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Linke

Konferenz antikapitalistischer Organisationen

Von Daniel Berger | 01.07.2008

Am 31.Mai/1. Juni fand auf Einladung der LCR (franz. Sektion der IV. Internationale) in Paris eine internationale Konferenz antikapitalistischer Organisationen statt. Eingeladen waren ausschließlich Organisationen, die sich klar als antikapitalistisch definieren und nicht als Sekten bekannt sind. Vertreten waren 34 Organisationen aus 16 Ländern. Zum ersten Mal seit 1968 kamen Organisationen aus so vielen Ländern zusammen, um gemeinsam über die politische Lage und die Aufgaben revolutionärer bzw. antikapitalistischer Organisationen zu diskutieren.

Am 31.Mai/1. Juni fand auf Einladung der LCR (franz. Sektion der IV. Internationale) in Paris eine internationale Konferenz antikapitalistischer Organisationen statt. Eingeladen waren ausschließlich Organisationen, die sich klar als antikapitalistisch definieren und nicht als Sekten bekannt sind. Vertreten waren 34 Organisationen aus 16 Ländern.

Zum ersten Mal seit 1968 kamen Organisationen aus so vielen Ländern zusammen, um gemeinsam über die politische Lage und die Aufgaben revolutionärer bzw. antikapitalistischer Organisationen zu diskutieren. Schon allein das war ein Erfolg, noch mehr aber die Tatsache, dass die Diskussionen während der zwei Tage als fruchtbar empfunden wurden und eine Folgekonferenz für das nächste Jahr vereinbart wurde.
Politischer Hintergrund
Was die Organisationen aus so vielen Ländern bewegte, ihre VertreterInnen zu dieser Konferenz nach Paris zu schicken, beruht wohl auf zwei eng mit einander zusammenhängenden Bewertungen: Bei den beteiligten Kräften herrscht die gemeinsame Einschätzung vor, dass die traditionelle Linke politisch nicht zu regenerieren ist. Sie wird als vollkommen in das kapitalistische System integriert angesehen. Vor allem der Schock, der sich aus der Regierungsbeteiligung der Rifondazione Comunista (Italien) ergab, aber auch die Enttäuschung mit der Vereinigten Linken (IU) in Spanien, sitzt wohl sehr tief. Das war aus einer Reihe von Redebeiträgen herauszuhören.

Zum Zweiten ist mit Sicherheit die Anziehungskraft der LCR bestimmend gewesen, nicht zuletzt, weil sie mit ihrem Projekt des Aufbaus einer Neuen Antikapitalistischen Partei (franz. NPA) einen sehr interessanten Prozess angestoßen hat. Der war allerdings nur möglich, aufgrund der Tatsache, dass sie schon als LCR im Lande ein ernst zu nehmender Faktor ist. In Europa ist sie heute sicherlich die bedeutendste revolutionäre Organisation. Die allermeisten Anwesenden begriffen wohl auch, dass dieses Projekt der NPA das genaue Gegenteil von dem ist, was in Deutschland die Partei „Die Linke“ darstellt. Wirklich anders sahen dies allerdings die Vertreter von Marx 21 (ehemals Linksruck) sowie ihre „Mutterorganisation“, die britische SWP.
Gemeinsamkeiten in den Analysen
Eingeleitet wurde die Konferenz durch den Genossen François Sabado von der Leitung der LCR, der mit seinen Ausführungen (die auch schriftlich vorgelegt wurden) auf eine recht breite Zustimmung stieß. Er analysierte die aktuelle Lage, die geprägt ist durch die Krise des Kapitalismus (Finanzsektor, Banken, Nahrungsmittelkrise) und die verstärkten Angriffe auf die sozialen und demokratischen Rechte und Errungenschaften der ArbeiterInnenklasse. Das stellt die radikale – antikapitalistische und revolutionäre – Linke vor neue, noch gewaltigere Aufgaben, aber auch vor neue Möglichkeiten, denn die so genannten „reformistischen“ Antworten verlieren an Glaubwürdigkeit. In diesem Zusammenhang haben alle anwesenden Organisationen die Beteiligung an Koalitionsregierungen abgelehnt und die Notwendigkeit des Neuaufbaus (Rekonstruktion) der Arbeiterbewegung geteilt.

Es gibt zwar keine umfassend gemeinsamen Analysen, aber gewisse Ansätze finden eine breite Zustimmung unter diesen Kräften. Klar ist natürlich auch, dass daraus noch nicht ein gemeinsames europäisches antikapitalistisches Programm abgeleitet werden kann. Wie der Sozialismus des 21. Jahrhunderts aussehen soll oder kann, ist damit auch noch nicht geklärt, aber die Diskussionen zu den Themenbereichen Antirassismus (eingeleitet von Emmanuel Siegelmann), Antimilitarismus (Yvan Lemaitre) und Klimawandel (Laurent Menghini, alle LCR) haben viel Übereinstimmung erkennen lassen, auch wenn viele Redebeiträge von bestimmten nationalen Besonderheiten geprägt waren. Daraus erwächst also noch nicht eine gemeinsame Politik, aber der Austausch wurde als sinnvoll betrachtet und mensch war froh, dass dieser Diskussionsprozess jetzt eingeleitet wurde.
Gemeinsame Vorhaben
Aufgrund der großen Unterschiede in der praktischen Politik ist heute z. B. eine gemeinsame Kandidatur zu den Europawahlen schwer vorstellbar, auch wenn sich ein paar der größeren Organisationen (die es also überhaupt schaffen, zu Wahlen anzutreten) noch einmal zusätzlich für den Herbst verabredet haben. Dort soll geprüft werden, ob es wenigstens möglich ist, bestimmte Absprachen zu treffen, sodass man sich nicht gegenseitig Konkurrenz macht und ein Maximum an Stimmen für antikapitalistische Kräfte gesammelt werden kann.

Etwas leichter wird es schon sein, wenn es um die Realisierung einer gemeinsamen Mobilisierung anlässlich des Jubiläums der NATO gehen wird. Im Frühjahr 2009 feiert die NATO in Straßburg ihr 60-jähriges Bestehen. Im Herbst will man beim ESF in Malmö (17.-21.9) möglichst gemeinsam auftreten. Dazu wird es ein gemeinsames Flugblatt geben. Ein Anfang ist also gemacht. Wieweit sich die Gemeinsamkeiten real entwickeln werden, muss sich erst noch erweisen.

 

Mai 1968 – Mai 2008
Am Vorabend der internationalen Konferenz hatte die LCR zu einer großen öffentlichen Veranstaltung in der Mutualité eingeladen.
Gekommen waren 2000 Gäste, die zunächst den „Veteranen“ des Mai 68, Daniel Bensaïd und Alain Krivine, zuhörten, sodann Boguslaw Zietek von der Polnischen Arbeiterpartei (PPT), der über die jüngste Streikbewegung in den polnischen Bergwerken berichtete. Myriam Martin, von der  LCR, sprach über die repressive Politik Sarkozys (z. B. gegenüber den Sans-Papiers). Flavia d’Angeli von der ital. Sektion und gleichzeitig eine der Führerinnen der Sinistra Critica analysierte den Wahlsieg Berlusconis und das Scheitern der Rifondazione.
Francisco Louça vom Bloco de Esquerda in Portugal (und ebenfalls Mitglied der dortigen Sektion der IV. Internationale) berichtete über die Politik des Linken Blocks in Portugal und erläuterte, welche Bedeutung die LCR-Initiative für die übrige antikapitalistische Linke in Europa hat. Danach sprach eine Studentin über die aktuellen Streiks an den franz. Hochschulen.
Den Abschluss bildete, wie so oft bei solchen Gelegenheiten, eine fulminante Rede von Olivier Besancenot, Sprecher der LCR, der nicht nur hervorhob, wie wichtig der Mai 1968 für die politische Strömung war, die die LCR repräsentiert, sondern auch erläuterte, wie diese politische Methode der LCR dabei hilft, heute zu einer wichtigen Sp
recherinnen der radikalen Opposition gegen das herrschende System zu sein. Seine heftigen Attacken gegen die Politik Sarkozys und sein Aufruf, die Politik der antikapitalistischen Linken auch in Zukunft konsequent internationalistisch auszurichten, wurden immer wieder von Beifallsstürmen unterbrochen.
Daniel Berger 

 

 

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