in der Tat keinen Tarifvertrag verhindern. Das kann nur ein wirklicher Kampf bis hin zum Streik. Aber eine Befragung kann kritische KollegInnen vereinen und Grundlage eines Kampfes werden. Das wissen die Verdi-Bürokratie und die Betriebsratsmehrheit nur zu gut, sie unterschrieben am 22. Juli ohne öffentliche Erklärung den Notlagentarifvertrag gegen den Willen zumindest sehr vieler KollegInnen. Gesichert wird dadurch nichts, es wird nur eine weitere Chance für wirksamen Widerstand gegen Sparpolitik auf Kosten der KollegInnen vergeben.

Verzichten geht alleine – sich wehren nur vereint

Der sowieso niedrige Organisationsgrad der Gewerkschaft bei Vivantes wird dadurch nicht steigen. „Verkaufen kann ich mich selbst, dafür brauche ich keinen Betriebsrat und keine ver.di“, drückt ein Kollege die Stimmung vieler aus. Das ist sicher richtig. Aber die nächsten Angriffe von Geschäftsführung und Senat sind absehbar. Und zum Kämpfen muss man sich mit anderen KollegInnen zusammentun und organisieren – vielleicht auch erst mal außerhalb von Verdi, im Netzwerk, bei Gegen den Strom oder in einer anderen Form.

Vivantes GmbH
entstand 1999 aus der Zusammenfassung der Städtischen Krankenhäuser. Der Berliner Senat übergab dem Unternehmen, das sich noch zu 100% im Landesbesitz befindet, Schulden in Höhe von 190 Mio. Euro, so dass die Beschäftigten jedes Jahr allein 5 Mio. Euro Zinsen erwirtschaften dürfen – die Lohnkosten für 100 PflegerInnen. Seit der Gründung wurden von früher 15 000 Stellen bereits 2 000 gestrichen.
Artikel teilen
Kommentare auf Facebook
Zur Startseite