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Länder

Sexuelle Gewalt – ein Mittel der Machtausübung

Von Barbara Schulz | 01.07.2011

Kriege werden immer stärker Kriege gegen die Nichtkämpfenden. Nicht nur, dass Zivilpersonen in die Kämpfe hineingezogen werden, sie werden gezielt bekämpft.

Kriege werden immer stärker Kriege gegen die Nichtkämpfenden. Nicht nur, dass Zivilpersonen in die Kämpfe hineingezogen werden, sie werden gezielt bekämpft.

Im Hildebrandslied des 9. Jahrhunderts kämpfen die Heerführer – Hildebrand und Hadubrand – gegeneinander. Es war – ein wenig verkürzt – ein Kampf um Ehre, und tragischerweise ist es ein Kampf zwischen Vater und Sohn. Aber es kämpfen die betroffenen Männer. Irgendwie verlockend, sich Generäle oder gar Minister im Zweikampf vorzustellen. Das frühe 21. Jahrhundert trägt Kämpfe auf Kosten von Frauen und Kindern aus. Die Gewalt gegen Nichtkämpfende ist ein integraler Bestandteil der Kriege. Systematische Vergewaltigungen sind eine „Waffe“ im Krieg. Vergewaltigt werden nicht nur Frauen, sondern auch Kinder und Männer. Traumatisierung ist auch bei ihnen die Folge, aber bei Frauen hat die Gewalt manchmal auch Schwangerschaften zur Folge. Wer kann abstrahieren von der Gewalt, aus der ein Kind entstand? Für die Frau ist es ein ständiger Makel. Die Gesellschaft ist oft nicht in der Lage, die Frauen in ihrer Not anzunehmen. Irgendwie sind sie mitschuldig, mensch könnte denken, einfach weil sie Frauen sind. Vergewaltigungen zerstören auch gesellschaftlich. Dorfgesellschaften etwa in Schwarzafrika werden in ihren Strukturen zerstört, eine Kompensation wurde noch nicht gefunden. Krieg brutalisiert Gesellschaften.
Libyen
Gegenwärtig wird besonders für Libyen von systematischen Vergewaltigungen berichtet. Den Soldaten Gaddafis werden organisierte Massenvergewaltigungen vorgeworfen. Im März drang eine Frau – Iman al-Obeidi – in eine Journalistenkonferenz ein und berichtete, dass sie mit anderen von 15 Soldaten Gaddafis tagelang festgehalten und vergewaltigt worden sei. Sie wurde vor laufender Kamera von Sicherheitsleuten weggezerrt und verschwand für einige Tage.

Mittlerweile ist sie über Tunesien, Katar, Bengasi nach Rumänien in ein Flüchtlingslager der UNHCR gelangt, wo sie betreut wird. Sie ist vielleicht in der Lage, gegen die Kriegsverbrecher auszusagen, was offensichtlich sehr schwer ist. Krankenhäuser, die Frauen aufnehmen, sehen diese von allen Seiten bedroht. Manche sind zudem auch mit Aids infiziert. So gehen Frauen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus in den Tod, weil sie keinen Platz mehr für sich im Leben sehen.

Es überrascht, dass Journalist­Innen vor Ort von Frauen in großer Zurückhaltung (was ihre Zukunft in einem neuen Libyen betrifft) die Formel: „So Gott will“ hören.
Ägypten
In Ägypten werden die Vorgehensweisen des alten Regimes gegen aufmüpfige Frauen angewendet. Verhaftete Demonstrantinnen wurden festgesetzt, teilweise misshandelt; sie mussten sich entkleiden und konnten von männlichen Sicherheitskräften fotografiert werden. Zudem wurden sie gezwungen, sich einem „Jungfrauentest“ zu unterziehen. Sollten sie sich als nicht jungfräulich erweisen, wurde ihnen mit Anklage wegen Prostitution gedroht. Die Militärs verteidigten ihr Vorgehen damit, dass sie Beschuldigungen vorbeugen wollten, sie hätten vergewaltigt. Mir als Frau erschließt sich der Zusammenhang nicht, aber mich empört die Verächtlichkeit gegenüber der Integrität von Frauen.
Europa
Auf niederer Ebene bewegen sich die sexuellen Übergriffe im Alltag. 2003 gaben in einer Studie mehr als die Hälfte der Teilnehmenden an, mindestens einmal Opfer sexueller Belästigung gewesen zu sein. In der EU geben 35 % der berufstätigen Frauen an, dass sie am Arbeitsplatz sexuell belästigt wurden, in Deutschland sind es 22 %. Dabei stehen die Opfer zumeist unten in der Hierarchie. Aber auch Frauen, die als direkte Konkurrentinnen gesehen werden, kann Mann so „in ihre Schranken weisen“. Täter festigen so ihre Vorrangstellung und ihr Selbstwertgefühl.

Es ist immer sehr schwer, sich zu wehren. Fachfrauen sagen, ignorieren helfe nicht, wichtig sei es, Verbündete zu finden. Aber Belästiger leugnen zumeist, solange es geht. Oder das Geschehen war „einvernehmlich“. Frau kann nur durchhalten, wenn sie sich ein kollegiales Umfeld geschaffen hat. Dann kann eine Beschwerde bei Arbeitgeber und Betriebsrat für Abhilfe sorgen. Häufig geht das aber nicht gut aus für die Betroffene. Solidarität ist gefragt!

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