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Betrieb & Gewerkschaft

Telekom-Streik: Gebraucht wird die Unterstützung aller

Von Claudio Reiser | 01.06.2007

Seit Freitag, dem 10. Mai, wird bei der Deutschen Telekom AG gestreikt. In einer Urabstimmung, an der 93% der  Tarifbeschäftigten teilnahmen, haben 96,5% für den Streik gegen die Ausgliederung von 50 000 KollegInnen aus Call-Center- und Servicebereichen und den damit verbundenen Einkommensverlust von 40% gestimmt.

Seit Freitag, dem 10. Mai, wird bei der Deutschen Telekom AG gestreikt. In einer Urabstimmung, an der 93% der  Tarifbeschäftigten teilnahmen, haben 96,5% für den Streik gegen die Ausgliederung von 50 000 KollegInnen aus Call-Center- und Servicebereichen und den damit verbundenen Einkommensverlust von 40% gestimmt.

Den Streikauftakt machten Beschäftigte in Nordrhein-Westfalen, dort waren 3 000 Beschäftigte in rund 50 Städten beteiligt; in Bayern, Niedersachsen, Bremen und Hessen befanden sich jeweils 1 400 Beschäftigte im Streik. Insgesamt legten an diesem ersten Streiktag 11 000 Beschäftigte die Arbeit nieder, um gegen die ungeheuren Angriffe des Telekom-Vorstandes vorzugehen.
Öl ins Feuer

Dieser hatte noch zusätzlich Öl ins Feuer gegossen, als der Vorstandsvorsitzende Obermann, von den KollegInnen wegen seines aggressiven Vorgehens auch „Dobermann“ genannt, auf  der Hauptversammlung der Telekom-AktionärInnen am 3. Mai in Köln mit dem Verkauf von Teilen der Service-Sparte drohte, wenn sich die Belegschaft und die Gewerkschaft ver.di weiterhin gegen die Vorstandspläne zur Wehr setzen.

Auf der gleichen Versammlung erhielten die AktionärInnen die höchste Dividenden-Ausschüttung in der Geschichte der Telekom. Mit 3,1 Milliarden Euro lag sie sogar noch 100 Millionen höher als ein Jahr zuvor.

Für diese Summe könnten jedes Jahr 50 000 Telekom-Beschäftigte mit je 5 000 Euro im Monat beschäftigt werden.
Die Telekom hat 2006 einen Konzernüberschuss von 3,2 Milliarden erzielt, trotz des Personalabbaus von 32 000 Stellen allein im vergangenen Jahr, den sie sich rund 3 Milliarden Euro kosten ließ. Der Telekom geht es also verdammt gut, nur den Beschäftigten, die bisher noch im Unternehmen verblieben sind, geht es immer mehr an den Kragen.
Ausholen zum großen Schlag
Seit 1995 gab es fast 20 Umstrukturierungen. Die eine war noch nicht abgeschlossen, schon wurde mit der nächsten begonnen. Jetzt soll zum großen Schlag ausgeholt werden. Nach den Plänen von Obermann & Co. sollen ab 1. Juli 2007 50 000 Beschäftigte in den konzern­eigenen T-Service-Bereich ausgegliedert werden. Die Tarifbeschäftigten sollen nicht mehr wie bisher 34 Stunden in der Woche sondern 38 Stunden arbeiten, ohne irgendeinen Lohnausgleich zu bekommen. Die Telekom-Beschäftigten hatten schon im Jahr 2004 eine Verkürzung ihrer Arbeitszeit von 38 auf 34 Wochenstunden nur mit Teillohnausgleich erlebt – d.h. sie hatten schon damals auf 6,5% ihres Lohns verzichtet.  

Die Vorschläge des Telekom-Vorstands enthalten auch versteckte Arbeitszeitverlängerungen, wie z. B. Kürzungen von Rüstzeiten und Bildschirmpausen. Im ursprünglichen Vorstandsvorschlag waren noch 100 unbezahlte Überstunden im Jahr enthalten. Sie wurden nach den ersten Warnstreiks zurückgenommen.
Frontalangriff
Der nächste Frontalangriff richtet sich gegen die Löhne und Gehälter. Bei Neueingestellten sollen die Einstiegsgehälter 30-50% unter den bisherigen liegen. Die bereits im Unternehmen beschäftigten KollegInnen sollen 9% ihres Gehalts verlieren und zusätzlich noch drei Jahre auf jegliche Gehaltserhöhung verzichten. Das bedeutet eine nochmalige Kürzung von ungefähr 10%. Der Lohn soll noch variabler werden und zu 20-30% von Zielvereinbarungen mit dem Management abhängen. Die 9%ige Kürzung gilt nur für ein Jahr, danach ist sogar eine darüber hinaus gehende Reduzierung der Löhne und Gehälter möglich.
Arbeitszeit noch flexibler

Der Vorstand will noch flexiblere Arbeitsbedingungen durchsetzen, wie die jederzeitige bundesweite Einsetzbarkeit oder Versetzungsmöglichkeit der Beschäftigten und auch deutliche Verschlechterungen in den Vereinbarungen zum Rationalisierungsschutz. Auch die zusätzlichen Vergütungen bei Störungsdiensten außerhalb der Arbeitszeit und für Bereitschaftsdienste sollen drastisch reduziert werden.

Der Kündigungsschutz, der bis 2008 besteht, soll maximal bis 2010 verlängert werden. Einen Schutz gegen den Verkauf der geplanten GmbHs soll es über das Jahr 2010 hinaus nicht geben. Der Vorstand macht auch keinerlei Vorschläge zu bestehenden Regelungen der Altersteilzeit und der Zusatzrente.
Viel steht auf dem Spiel
Bei dieser Auseinandersetzung steht also sehr viel auf dem Spiel. Der Arbeitskampf hat weit über die Telekom hinaus eine große Bedeutung. Innerhalb der Telekommunika­tionsbranche ist die Telekom der mit einem Organisationsgrad von 70% am besten organisierte Betrieb. Es gibt in allen Bereichen dort eine Betriebsratsstruktur. Bei den Konkurrenzfirmen wie IBM, 1&1 oder auch web.de finden wir, wenn überhaupt, eine geringe gewerkschaftliche Präsenz vor, und in manchen dieser Unternehmen gibt es auch keine Betriebsräte.

Dieser Streik ist auch für die Gewerkschaft ver.di die Nagelprobe. Gelingt es nicht,  in einem solch hoch organisierten Betrieb mit einer solch kampfbereiten Belegschaft diesen Frontalangriff abzuwehren, ist allen Nachahmern von Obermann und Co. Tür und Tor geöffnet. Allerdings ist nicht nur die solidarische Unterstützung aller ver.di-Fachbereiche sondern die des gesamten DGB notwendig, um diesen Kampf gegen Arbeitszeitverlängerung und Lohndumping erfolgreich  zu bestehen.

 

BeamtInnen sind keine Streikbrecher!
Da bei den BeamtInnen nach den derzeitigen gesetzlichen Regelungen keine Kürzung der monatlichen Bezüge vorgenommen werden kann, sollen sie wie die BundesbeamtInnen 41 Stunden in der Woche arbeiten – ohne höhere Bezahlung.
Die BeamtInnen stellen fast die Hälfte der Telekom-Beschäftigten. Da sie kein Recht haben zu streiken, wird der Vorstand versuchen, sie zum Streikbruch anzuhalten. Wer zu entsprechender Mehrarbeit bereit ist, dem wird die Zahlung einer Prämie von 300 Euro in Aussicht gestellt.
Bei einer Solidaritätsabstimmung der BeamtInnen, an der sich 75% beteiligten, haben 96,9% von ihnen erklärt, sich mit den Streikenden solidarisch zu verhalten.
C.R.

 

 

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