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Innenpolitik

Opel: Enteignen statt entlassen – Straßenbahn statt Autowahn!

Von B.B. | 01.03.2009

Die Mehrheit bei CDU, SPD und Grünen weiß, was die Glocke geschlagen hat. Eine Staatsbeteiligung von 25 % muss her, um zunächst den krisengeschüttelten Autokonzern Opel vor der Pleite zu retten, und später das profitabel gemachte Unternehmen wieder ausschließlich dem Kapital zu überlassen.

Die Mehrheit bei CDU, SPD und Grünen weiß, was die Glocke geschlagen hat. Eine Staatsbeteiligung von 25 % muss her, um zunächst den krisengeschüttelten Autokonzern Opel vor der Pleite zu retten, und später das profitabel gemachte Unternehmen wieder ausschließlich dem Kapital zu überlassen.

Demnach könnte Opel von dem angeschlagenen US-Konzern General Motors (GM) getrennt und den Bundesländern Hessen, NRW, Thüringen und Rheinland-Pfalz für die Standorte Rüsselsheim, Bochum, Eisenach und Kaiserslautern – ähnlich wie beim VW-Gesetz – ein Mitspracherecht bei wesentlichen Konzernentscheidungen gegeben werden. Nicht unwahrscheinlich ist, dass Opel dann einem europäischen Automobilkonzern zugeschlagen wird (aktuelle Anwärter sind BMW und Daimler).
Die erste Pleite traf den Marktradikalismus
Für knallharte Marktradikale in FDP und CDU ist die bloße Vorstellung einer Staatsbeteiligung bei Opel schlimmer als die mögliche Pleite mit dem Verlust von 40 000 Arbeitsplätzen in der BRD und im übrigen Europa, zu denen noch mindestens 140 000 in der Zulieferindustrie kommen würden. Verschiedene PolitikerInnen der CDU sprechen sich strikt gegen eine Staatsbeteiligung bei Opel aus. Die FDP, die die Glaubwürdigkeit der Neoliberalen verteidigt, warnte vor einem „Volkseigenen Betrieb Autobau“. In der größten Weltwirtschaftskrise seit 1929 droht nicht nur Opel und mancher Bank die Pleite. Zu allererst hat die Ideologie des Marktradikalismus Bankrott gemacht.
Der Sanierungsplan von GM
Die US-Regierung will erneut den angeschlagenen Autokonzernen General Motors und Chrysler insgesamt 7 Mrd. US-Dollar bewilligen, nachdem sie Ende 2008 bereits 9,4 Mrd. US-Dollar bekommen hatten. Der Sanierungsplan, den GM vorlegen muss, sieht Massenentlassungen und Kapazitätseinschränkungen von 30 % bei den Unternehmen von GM vor, darunter bei den Töchtern Opel in Deutschland und Vauxhall in Großbritannien. Das würde auf Werkschließungen hinauslaufen. Hintergrund ist die klassische Überproduktionskrise (s. Avanti S. 10). Zudem ist der Marktanteil der Automarke Opel von 1994 17 % auf 2009 8,4 % gefallen.
Straßenbahn statt Autowahn
In der Diskussion um den staatlichen Einstieg bei Opel schwingt auch die Frage mit, welche Produktion sinnvoll ist. Die Grünen treten für die „ökologische Modernisierung“ von Opel ein.  Dessen Bochumer Betriebsratsvorsitzende befürwortet den Bau des Elektro-Serienfahrzeugs „Ampera”. Die „Abwrackprämie“ hat (vorübergehend!) die Nachfrage nach dem Opel-Corsa spürbar ansteigen lassen, worauf die Kurzarbeit zurückgefahren wurde. Das alles ist nichts anderes als ein „weiter so“ der Autogesellschaft, nur notdürftig ökologisch verkleidet.

Was letztlich ansteht, ist nicht ein „Einstieg“ des Staates, der nur Löcher stopft, aber nicht in der Lage ist, die Konversion der Autoindustrie umzusetzen und den Weg aus der Autogesellschaft einzuleiten. Die einzig sinnvolle Perspektive, die sowohl dem Klimawandel entgegenwirkt als auch dem Mobilitätsbedürfnis der Menschen gerecht wird und die Arbeitsplätze sichert, ist die Übernahme aller Automobilwerke durch die Lohnabhängigen und die Umstellung der Produktion – nicht nur bei Opel – auf ökologische Verkehrssysteme (in erster Linie Straßenbahnen, aber auch Busse und Bahnen), sowie zur Garantie aller Arbeitsplätze, d. h. für ein „Verbot von Entlassungen“. Diese Politik ist von der Regierung, die letztlich nur die Kapitalinteressen bedient, nicht zu erwarten, sondern nur über eine breite Mobilisierung der betroffenen KollegInnen und der Öffentlichkeit durchzusetzen.
Das wäre die oberste Aufgabe der IG Metall. Stattdessen setzt sich deren Vorstand für einen Überbrückungskredit ein, der… die weitere Autoproduktion sicherstellen soll. Angesichts der Überkapazitäten ist dies ein Fass ohne Boden.
Linke Debatte um Enteignung
Die Debatte um die Verstaatlichung ist nicht nur auf bürgerliche Kreise beschränkt. In der Linken wird die Diskussion um die Enteignung allerdings schon länger kontrovers geführt. 2004 verteilte der RSB auf der Solidaritätsdemonstration mit dem Arbeitskampf bei Opel ein Flugblatt „Enteignen statt entlassen!“, das uns regelrecht aus den Händen gerissen wurde, obwohl es ein, zwei Dutzend linke Flyer gab. Anfang 2005 bei einer Veranstaltung des Bochumer Sozialforums und der Gruppe Gegenwehr ohne Grenzen (GOG), die bei dem Opel-Kampf eine wichtige innerbetriebliche Rolle spielte, kritisierte GOG-Sprecher Wolfgang Schaumberg die Flyer der verschiedenen linken Organisationen, wobei auch der RSB sein Fett abbekam. Genosse Schaumberg zitierte unseren Flyer: „Opel in Gemeineigentum! Enteignen statt entlassen! (…) Die Landesverfassung NRW gibt dazu die Möglichkeit. (…) Jetzt gilt es, Artikel 27 durchzusetzen!“, um anschließend zu schulmeistern: „Wer mitten im Kampf solch eine Forderung – im Unterschied zu einer sinnvollen Anregung zu einer viel umfassender zu führenden Debatte – unter die Leute haut, blamiert eher nur alle Radikalen“. Damals trat ihm ein Betriebsrat aus der Autoindustrie entgegen und fragte, wann wir denn die Enteignung fordern dürften, wenn nicht in einer Situation, wo Massenentlassungen anstünden?

Heute zeigt die Weltwirtschaftskrise, dass die Enteignungsforderung keineswegs eine „bekenntnishafte Leerformel“ ist, sondern eine wirkliche Kampfperspektive bietet. Wenn jedoch die klassenkämpferischen GewerkschafterInnen und die linken Organisationen die Diskussion um die „Verstaatlichung“ Frau Merkel, Herrn Steinmeier und den Grünen überlassen, begehen sie einen schweren politischen Fehler.

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