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Innenpolitik

Oberhausen: Bürgerentscheid gegen Privatisierung

Von Korrespondent | 01.10.2003

Am 28. September fand in Oberhausen ein Bürgerentscheid gegen den Verkauf des städtischen Kanalnetzes statt. Unabhängig von ihrem Ausgang wurde die Initiative „Hände weg vom Kanalnetz“ ein großer politischer Erfolg.

Am 28. September fand in Oberhausen ein Bürgerentscheid gegen den Verkauf des städtischen Kanalnetzes statt. Unabhängig von ihrem Ausgang wurde die Initiative „Hände weg vom Kanalnetz“ ein großer politischer Erfolg.

Oberhausens Bürgerinnen und Bürger mussten am 28. September die Frage beantworten: „Sind Sie gegen die Übertragung (Nutzungsüberlassung) der Kanäle und den Verkauf der städtischen Anteile an der WBO Abwasser GmbH und somit für die Aufhebung des Ratsbeschlusses vom 31.03.2003?" Wer also gegen diesen Schritt in Richtung Privatisierung war, musste mit JA stimmen (Ergebnis siehe Kasten).
Wie alles anfing
Schon 1996 gliederte die SPD in großer Koalition mit der „oppositionellen" CDU einen Teil der Stadtverwaltung als Wirtschaftsbetriebe Oberhausen (WBO) aus. Davon gingen 49 Prozent statt für einen geplanten Verkaufserlös von 85 Mio. DM am Ende für ganze 2 Mio. DM (!) an die Gesellschaft für Kommunale Dienste – ein Konsortium von Babcock und R & T, an der wiederum der Viersener Entsorger Trienekens beteiligt war. Bei Babcock und Trienekens handelt es sich um die Firmen, die auch in den Kölner Müllskandal verwickelt sind. 1998 stieg Babcock bei den WBO aus und Trienekens übernahm für 17 Mio. DM die Babcock-Anteile. Das brachte Babcock locker einen Gewinn von 16 Mio. DM.

In der Folge der Ausgliederung der WBO stiegen für die BürgerInnen die Gebühren für Müllentsorgung, Straßenreinigung und Stadtentwässerung. Denn seit 1996 mussten sie überhöhte Gebühren zu Marktpreisen statt zu Selbstkostenpreisen zahlen. Diese lt. Landesrechnungsprüfung „gesetzeswidrige Praxis der Gebührenkalkulation" kostete die Oberhausener SteuerzahlerInnen allein in den Jahren 1999/2000 rd. 9,2 Mio. DM. KlägerInnen wurden bis zu 30% der Gebühren erlassen, um ein Urteil zu verhindern.
SPD – die CSU des Ruhrgebiets
Die SPD war früher gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums. In ihrem "Kommunalpolitischem Handlungsprogramm 1984-1989" beschwor sie: "Der Ruf der CDU nach der Privatisierung kommunaler Leistungen ist keine Alternative. Es ist ein Trugschluss, dass Privatisierung auf längere Sicht für den Bürger zu Einsparungen führt. Ein Einstieg in die Privatisierung öffentlicher Leistungsbereiche führt unweigerlich zu einer Entwicklung, an deren Ende nur noch kostenträchtige und verlustreiche Aufgaben der Kommune verbleiben. Abgesehen davon würde durch die Privatisierung der Handlungsspielraum der Gemeinden unvertretbar eingeschränkt. Bürger und Kommune wären privaten Unternehmensentscheidungen ausgeliefert".

Doch Mitte der 90er Jahre änderte die SPD ihre Politik um 180 Grad und wurde zur Vorreiterin der Privatisierung. Sie bewies damit einmal mehr, dass sie längst keine Arbeiter- sondern eine bürgerliche Partei, eine politischen Hauptstütze des neoliberalen Kapitalismus ist. In der hiesigen Region wurde sie zu einer Art CSU des Ruhrgebiets.

Nach dem Verkauf des Kanalnetzes soll auch die Energieversorgung Oberhausen (EVO) verkauft werden. Auch dagegen sammelt die Bürgerinitiative Unterschriften, um einen 2. Bürgerentscheid durchzusetzen. Der Käufer soll im Fall der EVO der Energiekonzern RWE sein, der „Liberalisierung, Internationalisierung und neue Technologien" als „die zentralen Herausforderungen" sieht. Der Wegbereiter der Privatisierung in Oberhausen, Oberbürgermeister Drescher, sitzt im RWE-Aufsichtsrat. Während Drescher 1996 in seinem Buch Rathaus ohne Ämter den „Weg der sukzessiven Privatisierung" anpries, leugnet heute die SPD, dass der Verkauf der WBO überhaupt etwas mit Privatisierung zu tun habe. So stark weht ihr der Wind ins Gesicht.
Bewegung von unten
Unterschriften sammeln bewirkt oft nichts. In Oberhausen wurde damit aber der Bürgerentscheid gegen den Verkauf des Kanalnetzes durchgesetzt. Es sollen eben die BürgerInnen selbst entscheiden, ob sie damit einverstanden sind oder nicht. Gut 7.000 Unterschriften waren für den 1. Bürgerentscheid in Oberhausen notwendig – über 10.000 kamen zusammen. Im Fall der EVO liegen zur Durchsetzung des 2. Bürgerentscheids bereits über 8.000 Unterschriften vor.

Ein solch riesiges Echo in der Bevölkerung hatte noch keine Basisinitiative in den letzten dreißig Jahren erreicht. Zehntausende Gespräche wurden geführt. Bestimmt 90 Prozent der Menschen auf der Straße sprachen sich gegen jede Privatisierung öffentlichen Eigentums aus. Viele, die noch nie politisch aktiv waren, erklärten sich bereit, in ihrer Straße, ihrem Wohnviertel oder Kegelverein Unterschriften für den Bürgerentscheid zu sammeln und das Informationsmaterial der BI zu verteilen.
Die Frage der Organisation
Die Bürgerinitiative Hände Weg vom Kanalnetz wurde von attac Oberhausen gegründet. Nur über die Gründung von attac war es überhaupt möglich, die unterschiedlichsten GegnerInnen der Privatisierung zusammenzubringen. Die allermeisten Aktiven der BI sind unorganisiert, aber auch die sozialistische Linke wie DKP, PDS und RSB ist dort vertreten und zieht – eine gute Tradition in Oberhausen – bei solchen Aktivitäten an einem Strang.

 

Erfolg trotz Abstimmungsniederlage
Bei dem Bürgerentscheid am 28. September stimmten 30.793 Menschen (88,3 Prozent) gegen den Verkauf des städtischen Kanalnetzes; 4.079 (11,7%) dafür. 33.824 Menschen (20%) hätten mit JA stimmen müssen. Auch auf der Straße waren rd. 90 % der Menschen gegen den Verkauf des öffentlichen Eigentums. Der städtischen Großen Koalition aus SPD, CDU und FDP fehlt zukünftig jede Legitimation zur Privatisierung öffentlichen Eigentums.
Wer gegen den Verkauf war, musste mit JA stimmen, dafür mit NEIN. Führende SPD-Politiker traten offen dafür ein, nicht zur Wahl zu gehen. Auch ein verkaufsoffener Sonntag wurde durch die Stadtverwaltung genehmigt.

Korrespondent

 

 

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