Man kann sich bezüglich diesem und jenem Illusionen machen oder man kann die Sache formulieren wie sie ist: Sozialistische Organisationen haben ein Mitglieder- und ein Nachwuchsproblem. Zu wenige von uns Jugendlichen arbeiten aktiv dort mit, wo es unserer eigenen Zukunft förderlich wäre, und das hat auch seine Gründe.
Linke Verbände werden gerne totgeschwiegen, oppositionelle Kommunisten und Sozialisten ebenfalls, und jede Form der Konsequenz seitens Linker wird gnadenlos verteufelt. Dazu kommt die doch recht zurückhaltende (Nicht-)Präsenz von vernünftigen Organisationen.
Die ISO mal als Beispiel:
Ich bin auf sie aufmerksam geworden, als ich den Wikipedia-Artikel über Trotzkismus gelesen habe und mir die Rubrik „Organisationen“ angeschaut habe. Ansonsten haben ein paar Aktive aus dem Umfeld der LINKEN gesagt, dass sie Mitglieder kennen, als ich sie mal danach gefragt habe. Der Durchschnittsjugendliche macht sowas aber nicht und erfährt demnach nicht mal von der Existenz der ISO (zumindest nicht in Duisburg), geschweige denn, dass er sich für sie interessiert. Und selbst wenn wir soweit wären, ist da immer noch das Problem, dass viele von uns gerne mit Gleichaltrigen zusammenarbeiten, was innerhalb der ISO, nun ja, schwierig ist.
Aber dafür gibt es ja Jugendorganisationen, nicht wahr?
Ja, schon, aber die könnten auch etwas mehr Zulauf vertragen. Bei dem Mangel an angemessener politischer Bildung, Dämonisierung des Sozialismus und „Wegignorierung“ der Sozialisten von nebenan ist das auch nicht gerade verwunderlich. Wir müssen uns also selber darum kümmern und direkt als positive Kraft in Erscheinung treten.
Im Rahmen der Coronakrise ist dafür die Nachbarschaftshilfe von der LINKEN, Young Struggle und der AGIF ein gutes Beispiel, weil sie den Geholfenen im Gedächtnis bleiben wird, obwohl die Regionalpresse lieber über die Jusos berichtet. An dieser Stelle wird man auf Mundpropaganda hoffen müssen.
Wir müssen uns also selber darum kümmern und direkt als positive Kraft in Erscheinung treten.
Sollte Weltende aber mal vorbei sein, kann man den Leuten noch ganz andere Dinge bieten, die nicht offensichtlich politisch sind: Jede mögliche Art von Gemeinschaftsveranstaltungen, bei denen man sich austauschen und anfreunden kann. Gruppengefühl sollte dabei im Fokus stehen, die Menschen müssen sich angenommen und eingebunden fühlen. Dadurch erreicht man besonders notorische jugendliche Außenseiter, die keinen großen oder stabilen Freundeskreis haben, sehr gut.
Die Vorteile davon, sich erst anzufreunden und dann politisch zu werden, halte ich für immens.
Ersten ist der Mythos vom „roten Monster“ direkt vom Tisch, und zweitens ist man eher geneigt, mit Freunden zu Vorträgen, Kundgebungen etc. zu gehen oder Publikationen, die sie einem geben, anzunehmen, besonders wenn man skeptisch ist. Eine tatsächliche persönliche Beziehung ist der Fuß in der Tür.
Danach kommt die politische Bildung und der Unterschied zu Politsekten: keine Gehirnwäsche, keine Lügen, restlose Wahrheit. Stattdessen gilt es durch Theoriebildung und vernünftige Argumente systematisch Klassenbewusstsein zu schaffen und sämtliche falschen Vorurteile auszuräumen. Durch gemeinsam durchgeführte Aktionen wächst man in der Gruppe ganz von allein stärker zusammen.
Aber was tun bis dahin?
Es gibt eine weit verbreitete These, dass Linke den Einsatz von Memes nicht beherrschen. Ein Blick auf die Memepage der LINKEN auf Instagram oder auf die Facebook-Seite Sassy Socialist Memes führt diese aber ad absurdum. Ich wage zu behaupten, dass, was vor hundert Jahren eine Zeitung und Plakate auf öffentlichen Plätzen waren, heute eine Memepage ist, nämlich eine äußerst wichtige Methode der Einflussnahme: Teils komplexe Zusammenhänge werden sehr simpel und mit Humor rübergebracht. Eigentlich ideal für digitales Agitprop.
Problem: Soziale Medien sind auch käuflich und die Algorithmen kreieren nahezu hermetische Filterblasen, die keine neuen Inhalte zulassen und wenn überhaupt rechts und immer rechter werden. Besonders der Youtube-Algorithmus scheint Verschwörungstheoretiker zu sein.
Soziale Medien sind auch käuflich und die Algorithmen kreieren nahezu hermetische Filterblasen, die keine neuen Inhalte zulassen.
Aber Moment, wir sprachen von öffentlichen Plätzen. Die gibt es glücklicherweise immer noch, trotz sozialer Medien und Corona. Und da kann man auch „altmodische“ Plakate anbringen oder neumodischere Sticker. Ich verspreche euch, die Stickerbörse unter (halb-)linken Jugendlichen boomt, wer wer sein will, braucht Aufkleber.
Dazu kommt das sogenannte „Adbusting“, bei dem als eine Form der Kommunikationsguerilla Werbung auf öffentlichen Plätzen – häufig gesellschaftskritisch – verfremdet wird, und natürlich das klassische politische Graffito.
Mit der Einbindung wird es zurzeit ein bisschen schwer, aber die Zeit nach Corona berechtigt ja zu den schönsten Hoffnungen, nicht wahr?
Bis dahin: Sticker, Memes und fest und klar und heiter sein.
aus der Avanti O. April – Mai 2020