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Innenpolitik

Prekarisierung und Klassenstruktur (1.Teil)

Von Walter W. | 01.04.2007

Die rasante Ausbreitung prekärer* Arbeits- und Lebensverhältnisse ist nicht nur Objekt wissenschaftlicher Analysen sondern eine konkrete Herausforderung für die Entwicklung einer revolutionären Klassenpolitik. Bereits 29 % aller Beschäftigten arbeiten unter prekären Bedingungen. Damit ist nicht nur das kaum noch oder nicht mehr garantierte finanzielle Existenzminimun gemeint, sondern auch die allgemeinen Rahmenbedingungen ihres gesamten Lebens. Hiermit wollen wir uns in dieser Artikelserie  auseinandersetzen.

Die rasante Ausbreitung prekärer* Arbeits- und Lebensverhältnisse ist nicht nur Objekt wissenschaftlicher Analysen sondern eine konkrete Herausforderung für die Entwicklung einer revolutionären Klassenpolitik. Bereits 29 % aller Beschäftigten arbeiten unter prekären Bedingungen. Damit ist nicht nur das kaum noch oder nicht mehr garantierte finanzielle Existenzminimun gemeint, sondern auch die allgemeinen Rahmenbedingungen ihres gesamten Lebens. Hiermit wollen wir uns in dieser Artikelserie  auseinandersetzen.

Klassenpolitisch geht es um eine zeitgemäße Analyse der „Stratifikation [Schichtung] der Klasse in historischer, ökonomischer, sozialer und kultureller Hinsicht“ (Ernest Mandel), die das historische Werden der ArbeiterInnenklasse  ausdrückt. Dabei entdecken zeitgemäße Mainstream-Ideologen schon ein neues „Prekariat“ am Horizont, das als neues potentiell revolutionäres Subjekt ausgemacht wird. Randgruppentheoretiker wie Herbert Marcuse erfahren hier eine fröhliche Auferstehung. Dabei gehören die Prekären auf dem Arbeitsmarkt genauso zum Proletariat wie die relativ gut bezahlten Arbeitskräfte. Beide sind, unter unterschiedlichen Voraussetzungen gezwungen, ihre Ware Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt zu verkaufen, um ihre Reproduktion zu sichern. In einem Klima der Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes oder mit einer bereits eingetretenen Erwerbslosigkeit findet eine zunehmende Verschlechterung der zwischenmenschlichen Beziehungen statt, für die Mobbing, Stalking, vermehrte Gewalt, Drogen, mangelnder Umgang mit Sprache oder Vereinsamung nur Beispiele sind. Es handelt sich nicht mehr nur um ein Randphänomen, wie Pierre Bourdieu richtig vermerkte, sondern es erreicht auch gesicherte Einkommensgruppen. Und der französische Sozialwissenschaftler Robert Castel formuliert zutreffend: „Prekarität ist weder etwas Marginales noch etwas Temporäres. Es ist ein stabiles, chronisches, objektives Phänomen.“ In der BRD ist mit Hartz IV, sinkenden Renten, Ein-Euro-, Mini- und Midi-Jobs etc. die Prekarisierung zu einem sozialen Problem geworden, das immer größere Bevölkerungsschichten erfasst und daher von der Gesamtgesellschaft wahrgenommen wird. Revolten, „riots“ an der Peripherie der Metropolen wie in Paris, sind Ausdruck der sozialen Spannungen im Schatten der neoliberalen Prekarisierung.

*    prekär: unsicher, schwankend, misslich, unangenehm

 

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