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DIE LINKE

Neoliberale Hegemonie brechen – Mit Regierungsbeteiligungen?

Von Edith Bartelmus-Scholich | 18.12.2005

Diskussionsbeitrag von Edith Bartelmus-Scholich

"Wenn Wahlen etwas verändern würden, wären sie schon längst verboten", lautet ein zynischer Spruch der autonomen Linken. Er knüpft an die Erfahrungen von Generationen von WählerInnen mit parlamentarischer Demokratie an und ist bei vielen Menschen angekommen. Ungebrochen ist der Trend zum Nichtwählen; das Auftauchen einer linken Alternative auf den Stimmzetteln hat daran auch bei der letzten Bundestagswahl nichts ändern können. Nur wenig Spielraum sehen die BürgerInnen bei den Abgeordneten in den Parlamenten oder auch bei Landes- und Bundesregierung, wenn es um wichtige Entscheidungen geht. Weit mehr Macht als von den Parlamenten wird nach Einschätzung der Bevölkerungsmehrheit von Großkonzernen und wirtschaftlichen Interessengruppen ausgeübt. 

Die neoliberale Reorganisation der Gemeinwesen unter Mitwirkung der bürgerlichen Parteien verkleinert weiter die Gestaltungsspielräume der Politik zu Gunsten der Wirtschaft. Dies ist nicht zufällige Folge, sondern eine Hauptkampflinie des Neoliberalismus. Der Staat und die Kommune sollen auf so genannte Kernaufgaben zurück geführt werden, die regulierenden Einwirkungen der Politik auf die Wirtschaft aufgehoben werden und die öffentliche Daseinsvorsorge privatisiert werden. Unter verbaler Integration emanzipatorischer Forderungen nach einem mehr an Freiheit und einem weniger an Bürokratie und ununterbrochenen Agitation gegen die angeblich unfähigen und unwirtschaftlichen öffentlichen Dienste, konnte diese Programmatik an die Alltagserfahrungen vieler Menschen anknüpfen und findet bis heute Zustimmung bei einer Bevölkerungsmehrheit. Das Wahlergebnis der letzten Bundestagswahl, bei der mehr als 90% der WählerInnen für Parteien mit neoliberalen Programmen stimmten, unterstreicht dies.

Die desaströse Finanzlage des Bundes, der Länder und der allermeisten Kommunen ist in ihrer Zuspitzung direkte Folge der neoliberalen Reorganisation, wirkt aber in dem nun erreichten Stadium der Verarmung der öffentlichen Haushalte noch befördernd auf weitere Ansätze Sozialleistungen zu verknappen, das Arbeitsrecht zu deregulieren und die öffentliche Daseinsvorsorge zu privatisieren. Aus der Alltagserfahrung und in Verbindung an einer gegen die BezieherInnen von Sozialleistungen gerichteten Schuldzuweisung wird diese Politik immer noch von vielen Menschen als notwendige Sparpolitik akzeptiert.

Die unter dem Stichwort Globalisierung immer mehr fortschreitende Auflösung nationaler Wirtschaftsräume, die Zunahme des politischen Einflusses transnational operierender Konzerne, aber auch die Verlagerung politischer Entscheidungen in internationale staatliche Zusammenhänge und Organisationen schmälern weiter die Möglichkeiten nationaler Parlamente und Regierungen. Diese wirtschaftliche Entwicklung ist die materielle Basis der neoliberalen passiven Revolution, sie stellt ein neues Stadium kapitalistischer Entwicklung dar, für das es neue Antworten, sowohl institutionelle als auch kämpferische, zu finden gilt.

Der Wandel sozialdemokratischer Parteien weltweit zu neoliberalen Parteien mit sozialem Restprogramm ist auf die Unfähigkeit der Arbeiterbewegung zurück zu führen, Antworten auf die Herausforderungen eines in neuen Zusammenhängen weltweit flexibel und konsequent interessengeleitet agierenden Kapitals zu finden. Durch dieses grundsätzliche Versagen hat sich das Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit immer mehr zu Gunsten des Kapitals verschoben mit der Folge, dass auch linke Regierungen nicht mehr den Erwartungen ihrer WählerInnen nach einer sozialen Politik gerecht werden können. Dieser Zustand wird sich erst dann ändern, wenn das Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit, wieder zu Gunsten der Arbeit verändert wird. Nur eine solche Verschiebung des Kräfteverhältnisses als Ergebnis von sozialen Kämpfen ist geeignet, die neoliberale Hegemonie zu brechen und einen Paradigmenwechsel in der Politik herbei zu führen.

Noch ist die neoliberale Hegemonie in Deutschland ungebrochen und jede Regierung ordnet sich dieser Hegemonie unter. Die unter Beteiligung der Linkspartei.PDS in den Regierungen in Berlin und Mecklenburg – Vorpommern verantwortete Politik ist gekennzeichnet durch Sozialabbau, Deregulierungen und Privatisierungen. Auf eine Aufzählung der einzelnen Maßnahmen soll an dieser Stelle verzichtet werden. Zu dieser Politik gab es nach Angaben aller beteiligten PoitikerInnen der Linkspartei.PDS keine Alternativen. 

Wenn wir dies glauben und berücksichtigen, dass die Gestaltungsmöglichkeiten in der Koalition mit der SPD und unter der neoliberalen Hegemonie ohnehin gering sind, kann von einer Fortsetzung der rot-roten Koalition in Berlin nur eine Fortsetzung der bereits bekannten Politik des Sozialabbaus, der Deregulierung und der Privatisierung erwartet werden. Auch eine Stärkung des Koalitionspartners Linkspartei.PDS würde nicht zu einer wesentlich anderen Politik führen. Eine andere Regierungspolitik ist in Berlin auf absehbare Zeit nicht möglich. Und dies gilt gleichermaßen für alle Länder und den Bund.

Eine Regierungspolitik, wie sie die Linkspartei.PDS in Berlin betreibt, kann nicht das Ziel der WASG und einer möglichen gemeinsamen linken Partei sein. Im Grundsatzprogramm der WASG heißt es: "An einer Regierung in Land oder Bund werden wir uns nur dann beteiligen, wenn dies zu einem grundlegenden Politikwechsel in Richtung unserer Forderungen führt." Diese Festlegung macht Sinn. Jede Beteiligung an einer Regierung, die keinen grundlegenden Politikwechsel herbei führt, sondern weiter unter dem neoliberalen Paradigma handelt, trägt zum fortschreitenden Ausbau der neoliberalen Hegemonie und zur weiteren Verschiebung des gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses zu Gunsten des Kapitals bei. Eine solche Regierungsbeteiligung ist kein Beitrag im Kampf gegen den Neoliberalismus, sondern schwächt die Kräfte, die diesem entgegen treten. Diese Schwächung wird aktuell deutlich in den Kämpfen der Charité-Beschäftigten in Berlin. Hier treffen die von GewerkschafterInnen und WASG-Mitgliedern unterstützten Beschäftigten des Klinikum auf Linkspartei.PDS Wissenschaftssenator Flierl, der zu Lasten der Beschäftigten und der Wissenschaft Sparmaßnahmen durchsetzen will. Eine mögliche Einheitsfront gegen den Neoliberalismus wird aufgebrochen und geschwächt. Den von Sparmaßnahmen betroffenen Beschäftigten, und an anderer Stelle den von Sozialabbau Betroffenen wird die Hoffnung genommen in der Linkspartei einen verlässlichen Verbündeten zu finden, der den beschworenen Politikwechsel auch Wirklichkeit werden lässt. 

Mit Recht orientieren die WählerInnen einer Partei darauf, dass diese Partei für sie etwas bewegt, und sicher sind ihnen auch kleine Verbesserungen lieber als gar keine. Solche kleinen Verbesserungen für die von den negativen Folgen des Sozialabbaus, d
er Deregulierung und der Privatisierung betroffenen Menschen sind aber nicht nur über eine Regierungsbeteiligung zu erreichen. Mit der Absicht die sozialen Bewegungen in ihren Kämpfen zu stärken um mittelfristig die neoliberale Hegemonie zu brechen, ist es viel eher sinnvoll durch den Aufbau einer starken parlamentarischen und außerparlamentarischen Opposition und deren abgestimmtes Handeln, die Regierungsparteien vor sich her zu treiben und zu "Nachbesserungen" ihrer Politik zu veranlassen. 

Auf Grundlage dieser Überlegungen und dem Grundsatzprogramm der WASG folgend, ist es zwingend notwendig vor der Begründung einer gemeinsamen linken Partei, die Beteiligung der Linkspartei.PDS an neoliberalen Regierungen zu beenden. Den WählerInnen muss eine wirkliche Alternative geboten werden, die keinen Zweifel aufkommen lässt, dass sie in keine Regierung eintritt, die Sozialabbau, Deregulierungen oder Privatisierungen betreibt. Neben dem Auftreten einer kämpferischen sozialen Bewegung gegen den Neoliberalismus ist diese politische Alternative eine Bedingung dafür, einen grundlegenden Politikwechsel einzuleiten. Auch eine kämpferische soziale Bewegung vermag nämlich keinen Politikwechsel einzuleiten, wenn keine politische Kraft sichtbar ist, die diesen trägt. Die Verantwortung, für den Aufbau dieser politischen Alternative liegt bei uns, die wir mit dieser Absicht gemeinsam aufgebrochen sind. 

Unsere konkrete Aufgabe liegt u.a. darin, die politische Alternative überall da darzustellen, wo sie fehlt, also wo Opposition und Regierung sich auf das neoliberale Paradigma verständigt haben. Diese politische Alternative muss für die Menschen wählbar sein und sie zur Mitarbeit einladen. Das Fehlen dieser Alternative lässt Hoffnungslosigkeit bei den Menschen aufkommen und trägt damit auch zur Stabilisierung der neoliberalen Hegemonie bei. Daher ist, sofern die Linkspartei.PDS in eine neoliberal agierende Regierung eingebunden ist, die Kandidatur der WASG als Alternative dazu eine politische Notwendigkeit, die nicht taktischen Gesichtspunkten geopfert werden kann.

18.12.05

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