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Innenpolitik

Sozialabbau: Reagonomics à la Merkel

Von Thadeus Pato | 01.11.2009

Als der B-Schauspieler Ronald Reagan 1980 das amerikanische Präsidentenamt antrat, behauptete er, gleichzeitig die Steuern senken, die Schulden abbauen und die Wirtschaft ankurbeln zu können. Die Kommentator­Innen erfanden dafür den Begriff „Reagonomics“. Andere bezeichneten es schlicht als „Voodoo-Ökonomie“. Die schwarzgelbe Koalition scheint sich ein Beispiel an Reagan genommen zu haben.

Als der B-Schauspieler Ronald Reagan 1980 das amerikanische Präsidentenamt antrat, behauptete er, gleichzeitig die Steuern senken, die Schulden abbauen und die Wirtschaft ankurbeln zu können. Die Kommentator­Innen erfanden dafür den Begriff „Reagonomics“. Andere bezeichneten es schlicht als „Voodoo-Ökonomie“. Die schwarzgelbe Koalition scheint sich ein Beispiel an Reagan genommen zu haben.

Steuersenkungen kosten zunächst einmal Geld. Und Schulden hat ja der Bundeshaushalt eigentlich schon genug. Aber die Voodoo-Ökonomen der Koalition benutzen das gleiche ökonomietheoretische Argument wie seinerzeit die Reaganadministration: es handelt sich um die sogenannte Laffer-Kurve, benannt nach dem amerikanischen Ökonomen Arthur B. Laffer, nach der die Steuereinnahmen ab einem gewissen Punkt der Steuerbelastung zu fallen beginnen, also theoretisch bei einer Steuersenkung mittelfristig steigen. Der Pferdefuß dabei ist, und das bestätigte sich auch während der Regierungszeit von Reagan, dass zunächst einmal Einnahmeausfälle für den Staat die Folge sind. Und die müssen selbstverständlich gegenfinanziert werden. Reagan gelang das nicht so recht. Am Ende seiner Amtszeit hatten sich die Staatsschulden um 179 % erhöht.
Steuersenkungen …
Die Koalitionäre haben sich etwas einfallen lassen, was der Ziehvater der Bundeskanzlerin, Helmut Kohl, in ähnlicher Form nach dem Mauerfall bereits praktizierte: Schulden aufnehmen und sie in einem Sondervermögen verstecken. Das nennt sich heute „Schattenhaushalt“ und soll schlappe 60 Milliarden Euro umfassen. Für die aufgetauchten verfassungsrechtlichen Bedenken wird sich schon noch ein Schlupfloch finden. Wie diese Schulden dann bezahlt werden sollen, darüber wird sich ausgeschwiegen, allenfalls wird auf den zu erwartenden Aufschwung verwiesen.
… und wer sie bezahlen wird
Auch bei Reagan wurden in den achtziger Jahren nicht nur einfach die Steuern gesenkt. Wenigstens zum Teil wollte er das Geld wieder hereinbekommen. Es wurden hierzu zwei Hebel angesetzt: der eine an der Arbeitsmarktpolitik – die entsprechenden Mittel wurden gegenüber der Carter-Administration um sage und schreibe 75 % gekürzt. Zum zweiten wurden ein Teil der Sozialausgaben auf die Bundesstaaten verlagert und die Zuschüsse von Bundesseite gekürzt: Am Ende der Reagan-Ära im Jahr 1988 lagen sie wieder auf dem Level von 1965.

Die Koalition hält sich derzeit noch bedeckt. Ob man erst noch die Wahlen in NRW abwarten oder „nur“ die notwendigen Grausamkeiten scheibchenweise verkünden will, ist dabei unerheblich. Klar ist, dass es einen Wirtschaftsboom, der durch Steuermehreinnahmen das riesige Schuldenloch stopfen könnte, nicht geben wird. Dazu wären Wachstumsraten nötig, die es in den letzten zwanzig Jahren nicht gegeben hat. Steuererhöhungen sind nach den vollmundigen Versprechungen beider Koalitionspartner im Wahlkampf zumindest derzeit nicht möglich.

Es bleiben als zu schlachtendes Sparschwein die Sozialausgaben. Der Anfang ist schon gemacht: Die Pflegeversicherung soll teilweise auf eine Pauschale umgestellt werden und der Arbeitgeberanteil entfallen. De facto handelt es sich dabei um eine Lohnkürzung. Der Ausverkauf der öffentlichen Krankenhäuser geht ungebremst weiter, die privaten Klinikkonzerne haben sich darauf bereits vor der Wahl mit Kapitalerhöhungen vorbereitet. Die Umstellung der Krankenversicherung auf ein (zunächst noch leicht abgemildertes) Kopfpauschalensystem bei gleichzeitigem Einfrieren des Arbeitgeberanteils öffnet die Tür für die endgültige Privatisierung des Gesundheitswesens. Und dann ist noch etwas im Gespräch, was fatal an Ronald Reagan erinnert: Die Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit sollen reduziert werden. Wie? Auch darüber schweigt man sich derzeit aus.

Klar ist  eines: Unternehmer­Innen, Erb­­Innen von Unternehmen und nicht zuletzt die Bundeswehr werden nicht zur Kasse gebeten. Man muss kein Prophet sein, um festzustellen, dass die Zeche deshalb logischerweise von den abhängig Beschäftigten, Arbeitslosen, Armen und Kranken bezahlt werden wird. Wie bei Reagan.

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