TEILEN
Betrieb & Gewerkschaft

Tarifkampf Öffentlicher Dienst: Streik in Sicht…

Von Trixi Blixer | 01.04.2008

Nachdem die Tarifverhandlungen zwischen ver.di, GEW und dbb auf der einen und Bund und Kommunen auf der anderen Seite Anfang März gescheitert sind, wurde nun von den Arbeitgebern die Schlichtung angerufen. Nach Redaktionsschluss der Avanti wird ab dem 29. März erneut in Potsdam verhandelt werden. Die Gewerkschaften brachen die Tarifgespräche nach der fünften Runde in Potsdam ab und Innenminister Schäuble erklärte die Verhandlungen für gescheitert.

Nachdem die Tarifverhandlungen zwischen ver.di, GEW und dbb auf der einen und Bund und Kommunen auf der anderen Seite Anfang März gescheitert sind, wurde nun von den Arbeitgebern die Schlichtung angerufen. Nach Redaktionsschluss der Avanti wird ab dem 29. März erneut in Potsdam verhandelt werden.

Die Gewerkschaften brachen die Tarifgespräche nach der fünften Runde in Potsdam ab und Innenminister Schäuble erklärte die Verhandlungen für gescheitert. Daraufhin ergriffen die Arbeitgeber die Möglichkeit, eine Schlichtung anzurufen. Die Arbeitgeberseite schlug den ehemaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg Lothar Spät (CDU) als „unparteiischen Vorsitzenden“ vor, die Gewerkschaft nannte den OB Hannovers Herbert Schmalstieg (SPD). Die Schlichtungskommission besteht aus je zwölf VertreterInnen beider Seiten und den beiden Vorsitzenden, von welchen aber nur einer stimmberechtigt ist. Das ist diesmal Lothar Späth, da bei der letzten Runde der ver.di-Vertreter das Stimmrecht hatte. Die Arbeitgeber haben also in der Schlichtungskommission Stimmenmehrheit. Da ab dem dritten Tag nach Schlichtungsbeginn Friedenspflicht herrscht, wurde die meiste Zeit im März nicht gestreikt. Sieben Tage nach Schlichtungsbeginn müssen über die Einigungsempfehlung wieder Gespräche geführt werden. Wird sich nicht geeinigt, endet die Friedenspflicht und in der Gewerkschaft gibt es eine Urabstimmung über einen Streik.
Forderungen
Bis jetzt ist ver.di hart geblieben und hat 8% bzw. mindestens 200 € mehr gefordert. Das würde für die unteren Entgeltgruppen sogar mehr als die geforderten Prozente bedeuten. Mehr Geld ist für die meisten der 1,3 Millionen Beschäftigten bei Bund und Kommunen dringend notwendig. Auf eine Anfrage der Die Linke-Abgeordnete Sabine Zimmermann wurde bekannt, dass ca. 180 000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes zusätzlich ALG II beantragen müssen, da sie so wenig verdienen. Darunter befinden sich 33 000 LehrerInnen und ErzieherInnen, die mit ihren regulären Arbeitsplätzen trotzdem Hartz IV anspruchsberechtigt sind. Und mehr als 50 000 Beschäftigte aus Teilzeit- und Minijobs bei der Öffentlichen Hand sind auch auf zusätzliches ALG II angewiesen. Kein Wunder ist die Wut bei den KollegInnen so groß, jetzt für mehr – und real mehr! – in der Tasche zu streiken. Das hat auch schon die Mobilisierung bei den Warnstreiks gezeigt. In Bayern beteiligten sich an einem Streiktag bereits 28 000 KollegInnen, es wurden sogar an mindestens zwei Tagen die Kindertagesstätten bestreikt, ein Ereignis, das bisher sehr selten stattfand.
Streik machbar
Trotz der schwierigen Beschäftigtenstruktur im Öffentlichen Dienst, mit einer großen beruflichen und räumlichen Zersplitterung der KollegInnen, scheint diesmal ein harter Arbeitskampf tatsächlich machbar zu sein. Zu lange mussten die ArbeiterInnen und Angestellten mit immer weniger Geld und einer wachsenden Arbeitsbelastung zurecht kommen. Der Öffentliche Dienst wurde und wird v.a. zulasten der Menschen saniert. Dazu zählt, dass viele Stellen nicht neu besetzt wurden, die Aufgaben aber trotzdem gleich bleiben bzw. sogar noch zunehmen. Sei es in den Jugendämtern, die über die vielen Fälle der Kindswohlgefährdung inzwischen eine traurige Berühmtheit erlangten, oder bei den kommunalen Krankenhäusern: immer weniger Angestellte müssen immer mehr Arbeit bewältigen und ggfls. sogar dafür haften, wenn es sich um gesetzliche Aufgaben handelt. Und das bei einem sehr niedrigen Einkommen. Jetzt ist die Stimmung da: Es reicht! Diesmal wird der Streikwille auch nicht nur von den Linken in den Gewerkschaften beschworen, falls die ver.di-Führung nicht vorher mit der Schlichtung doch noch einen Kompromiss eingeht, wird es zum Streik kommen.

Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske hat sich bis jetzt hart gegeben: „Wir wollen eine deutliche Verbesserung der Löhne und Gehälter. Und wir wollen sie jetzt“, so erklärte er beim Abbruch der Gespräche in Potsdam. Jedoch reicht es in dieser Situation nicht, sich auf die Worte des Vorsitzenden zu verlassen. Zu oft hat die ver.di-Führung im Notfall lieber einen Kompromiss zulasten der eigenen KollegInnen geschlossen. Da aber die Stimmung bei den Mobilisierungen zu den Warnstreiks sehr kämpferisch war und viele KollegInnen den Aufrufen gefolgt sind, kann die Verhandlungsführung nicht einfach nachgeben. Wichtig ist auch während der Zeiten der Friedenspflicht im Gespräch zu bleiben und mit KollegInnen zu diskutieren, um Druck auf die Vorsitzenden auszuüben, jetzt keinen faulen Kompromiss einzugehen.

Ein solcher Kompromiss wäre, wenn ver.di dem Angriff auf die Arbeitszeit nachgeben würde. Die Arbeitgeberseite hat ja 5% mehr Gehalt bei einer Steigerung auf 40-Stunden / Woche vorgeschlagen. Da sich die Gewerkschaftsseite derzeit sehr stark auf die Einkommenssteigerung konzentriert und das „Fass Arbeitszeit lieber nicht aufgemacht werden soll“, wie aus ver.di-Kreisen zu hören ist, könnte der Arbeitskampf schnell in eine Sackgasse geraten. Im Moment ist nicht absehbar, ob evtl. die Arbeitszeit geopfert wird, um tatsächlich 8% durchzusetzen. Ein solcher Kompromiss wäre absolut fatal, denn es wäre ja nur scheinbar eine Einkommenserhöhung durchgesetzt worden. Deshalb müssen wir auf jeden Fall „das Fass Arbeitszeit“ aufmachen und fordern: Verteidigung der flächendeckenden 38,5-Stunden/Woche mit Ziel einer Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Einkommen!

Eine flächendeckende einheitliche Arbeitszeit muss deshalb verteidigt werden, damit die KollegInnen nicht noch weiter zersplittert werden. Sollte es zu branchen- oder sogar berufsspezifischen Arbeitszeiten kommen, wird es quasi unmöglich werden, gemeinsame Forderungen nach Arbeitszeiten aufzustellen und damit wäre nur den Arbeitgebern geholfen. Gerade beschäftigungsarme Sektoren und unorganisierte Teile würden bei einer solchen Regelung verlieren.
Und noch mehr!
In einer allgemeinen Tarifverhandlung, wie sie derzeit stattfindet, sollte sich ver.di auch nach außen hin nicht auf die eine Forderung konzentrieren. Schließlich sind einige Fehlentscheidungen, die mit der Einführung des Tarifvertrags des Öffentlichen Diensts (TVöD) getroffen wurden, wieder rückgängig zu machen. Mit dem Wechsel vom BAT zum TVöD wurde nicht nur formal der Tarifkomplex vereinfacht, sondern auch zulasten der KollegInnen verändert. Dabei wurde erst über die letzten zwei Jahre klar, was eigentlich alles im Detail verändert wurde.

So ist bis jetzt vollkommen unklar, wie die Leistungsorientierte Bezahlung (LOB) im Konkreten ausgeführt werden soll. Der Arbeitgeber darf 1% der Bruttolohnsumme ein
behalten, in einen Topf einbezahlen und dann am Ende des Jahres als Leistungsbonus ausschütten. Für die Modalitäten dieser Prämienbezahlung sollen Betriebsvereinbarungen geschlossen werden. Bis jetzt ist in den meisten Kommunen vollkommen unklar, wer nach welchen Kriterien entscheidet und wer dann mehr Geld bekommt. Ver.di hat sich mit der Einführung der LOB einverstanden erklärt und damit der Konkurrenz unter den KollegInnen zugestimmt – entgegen jeder gewerkschaftlichen Grundidee. Nun zahlen die KollegInnen einen Teil ihres Gehaltes in einen Topf, von dem sie vielleicht nie wieder etwas zurückbekommen. Um wieder zur alten Gehaltsstruktur zurückzukehren, fordern wir die sofortige Abschaffung von LOB, ohne Nachverhandlungen.

Auch muss sofort ohne Wenn und Aber die Entgeltgruppe 1, die Niedrig­lohngruppe, im TVöD abgeschafft werden. Da helfen auch keine 8% mehr Lohn, die KollegInnen verdienen einfach deutlich zu wenig, um davon zu leben.

Mit der Einführung des TVöD wurde auch die Meistbegünstigtenklausel eingeführt, die besagt, dass falls ein Betrieb des Öffentlichen Dienstes schlechter als der Tarif abschließt, sich die anderen per Öffnungsklausel gleiche Bedingungen erzwingen können.

Diese drei Punkte halten wir für wesentlich in dieser Tarifauseinandersetzung. Da die ver.di-Führung aber mitverantwortlich für ihre Einführung ist, hat sie bis jetzt noch nicht zu ihrer Abschaffung beigetragen. Auch weitere Öffnungsklauseln müssen verhindert werden und da gilt es, die Vorschläge genau zu studieren. Jede Einführung, auch bei kleinen Details, von Betriebsvereinbarungen bedeutet, dass der Flächentarifvertrag geschwächt wird. Das geht v.a. zulasten der Beschäftigten in den kleinen Kommunen ohne starke gewerkschaftliche Organisierung. Sie haben bei den Betriebsvereinbarungen wenig Chancen sich durchzusetzen.

Ein Streik ist in Sicht – unterstützen wir ihn mit allen Kräften!

25.03.2008

Zum Flugblatt des RSB zur Tarifrunde im Öffentlichen Dienst (01.04.2008)

Artikel teilen
Kommentare auf Facebook
Ähnliche Artikel
Zur Startseite