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Betrieb & Gewerkschaft

Tarifauseinandersetzung bei Erzieher­­Innen und Sozialpädagog­­Innen im öffentlichen Dienst

Von Larissa | 01.06.2009

Unter dem Motto „Chancen fördern – Anerkennung fordern“ wird seit Anfang diesen Jahres – losgelöst von anderen Bereichen und Themen des großen Tarifvertragswerks im öffentlichen Dienst (TVÖD) – die neue Entgeltordnung diskutiert, wie sie speziell für den Sozial- und Erziehungsdienst gelten soll. 

Unter dem Motto „Chancen fördern – Anerkennung fordern“ wird seit Anfang diesen Jahres – losgelöst von anderen Bereichen und Themen des großen Tarifvertragswerks im öffentlichen Dienst (TVÖD) – die neue Entgeltordnung diskutiert, wie sie speziell für den Sozial- und Erziehungsdienst gelten soll. 

Es geht darum, in welche Entgeltgruppen Erzieher­­Innen und Sozialpädagog­­Innen eingewertet werden sollen. Das heißt wiederum, wie viel sie verdienen sollen und welche Aufstiegsmöglichkeiten bzw. Veränderungsmöglichkeiten sie haben sollen. Diese Verhandlungen sind die ersten dieser Art und sie haben eine Vorreiterrolle für andere Berufsgruppen, die alle für den TVÖD verhandelt werden müssen. Bis jetzt sind wir noch angelehnt an den alten BAT in einem Übergangstarifvertrag eingruppiert.
Sicher kann es als bedenklich angesehen werden, dass in Tarifverhandlungen einzelne Berufsgruppen herausgegriffen und separat verhandelt werden, da dies natürlich zu Aufspaltungen führt und gemeinsame, große Kämpfe eigentlich nicht erlaubt. Andererseits ist der gewerkschaftliche Organisationsgrad gerade in der Verwaltung äußerst niedrig und Mobilisierungen gehen über „aktive Mittagspausen“ in der Regel nicht hinaus.

Anders im Bereich der Erzieher­­­Innen und Kinderpfleger­­­Innen: Seit den großen Mobilisierungen und Warnstreikaktionen im Rahmen der Tarifverhandlungen im letzten Jahr hat sich die Anzahl der Gewerkschaftsmitglieder in dieser Berufsgruppe verdreifacht.
Lage und Forderungen
Für Erzieher­­­Innen fordern Ver.di und GEW die Eingruppierung in Entgeltstufe 9 – jetzt sind Erzieher­­Innen zwischen EG 6 und EG 8 eingestuft, je nachdem, in welcher Gemeinde/Kommune und seit wann sie angestellt sind. Viele genießen noch den Bestandsschutz aus Zeiten des BAT und sind in EG 8 geblieben,  Neueinstellungen werden jedoch häufig in EG 6 (Verdienst bei Vollbeschäftigung 1 922 bis 2 474 € brutto) gemacht.

Für Sozialpädagog­­­Innen fordern Ver.di und GEW EG 10 bzw. EG 11, je nach Art der Tätigkeit. Bisher sind diese i.d.R. in EG 9 eingestuft (entspricht einem Verdienst von 2 237 bis 3 211 € Brutto).

Hierbei geht es – wie schon das Motto sagt – nicht nur um mehr Geld in der Tasche, sondern auch um eine Aufwertung dieser typischen Frauenberufe. Angesichts dessen, dass Bildung immer wichtiger wird und dass Kinder nicht mehr „nur“ betreut werden, sondern schon vor Schuleintritt möglichst viel lernen sollen und auch Kindergärten „Bildungseinrichtungen“ sein sollen, sind die Anforderungen im Bereich der Kindertagesstätten sehr gestiegen. Dem muss auch durch Entlohnung und Anerkennung Rechnung getragen werden.

Und auch in den Jugendämtern und Sozialdiensten wird mehr gefordert: Durch gestiegene Arbeitslosigkeit, zunehmende Verarmung in der Bevölkerung und größere Perspektivlosigkeit in Verbindung mit dem Abbau der sozialen Sicherungssysteme steigen Druck und Belastung von Mitarbeiter­­­Innen der Sozialdienste. Gleichzeitiger Personalabbau und Auflagen zum Sparen, sodass die notwendigen Hilfen nicht angeboten werden können, macht professionelle Helfer­­­Innen selber hilflos.

Nachdem sich in den bisher drei Verhandlungsrunden nichts bewegte und die „Arbeitgeber“ sogar eine niedrigere Eingruppierung vorschlugen, organisierte Ver.di am 6. Mai einen ersten ganztägigen Warnstreik – mit gutem Erfolg: Allein in München folgten ca. 2 000 Erzieher­­­Innen und Sozialpädagog­­­Innen dem Streik­aufruf und beteiligten sich an der Demonstration und der anschließenden Kundgebung im Zentrum der Stadt.
Gesundheit trotz Arbeit
Gleichzeitig zu den Verhandlungen der neuen Entgeltordnung forderten die Gewerkschaften die „Arbeitgeber“ auf, mit Verhandlungen für einen Tarifvertrag zur Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz zu beginnen. Wegen der Entgeltordnung kann im Augenblick (noch) nicht gestreikt werden.

Zu Verhandlungen über einen Gesundheitstarifvertrag haben sich die Arbeitgeber bisher nicht bereit erklärt. Hier sind Arbeitskampfmaßnahmen möglich und es wird auch gestreikt.

Am 15. Mai begannen die Streiks in verschiedenen Regionen Deutschlands, in München blieben ein Großteil der Kindergärten, Horte und Krippen in kommunaler Trägerschaft am 18. und 19. Mai geschlossen, bundesweit beteiligten sich mehr als 15 000 an den Streiks. Am 19. Mai waren in München auch die Sozialpädagog­­­Innen der Sozialdienste und des Jugendamtes aufgerufen. Hier war die Beteiligung leider nicht so groß. An der zentralen Kundgebung am 19. Mai beteiligten sich ca. 4 000 Erzieher­­­Innen, Kinderpfleger­­­Innen, Sozial- und Heilpädagog­­­Innen, wobei hier deutlich sichtbar die Beschäftigten der Kitas  – v.a. junge Frauen – dominierten: die Stimmung war gut, selbst verfasste Streiklieder wurden gesungen und neben den vielen Ver.di-Fahnen gab es auch fantasievolle, selbst gestaltete Tafeln und Transparente zu sehen.

Die Redner bezogen sich in München hauptsächlich auf die gesundheitlichen Belastungen der Erzieherinnen (sitzen auf kleinen Stühlen, hohe Lärmbelastung, Rückenprobleme durch schweres Heben, …).

Auch in den vorherigen Diskussionen wurde wenig über die Gesundheit der Beschäftigten der Jugendämter und des Sozialdienstes gesprochen, obwohl es hier einen großen Bedarf gibt und die Kolleg­­­Innen meiner Meinung nach gerade hier gut ansprechbar wären: viele Kolleg­­­Innen – eigentlich engagiert und motiviert – sind e­norm überlastet und können gerade noch das Wichtigste erledigen. Es entsteht der Eindruck, Not und Elend nur noch zu verwalten und nicht mehr wirklich Abhilfe schaffen zu können. Bürokratische Kontrolle und die Rechtfertigung der Arbeit durch Statistiken nehmen aber zu. Wenn Kolleginnen kündigen, sich versetzen lassen oder in Rente gehen, werden die Stellen oft nicht sofort nachbesetzt, sodass lange Vertretungen üblich sind. Häufige und lange Krankheitszeiten können da nicht verwundern. Wie viele Kollegen und Kolleginnen tatsächlich an Burn-Out-Syndrom leiden oder immer wieder kurz davor stehen, kann nur vermutet werden. 

Eine zentrale Forderung zum Erhalt der Gesundheit muss daher sowohl im Erziehungs- als auch im Sozialdienst, die Forderung nach mehr Personal sein. 
Streik in der Krise?
Trotz der Wirtschaftskrise stö&
szlig;t der Streik bisher auf positive Resonanz. Viele Elternbeiräte in den Kitas solidarisierten sich mit den Streikenden und auch die Medien berichteten bisher weitgehend positiv über den Streik. Dass bessere Arbeitsbedingungen den Kindern und deren Betreuung, Versorgung und Förderung  zugute kommen, ist auch den Eltern längst klar. Und wo Milliarden für Banken und Auto­konzerne ausgegeben werden können, sollte es auch etwas mehr Geld für unsere Kinder geben.

Wie die Stimmung sein wird, wenn der Streik – wie geplant – in der letzten Maiwoche weitergeht und evtl. sogar noch länger andauert, lässt sich schwer voraussagen. Der Druck für Eltern und „Arbeitgeber“, die nicht wissen, wohin mit den Kindern, wird aber zunehmen.

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