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Betrieb & Gewerkschaft

„Modernisierung” statt Gegenmacht? Die IG Metall vor der A-ERA Huber

Von H.N. | 01.10.2007

Die größte Einzelgewerkschaft der Welt, die IG Metall (IGM), steht vor ihrem 21. ordentlichen Gewerkschaftstag. Er findet vom 4. bis 10. November in Leipzig statt. Sein Motto lautet „Zukunft braucht Gerechtigkeit”. In einer Organisation mit bürokratisch-zentralistischen Strukturen ist die Zusammensetzung der Führung die entscheidende Frage. Wer soll dem neuen 7-köpfigen geschäftsführenden Vorstand angehören? Das war im Apparat heftig umstritten, ist aber bereits vor dem Kongress hinter verschlossen Türen entschieden worden.

Die größte Einzelgewerkschaft der Welt, die IG Metall (IGM), steht vor ihrem 21. ordentlichen Gewerkschaftstag. Er findet vom 4. bis 10. November in Leipzig statt. Sein Motto lautet „Zukunft braucht Gerechtigkeit”.

In einer Organisation mit bürokratisch-zentralistischen Strukturen ist die Zusammensetzung der Führung die entscheidende Frage. Wer soll dem neuen 7-köpfigen geschäftsführenden Vorstand angehören? Das war im Apparat heftig umstritten, ist aber bereits vor dem Kongress hinter verschlossen Türen entschieden worden. Den Medien zufolge ging es dabei um die Entscheidung zwischen „Modernisierern” und „Traditionalisten”. Dieses Schema greift jedoch zu kurz und ist Teil der Kampagne gegen gewerkschaftliche Gegenmacht.

Die amtierende IGM-Führung hat die Liste der KandidatInnen am 3. September verabschiedet. Berthold Huber ist demnach der künftige Chef. Jürgen Wetzel, Bezirksleiter in Nordrhein-Westfalen, soll Vize werden. Zur Wiederwahl stehen Bertin Eichler (Hauptkassierer), Regina Görner (CDU) und Wolfgang Rhode (früher Gewerkschaft Holz und Kunststoff) an. Als weitere geschäftsführende Vorstandsmitglieder sollen Hans-Jürgen Urban (bisher Leiter des Bereichs Grundsatz, Gesellschaftspolitik und strategische Planung) und Helga Schwitzer (bisher Bezirkssekretärin in Hannover) kandidieren.

Die Gefolgsleute des früheren Maoisten und jetzigen „treuen” SPD-Mitglieds Huber werden demnach gegenüber den linken Kräften um Urban die Mehrheit im geschäftsführenden Vorstand stellen. Der Flügel um Huber und Wetzel stützt sich vor allem auf die „Co-Manager” in der Autoindustrie. Sie hatten das Scheitern des Streiks zur Einführung der 35-Stundenwoche in der Metall- und Elektroindustrie in Ostdeutschland mitverursacht. Die tiefen Spuren dieses Konflikts sind bis heute im hauptamtlichen Funktionärskörper erkennbar.
ERA
Mit dem Abschluss des Entgeltrahmenabkommens (ERA) im Juni 2003 öffnete Huber die Tür zur weiteren Verbetrieblichung der Lohnpolitik. Dieser „Meilenstein in der Tarifgeschichte der Nachkriegszeit” (so Huber) hat zuletzt im Frühjahr 2007 heftige betriebliche Auseinandersetzungen gegen massive Lohnkürzungen („EntgeltReduzierungsAbkommen”) verursacht. Die Forderung nach einem betriebsübergreifenden Widerstand gegen das koordinierte Vorgehen der Unternehmer konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Der IGM-Apparat hat gerade in Baden-Württemberg unter Jörg Hofmann, Hubers Nachfolger als Bezirksleiter, alles unternommen, um die Proteste zu kanalisieren. Es durfte nicht sein, dass wenige Monate vor der Kür Hubers zum Ersten Vorsitzenden, dessen „historisches” Werk in der Öffentlichkeit in Frage gestellt wird.

Der Flügel um Huber vertritt eine konsequente Politik gewerkschaftlicher Zugeständnisse gegenüber den Erpressungen des Kapitals. Beispielhaft war dies in der Auseinandersetzung um die Siemens-Werke in Kamp-Lintfort und Bocholt im Jahr 2003 zu verfolgen. Der dort vereinbarte Lohnverzicht und die Rückkehr von der 35- zur 40-Stundenwoche konnten die Arbeitsplatzvernichtung natürlich nicht verhindern.

Und ohne Huber als tarifpolitisch Verantwortlichem der IGM wäre auch das „Pforzheimer Abkommen” von 2004 nicht möglich gewesen. Demzufolge dürfen Firmen, die finanzielle Schwierigkeiten nachweisen können, unter gewissen Bedingungen Tarifverträge unterlaufen.
„Flexibilisierung”
Huber setzt, wie er der Stuttgarter Zeitung vom 8. September 2007 anvertraute, auf einen „kollegialen Führungsstil”. Huber weiter: „Ich bin davon überzeugt, dass es… gelungen ist, viele Gräben, die 2003 sichtbar wurden, zuzuschütten. Wir haben Inhalte in den Vordergrund gestellt und dazu beigetragen, das Lagerdenken aufzulösen.” Wer etwas Kenntnis hat von den Auseinandersetzungen im Gewerkschaftsapparat, kann diese Äußerungen nur als taktisch verstehen.

Zwar betont Huber pflichtgemäß die parteipolitische Unabhängigkeit der IG Metall, aber Widerstand gegen die neoliberale Umverteilungspolitik und ihre Folgen wie Hartz IV oder „Rente mit 67” ist noch weniger als bisher zu erwarten.
Huber steht für eine weitere „Flexibilisierung” und „Differenzierung” der IGM-Politik. So soll die IG Metall den Widerspruch zwischen Mitgliederinteressen und weiteren Zugeständnissen an die „Wettbewerbsfähigkeit” des Kapitals ohne größere Brüche meistern können.
Alternative
Die endgültige Umwandlung der IG Metall in einen reinen Ordnungsfaktor können nur neue Klassenauseinandersetzungen, das hartnäckige Eintreten für innergewerkschaftliche Demokratie und der Aufbau einer organisierten kämpferischen Strömung verhindern. Kurz gesagt: Zukunft und Gerechtigkeit brauchen Widerstand!

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