Diskussionsbeitrag von Edith Bartelmus-Scholich Eine Wahlalternative für die Opfer von Sozialraub und fortschreitender Entrechtung, für die nicht mehr in den Parlamenten Vertretenen wollte die WASG und die neue Linke sein, eine authentische Stimme der Ausgeplünderten und Entwürdigten. Die Wahlergebnisse dreier Landtagswahlen am 26. März haben gezeigt, dass das Angebot von WASG und Linkspartei.PDS noch nicht den Ansprüchen der Wählerinnen und Wähler entspricht. Enttäuschte WählerInnen der Sozialdemokratie wählten nicht automatisch die L.PDS oder die WASG. Nicht gelungen ist die Mobilisierung der Nichtwähler. Die Wahlbeteiligung ist zwar unterschiedlich stark, aber durchweg gesunken. In Sachsen-Anhalt gingen nur noch 44% der Wahlberechtigten zur Wahl, in mancher Kommune in Hessen wurden 30% Wahlbeteiligung unterschritten. Die dramatischsten Rückgänge sind in Quartieren mit geringem Einkommen und hoher Erwerbslosigkeit zu verzeichnen. In Sachsen-Anhalt ist hinter ca. 4% Gewinn für die Linkspartei.PDS bei historisch niedriger Wahlbeteiligung ein Verlust von fast 20.000 Wählerstimmen versteckt. Seit 1998 hat die Partei bei Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt ca. 76.000 Stimmen verloren. Das ist jeder vierte Wähler. Hätte die Linkspartei.PDS bei dieser niedrigen Wahlbeteiligung die gleichen 293.000 WählerInnen für sich gewonnen wie 1998 läge ihr Ergebnis bei 32,7%. Trotz dieser Erosion ihrer Wählerbasis möchte sie den nach 1998 eingeleiteten Kurs der Imitation sozialdemokratische Politikkonzepte unter neoliberalem Paradigma nicht korrigieren, sondern mit der SPD regieren. In Baden-Württemberg ist die WASG angetreten und hat 3,1% der Stimmen erhalten. Sehr viel mehr war nicht zu erwarten; denn auch zur Bundestagswahl wurden in diesem traditionell konservativen Bundesland nur 3,6% erreicht. Als Landespartei musste die WASG, wie auch in Rheinland-Pfalz, bei Null anfangen, die PDS war bei den letzten Landtagswahlen gar nicht angetreten. Als neue Partei kann sie nicht in den Städten und Kreisen verankert sein. Es fehlen ihr landesweit AkteurInnen und MultiplikatorInnen. Mit einer unzureichenden Verankerung ist ein wirklich gutes (zweistelliges) Wahlergebnis nicht erzielbar. Dennoch muss festgehalten werden, auch in Baden-Württemberg ist es nicht gelungen, viele Nichtwähler zu gewinnen. Nur 53% der Wahlberechtigten gingen wählen. Die SPD erlitt Verluste von mehr als 500.000 Wählerstimmen. Die WASG konnte dieses Potential nicht für sich nutzen. Es darf gefragt werden, ob dies anders ausgesehen hätte, wenn Ulrich Maurer, ein bekannter sozialdemokratischer Landespolitiker, sich als Spitzenkandidat zur Verfügung gestellt hätte, statt in den Bundestag zu gehen. Schockierend ist das Wahlergebnis in Rheinland-Pfalz. Bei einer Wahlbeteiligung von 68% erhielt die WASG nur 2,5% und nicht 5,6% der Stimmen wie zur Bundestagswahl. Der Einzug in den Landtag wurde hier verspielt durch skandalöses Verhalten von Politikern der Linkspartei.PDS und der WASG und durch ein Wahlprogramm gegenüber dem die SPD sich links profilieren konnte. Wer in einem Wahlkampf mit einem Bundestagsabgeordneten, der an der Prostitution verdient und den antisemitischen Äußerungen eines Kreisvorsitzenden in die Schlagzeilen kommt, und so klar macht, dass es zufällig ist, wer in dieser Partei zu Ämtern kommt und wer Forderungen aufstellt, wie z.B. die Stärkung einer bürgernahen Polizei, wer auf kriminalitätsvorbeugende Maßnahmen, auf den Kampf gegen die Brüsseler Agrarbürokratie, auf die Förderung kleiner und mittlerer Betriebe sowie die Stärkung regionaler Wirtschaftkreisläufe setzt, muss sich nicht wundern, wenn er die Zielgruppen der Linken nicht erreicht. Einzig die Wahlergebnisse in den hessischen Kommunen lassen Hoffnung aufkommen. Hier traten durchweg rote Bündnisse an und erhielten oft weit über 5%, in einigen Fällen sogar über 10% der Stimmen. Allerdings war auch hier die Wahlbeteiligung sehr niedrig. Wenn in einer Kommune nur noch 30% der Wähler an der Wahl teilnehmen, relativiert sich auch ein Ergebnis von 6 – 7%. Bei guten Ergebnissen ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der Abschaffung der 5%-Hürde in den Kommunen, die WählerInnen ihre Stimme eher kleinen Parteien geben, als bei einer Landtagswahl in der die Stimmen für kleine Parteien als verloren gelten. In den meisten hessischen Kommunen konnte zudem eine neue Linke an die Strukturen und Erfolge von PDS, Linken Listen oder DKP anknüpfen, sie musste nicht bei Null anfangen. Notwendigerweise mussten die Listen offen sein und eine gewisse Breite aufweisen, denn es sollten viele Leute vor Ort als KandidatInnen und WahlkämpferInnen gewonnen werden. Dies scheint in Hessen gut gelungen zu sein. Die linken Auftritte haben landesweit mehr als 3% Stimmen hinzugewonnen. Dabei war es unerheblich, ob die Liste unter WASG, Linkspartei.PDS, DKP oder Linke Liste antrat. Wichtig war, ob vorher eine Verankerung da war, ob auf dieser Grundlage eine Verbreiterung erreicht werden konnte und ob die Akteure vor Ort, zu den Fragen, welche die Menschen in der Kommune interessierten etwas beitragen konnten. Die Wahlergebnisse in Hessen weisen uns somit den Weg für die neue Linke. Sie kann nicht als Bundespartei geschaffen und auf Dauer Wahlerfolge bei Bundes- oder Landtagswahlen erzielen, wenn sie nicht in jeder Stadt und in jedem Kreis in ihrer sozialen Basis gut verankert und breit entwickelt ist. Die neue Linke wächst von unten, wenn aus "Linken Runden Tischen" linke Bündnisse werden, die aus eigener Kraft und Erkenntnis Lösungen für die Probleme vor Ort gemeinsam mit den Menschen in ihrer Stadt erarbeiten. Wenn die neue Linke in einem Bundesland in jedem Kreis, in jeder Stadt und in jedem Stadtteil AkteurInnen und Multiplikatorinnen, SympathsantInnen und WählerInnen hat, dann hat sie die Ideen und die Kraft sich auf der nächsten Ebene zu konstituieren. Dann wird nicht mehr zufällig sein, wer KandidatIn auf der Landesliste ist und welche Forderungen, in ein landespolitisches Wahlprogramm eingehen. Die genaue Kenntnis von Problemen und Personen führt zur Kompetenz in Landes- und Bundespolitik und die tiefe Verankerung in der sozialen Basis trägt dazu bei, diese auch wirklich zu vertreten. Daran zu arbeiten, sich Zeit zu nehmen, gründlich aufzubauen, wird sich lohnen. Natürlich kann die Linke bis dahin nicht von den politischen Bühnen abtreten. Die Linksfraktion ist in den Bundestag gewählt, die WählerInnen erwarten eine Politik, die ihren Interessen entspricht, die mangelnde Verankerung in der sozialen Basis muss auf andere Art und Weise wett gemacht werden. Von den 4,1 Millionen WählerInnen der Linkspartei.PDS zur Bundestagswahl erwarten 74%, dass sie Oppositionspolitik macht. Das sind über 3 Millionen Menschen. Sie wollen, dass sich die Linksfraktion für das einsetzt, was in ihrem Wahlprogramm steht, also z.B. für einen Mindestlohn von 1400 Euro pro Monat. Sie erwarten, dass sie im deutschen Bundestag ohne wenn und aber auf der Seite der Opfer von Agenda 2010 und den Hartz – Gesetzen steht, dass sie sich der Remilitarisierung und dem Demokratieabbau entgegen stemmt. Wird sie unglaubwürdig, weil sie z.B. nach nur wenigen Monaten einen Mindestlohn von nur 1250 Euro fordert, wird das linke Projekt bei den WählerInnen scheitern. Die WählerInnen geben ihm nur einmal einen Vertrauensvorschuss. Die Linkspartei.PDS und die WASG hab Um den Erwartungen ihrer WählerInnen gerecht zu werden ohne eine jahrzehntelange Verankerung in ihrer sozialen Basis muss die neue Linke eine Struktur entwickeln, die zur Gesellschaft hin offen ist, und die ihr gestattet, die Impulse und Anliegen aus sozialen Bewegungen zwanglos aufzunehmen. Es ist nötig, dass sich ihre Mitglieder, Funktions- und MandatsträgerInnen in die sozialen Brennpunkte und in die wenigen verbliebenen kulturellen Zentren der gesellschaftlichen Linken begeben und dort nicht nur präsent, sondern aktiv sind. Sie sollen dort nicht als politische Akteure mit Führungsanspruch, sondern als zuhörende, aufnahmebereite, mitgestaltende Teile des Ensembles auftreten. Die neue Linke kann die sozialen Bewegungen ermutigen auf allen Ebenen Ratschläge zu veranstalten und Räte zu bilden, die Fragen und Forderungen an sie formulieren und die Aktivitäten der Partei und der Parlamentsfraktionen kritisch begleiten. In der Praxis kann dies so aussehen, dass Ratschlägen und Räten der sozialen Bewegungen Rechte eingeräumt werden, wie z.B. das Antragsrecht gegenüber Partei und Fraktionen. Eine so entwickelte Politik unterscheidet sich gründlich von den Politikkonzepten der Experten und Bürokraten herkömmlicher Parteien und sie birgt die Chance dauerhafter Erfolge. Die eigene Wählerschaft dürfte dann auch zu Wahlen wieder zu mobilisieren sein. 30.03.2006 |