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Innenpolitik

Neoliberalismus scheitert und wird fortgeführt

Von D. Berger | 01.10.2008

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Wenn die Bundesregierung die Kreditwürdigkeit der Hypo Real Estate mit einer Bürgschaft über 26,6 Mrd. € absichert, dann straft sie damit ihre eigenen Worte Lügen, sie werde nicht in das Marktgeschehen eingreifen. Ihre Behauptungen von der Sicherheit der deutschen Bankenwirtschaft (s. Kast­en) sind nichts als ein ängstliches Pfeifen im Walde. In Deutschland sind noch ganz andere Banken akut gefährdet und wir wissen nicht, welche Institute schon in wenigen Tagen die Schlagzeilen beherrschen werden.

Wenn die Bundesregierung die Kreditwürdigkeit der Hypo Real Estate mit einer Bürgschaft über 26,6 Mrd. € absichert, dann straft sie damit ihre eigenen Worte Lügen, sie werde nicht in das Marktgeschehen eingreifen. Ihre Behauptungen von der Sicherheit der deutschen Bankenwirtschaft (s. Kast­en) sind nichts als ein ängstliches Pfeifen im Walde.

In Deutschland sind noch ganz andere Banken akut gefährdet und wir wissen nicht, welche Institute schon in wenigen Tagen die Schlagzeilen beherrschen werden. Die Deutsche Bank sitzt auf einem beträchtlichen Berg unsicherer Forderungen (s. Kasten auf den nächsten Seiten). Die Commerzbank ist Mutter einer extrem hochgehebelten Hypothekenbank (Eurohypo), also einer Bank, die mit viel geliehenem Geld gearbeitet hat. Zudem hat sie vor kurzem erst die Dresdner Bank gekauft und die ist ja auch nicht gerade bekannt für eine gute Risikoabsicherung. Die Bayern-LB braucht bis zum Jahresende wahrscheinlich noch mindestens 1 Mrd. € usw.
Auslöser
Seit Mitte September hat sich die Krise im amerikanischen Kreditsektor zu einer internationalen Bankenkrise weiterentwickelt und ist Ende September endgültig in der hiesigen Bankenwelt angekommen. Auslöser sind die seit Mitte September ins Stocken geratenen Zahlungen auf dem Interbankenmarkt. Das Vertrauen der Banken untereinander ist schwer gestört, denn keine Bank weiß, mit wie viel faulen Krediten ihre SchuldnerInnen ausgestattet sind. Deswegen sind die Interbank-Zinsen seitdem steil nach oben gegangen und liegen Ende September in den USA bei 3,76 %, in Europa sogar bei 5,14 % (also 0,9 % über dem Zins der EZB).

Diese Zahlungsschwierigkeiten wirken sich unweigerlich auf die Realwirtschaft aus (s. Seite 12) und sind eine Folge der gewaltigen Verluste der vergangenen Monate und der allgemeinen Unsicherheit, die sich aus der internationalen Verschränkung der Finanzwelt ergibt. Seit Beginn der Krise Anfang 2007 haben die amerikanischen und die europäischen Banken über 500 Mrd. $ Verluste gemacht. Durch neue Kapitalspritzen (von neuen EigentümerInnen) und über das Reinbuttern von Steuergeldern sind bis 27.9.08 die Netto-Kapitalverluste der Banken (also Verlust minus neues Kapital) in den USA zwar auf 24,4 Mrd. € und in Europa auf 74,1 Mrd. $ gedrückt word­en, aber auch das sind keine kleinen Summen. Und das Ende ist noch längst nicht absehbar.
Neoliberale Politik
Im ersten Anlauf ist Paulsons Rettungsplan in den USA gescheitert, aber in dieser oder ähnlicher Form wird er sicherlich durchgehen. Wenn nicht die Grundlagen des Kapitalismus in Frage gestellt werden sollen und wenn andererseits keine gewaltige Weltwirtschaftskrise mit unübersehbaren Folgen (auch für die KapitaleignerInnen) riskiert werden soll, bleibt den bürgerlichen Regierungen auch keine andere Wahl. Nicht für umsonst wird jetzt auch in Europa die Installierung eines Notfallfonds von über 300 Mrd. € diskutiert.

Aber zurzeit ist noch nicht einmal eine Änderung der vorherrschenden Linie des freien Kapitalverkehrs erkennbar. Man beklagt das „Übermaß an Deregulierung“, aber faktisch passiert nichts, dem Kapital werden überhaupt keine Fesseln angelegt (wenn man von dem Verbot von Leerverkäufen absieht). Trotz des offensichtlichen Scheiterns neoliberaler Politik wird sie gerade in Deutschland ganz entschieden weitergeführt. Der Staat springt als Bürge ein (der Steuerzahler wird also höchstwahrscheinlich gewaltig blechen), aber der Staat hat sich überhaupt keine Gegenleistungen ausbedungen. Er erwirbt also noch nicht einmal Anteile an den Banken, die er jetzt stützt.

Aber auch da, wo dies im Ausland geschieht, ist damit nur die Absicht verbunden, vorläufig ein Wörtchen mitreden zu können. Später, wenn die entsprechenden Banken saniert sind, sollen sie wieder voll privatisiert werden, so dass die Gewinne wieder privat (von KapitaleignerInnen) abgeschöpft werden können.

Kaum besser ist die Linie, die in der Frankfurter Rundschau vertreten wurde, nach der die Banken verstaatlicht werden sollen, „die in Schwierigkeiten sind“. Wieso eigentlich immer nur die Verluste sozialisieren? Wenn in der aktuellen Krise bisher schon 500 Mrd. $ vernichtet wurden, dann ist damit doch offenbar geworden, dass das kapitalistische Finanzsystem gar nicht mehr rational gerechtfertigt werden kann. Mit dieser Summe könnte ein großer Teil der Menschheit (nicht nur in Europa) aus der Armut geführt werden. Die Weiter­existenz des kapitalistischen Finanzsektors raubt nicht nur vielen Häuslebauern (vor allem in den USA) das Dach über dem Kopf, es gefährdet auch die (kapital­istisch produzierende) Realwirtschaft.

Die einzige rationale Lösung der Krise und des Ausschaltens neuer Risiken liegt in der vollständigen Vergesellschaftung des gesamten Finanzsektors, also der Banken, Versicherungen usw. Vergesellschaftung ist mehr als Verstaatlichung. Sie muss institutionell verankert werden und unter die Kontrolle der Beschäftigten und einfachen KundenInnen gestellt werden.

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