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Neue Memoranden – Regierung für Griechenland

Von Andreas Kloke | 08.07.2012

Die Wahlen zum griechischen Parlament vom 17.6., die notwendig waren, weil die Wahlen vom 6. Mai zu keiner Regierungsbildung der Parteien geführt hatten, brachten – nicht unerwartet! – den „Sieg“ der rechtsbürgerlichen Nea Dimokratia (ND) mit 29,7 % (gegenüber 18,9 % vom 6.5.).

Die Wahlen zum griechischen Parlament vom 17.6., die notwendig waren, weil die Wahlen vom 6. Mai zu keiner Regierungsbildung der Parteien geführt hatten, brachten – nicht unerwartet! – den „Sieg“ der rechtsbürgerlichen Nea Dimokratia (ND) mit 29,7 % (gegenüber 18,9 % vom 6.5.).

Die Linksallianz Syriza legte zwar von 16,8 % (6.5.) auf 26,9 % zu, blieb aber damit wieder nur zweitstärkste Partei. Damit gehen die für die Regierungsbildung entscheidenden 50 „Extra“-Sitze im Parlament an die nun führende Memoranden-Partei ND, die allerdings auf eine Koalitionsregierung mit der stark abgesackten und diskreditierten ex-sozialdemokratischen Pasok angewiesen ist. Diese ist mit 12,3 % (- 0,9 %) drittstärkste Partei. An der Regierung wird Dimar, die Rechtsabspaltung der SYN-Partei, dem Hauptträger von Syriza, beteiligt sein. Dimar erreichte 6,3 % (+ 0,2 %) und liegt damit auf dem sechsten Rang. Dimar übernimmt damit zum ersten Mal offen Verantwortung für die Memoranden-Politik. Den vierten Platz erreichten mit 7,5 % (- 3,1) wieder die „Unabhängigen Griechen“, eine Abspaltung von ND, die die Unterstützung der Memoranden-Politik verweigert.

Auf Platz 5 liegen nun die neonazistischen Hitlernostalgiker von Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte, GM) mit 6.9 % (- 0,1). Die Stabilisierung der Neonazis ist umso bemerkenswerter, als ihr Terrorcharakter in den Wochen nach dem 6.5. mit gezielten Messerstecher- und Schlägerangriffen auf Immigrant_innen und linke Politiker_innen vor den Augen der gesamten Öffentlichkeit deutlich wurde und niemand mehr behaupten kann, die Wähler_innen wüssten nicht, wofür sie da stimmen.

Die dauerhafte Invasion der Neonazis im griechischen Parlament – aber mit ihren fast täglichen Terrorakten auf den Straßen Athens und ganz Griechenlands auch im gesellschaftlichen Leben – ist das markanteste Resultat der beiden Wahlen. Die KPG (KKE) kam nur noch auf 4,5 % und verlor damit 4 % gegenüber den Mai-Wahlen. Alle Parteien, die im Mai unter der 3 % – Marke gelegen hatten, hatten nun stärkere Einbußen und wurden für den Wahlausgang fast unbedeutend, darunter LAOS mit 1,6 % (- 1,3), Dimourgia Xana mit 1,6 % (- 0,6), die Grünen Ökologen mit 0,9 % (- 2,0) und Antarsya mit 0,33 % (- 0,9). Die abgegebenen gültigen Stimmen lagen mit 61,5 % (- 1,2) noch einmal deutlich niedriger als je zuvor.
Kaum Verschiebungen zwischen den Lagern
Eine genauere Betrachtung des Wahlergebnisses zeigt, dass die Verschiebung zwischen „rechts“ und „links“ im Vergleich zum 6. Mai nicht sehr groß war. Die rechten Parteien (von ND bis GM) kamen auf 47,3 %. Dazu käme der Prozentsatz von Pasok als „neuer“ Rechtspartei. Die Linke kommt insgesamt auf 39 %, wenn man Dimar und die Grünen mit dazu rechnet. Die Memoranden-Parteien, also ND und Pasok, zu denen nun auch Dimar zu rechnen ist, erreichten zusammen 48,3 % und natürlich eine klare Mehrheit im Parlament. Im Sinne der Spielregeln des bürgerlichen Parlamentarismus kann dies als eine „demokratische Legitimation“ für die Fortsetzung der Memoranden-Politik ausgelegt werden. Trotzdem ist diese „Legitimation“ auch formal gesehen mehr als dünn.

Der „Erfolg“ ND’s ist teilweise sicher auf die beispiellose Trommelfeuer-Dauerkampagne der Memoranden-Parteien und der Massenmedien im In- und europäischen Ausland zurückzuführen, der zufolge ein Wahlsieg der Linken den Ausstieg Griechenlands aus dem Euro, den sofortigen absoluten Ruin, die Einstellung sämtlicher Zahlungen etc. bedeutet hätte. Dazu kommt, dass ND in der Lage war, den Großteil der traditionell rechten Wählerschaft, die am 6.5. stark zersplittert war, an sich zu ziehen. Trotzdem bleibt das Wahlergebnis von ND insgesamt schwach und spiegelt ihren historischen Abwärtstrend wider, der sich nun mit ihrer Rolle als führender Regierungspartei weiter fortsetzen wird. Auf der Linken konnte sich Syriza als klar führende Partei bzw. Allianz etablieren, was hauptsächlich mit der Aussicht auf eine mögliche „Linksregierung“ zu tun hatte.
Situation und Perspektiven der Linken
Was die linken Parteien oder Allianzen und ihre Perspektiven betrifft, ist festzustellen, dass die von den beiden führenden reformistischen Parteien, also KKE und Syriza, vor allem seit dem großen Generalstreik von Oktober 2011 ausgegebene Parole „Neuwahlen jetzt!“ strategisch gescheitert ist. Es war nicht möglich, die Memoranden-Politik „abzuwählen“.

Die relative Stärkung der Linken insgesamt bei den beiden Wahlen ist das Resultat der großen Mobilisierungen des sozialen Widerstands von Mai 2010 bis zu den Höhepunkten von Juni und Oktober 2011 und zuletzt vom 12.2. 2012. Zu berücksichtigen ist aber, dass dieser Widerstand die Memoranden-Politik bisher nicht zu Fall bringen konnte. Die Stärke bzw. Schwäche der gesamten Linken bei den Wahlen entspricht daher nicht zufällig dem realen Kräfteverhältnis zwischen den Hauptklassen der Gesellschaft. Insofern sind die Wahlergebnisse der politische Ausdruck der vorläufigen Niederlage der Widerstandsbewegung.

Die Schwächung der KKE bei den Wahlen ist einerseits mit ihrer resoluten „Isolations-Taktik“ zu erklären, also mit ihrer strikten Weigerung, mit anderen linken Kräften auf irgendeiner Ebene zusammenzuarbeiten. Dies ist zwangsläufig mit einem völligen Mangel an Aussichten darauf verbunden, die herrschende Politik zu beenden, sei es durch die Stärkung der Widerstandsbewegung, sei es auf dem – letztlich illusorischen – parlamentarischen Weg.

Die Syriza-Führung hat, besonders nach dem 6. Mai, klare Schritte unternommen, sich als „linke“ Allianz für die Verwaltung des bestehenden politischen und sozialen Systems – also des griechischen Kapitalismus – auf Regierungsebene zu profilieren, obwohl die herrschenden Klassen Griechenlands und der EU-Länder es eindeutig vorziehen, auf diese Dienste zu verzichten. Die Syriza-Führung hat die Logik der Troika-Kredite und ihre prinzipielle Legitimität akzeptiert. Dazu gehören aber: Schuldenabzahlungen, Lohn- und Rentenkürzungen sowie die allgemeine Senkung des Lebensstandards durch das erste Memorandum, der Verbleib in der Eurozone als vorrangiges Ziel der Regierungspolitik und damit die „Rechtmäßigkeit“ der erpresserischen Dilemmata der herrschenden Klassen. Die Hauptforderung der Bewegung vom letzten Jahr „Wir schulden nichts, wir zahlen nicht, wir verkaufen nicht!“ wurde damit völlig verwässert bzw. verfälscht. Auch in der zentralen Frage der Migration ist die Syriza-Führung vor der herrschenden Politik entscheidend zurückgewichen, indem sie die Immigrant_innen zum „Problem“
erklärte. Die Syriza-Führung hat sich bisher auch mit keiner Silbe dazu geäußert, wie der soziale Widerstand wieder auf die Beine kommen und die tödliche Bedrohung durch die Neonazi-Horden gestoppt werden soll.
Antarsya
Was Antarsya betrifft, kommt das Wahlergebnis vom 17.6. ungefähr einem Zusammenbruch gleich. Alle ihre Schwächen wurden nach dem 6.5. in eklatanter Weise deutlich, d. h. ihre mangelnde Kohärenz auf zentraler Ebene infolge des nicht überwundenen Egoismus der einzelnen Organisationen, die Schwäche der Grundeinheiten der örtlichen Komitees, die mangelnde Fähigkeit, zu den zentralen Fragen der nach dem 6.5. aufgetretenen politischen Konstellationen klar und überzeugend Stellung zu beziehen und darauf zu reagieren.

Antarsya muss angesichts dieser Niederlage die nötige Selbstkritik leisten und die entsprechenden Konsequenzen ziehen, da es sonst kaum weitergehen kann. Nur auf diese Weise wird es möglich sein, dass Antarsya zu einem der wichtigsten Motoren der Widerstandsbewegung und zum Pol der antikapitalistisch-revolutionären Linken wird. Es gibt keinen Mangel an Ansatzpunkten für Aktionen der gesamten Linken im Sinn der Einheitsfront-Politik und der von Antarsya grundsätzlich korrekt benannten programmatischen Perspektive für die vor uns liegenden Kämpfe. Die Klassenauseinandersetzungen werden sich in den kommenden Monaten zweifellos verschärfen. Darauf hat sich der soziale Widerstand vorzubereiten.

 

Was ist Antarsya?
Die „Front der griechischen antikapitalistischen Linken“ („Antikapitalistische linke Kooperation für den Umsturz“)  wurde 22.3.2009 gegründet und ist ein Bündnis von 10 antikapitalistischen, revolutionären Organisationen: Alternative Ecologists; Communist Renewal (K.AN.); Independent Communist Organization of Serres (ΑΚΟΣ); Left Anti-capitalist Group (ARAS); Left Recomposition (ARAN); New Left Current (NAR); Organization of Communist Internationalists of Greece–Spartacus, Greek section of the Fourth International (OKDE-Spartakos); Revolutionary Communist Movement of Greece (EKKE); Socialist Workers’ Party (SEK); Youth of Communist Liberation (nΚΑ);
In Deutschland beziehen sich vor allem die am NaO-Prozess beteiligten linken (revolutionären) Organisationen positiv auf Antarsya. www.nao-prozess.de
Das Programm von Antarsya :
  1. Sofortige Aufhebung aller Kreditabkommen, aller Memoranden und der damit verbundenen Sparprogramme.
  2. Nichtanerkennung der Schulden; Die Schulden müssen gestrichen und alle diesbezüglichen Zahlungen eingestellt werden.
  3. Bruch mit dem System, dem Euro und der EU.
  4. Entschädigungslose Verstaatlichung (Vergesellschaftung) der Banken und Konzerne unter Kontrolle der Beschäftigten.
  5. Sofortige Anhebung der Löhne und Renten. Abschaffung der Kopfsteuer und Anhebung der Kapitalbesteuerung.
  6. Verbot von Entlassungen und umfassender Schutz der Erwerbslosen. Verkürzung der Arbeitszeit und Absenkung des Renteneintrittsalters.
  7. Enteignung Hunderter geschlossener Unternehmen und Wiederbelieferung und Ingangsetzung unter Kontrolle der Beschäftigten.
  8. Versorgung mit erschwinglichen und guten Nahrungsmitteln durch landwirtschaftliche Kooperativen sowie kleine und mittlere Bauern ohne Zwischenschaltung von Händlern und Großbauern.
  9. Die Lösung liegt in einer starken Linken, die für einen Bruch mit dem System und für ein revolutionäres Programm kämpft.

 

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