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Innenpolitik

Mindestlohn für PostzustellerInnen: Leben über dem Existenzminimum

Von Trixi Blixer | 01.01.2008

Nach viel hin und her stimmte nun auch der Bundesrat zu, für BriefzustellerInnen ab 1. Januar 2008 einen Mindestlohn von bis zu 9,80 € einzuführen. Damit ist der Postbereich die vierte Branche, in der eine verbindliche Lohnuntergrenze eingeführt wurde. Im letzten Jahr sah es streckenweise düster für den Branchenmindestlohn aus: die Große Koalition wollte sich partout nicht einigen; breite Kreise der CDU/CSU setzten lediglich auf einen „freiwilligen“ Mindestlohn.

Nach viel hin und her stimmte nun auch der Bundesrat zu, für BriefzustellerInnen ab 1. Januar 2008 einen Mindestlohn von bis zu 9,80 € einzuführen. Damit ist der Postbereich die vierte Branche, in der eine verbindliche Lohnuntergrenze eingeführt wurde.

Im letzten Jahr sah es streckenweise düster für den Branchenmindestlohn aus: die Große Koalition wollte sich partout nicht einigen; breite Kreise der CDU/CSU setzten lediglich auf einen „freiwilligen“ Mindestlohn. Jetzt haben aber tatsächlich, auch aufgrund der großen Öffentlichkeit zu diesem Thema, das Kabinett und im Anschluss der Bundesrat einer Verordnung zugestimmt, mit der der Tarifvertrag von dem Post-dominierten Arbeitgeberverband und ver.di für allgemein verbindlich erklärt wurde. Der jetzt beschlossene Mindestlohn liegt mit 9,80 € für den Westen weit über den Forderungen von Gewerkschaften und Die Linke, die nur  7,50 bzw. 8,00 € fordern.
Skandalöse Armutslöhne
Wie konnte dieser Beschluss nun doch noch möglich werden? Nachdem Arbeitslosenverbände und Gewerkschaften das Thema Mindestlohn spätestens seit der Einführung von Hartz IV verstärkt auf die Tagesordnung setzten, zog in den letzten Monaten ein Großteil der bürgerlichen Medien nach. Gerade angesichts des viel beschworenen Wirtschaftsaufschwungs und der statistisch gesunkenen Erwerbslosigkeit wird der Skandal deutlich, dass immer mehr Menschen zwar oft mehr als Vollzeit erwerbstätig sind, von ihrem Einkommen aber nicht leben können! Gerade weil die Unternehmen wieder mehr Profit machen, zeigt sich, dass sie ihre Zusatzgewinne auf Kosten der Beschäftigten einfahren. Skandalös ist nicht nur diese geringste Entlohnung, sondern auch, dass die Unternehmen damit rechnen können, ihren Lohn staatlich noch bezuschusst zu bekommen. Schließlich haben Beschäftige unterhalb eines bestimmten Einkommens das Recht, zusätzlich Wohngeld oder ergänzend Arbeitslosengeld II zu beantragen. Damit verdienen Unternehmen wie etwa die Zustellerfirma PIN (Hauptaktionär ist der Axel-Springer-Verlag) nicht nur direkt an der Armut ihrer Beschäftigten. Sie lassen sich ihre niedrigen Löhne noch öffentlich bezuschussen!
Armutsberuf BriefträgerIn
BriefträgerIn war bestimmt einmal ein schöner Beruf, als die Post noch staatlich und ein Monopolbetrieb war, als es eine einigermaßen ausreichende Personaldecke und eine zumindest existenzsichernde Bezahlung gab. Inzwischen gehört das Zustellergewerbe zu den Armutsberufen in der Bundesrepublik. Seitdem das Monopol gefallen ist und die Post profitorientiert wirtschaften soll, wird massiv an den Löhnen der ZustellerInnen geschraubt – natürlich nach unten. In Report Mainz vom 26.02.2007 werden Beschäftigte von Postkonkurrenten vorgestellt, die unter dem Existenzminimum verdienen: „Maik Möhle ist im Dauerstress. Er ist Briefzusteller bei Jurex in Berlin, verteilt Behördenpost wie zum Beispiel Bußgeldbescheide. Vierzig Stunden die Woche. Dafür bekommt er rund 800 Euro im Monat netto ausbezahlt […] Im Dezember verdiente er sogar nur 494 Euro. Im Januar 588 Euro. Jurex hatte ihm noch Geld für einen Schaden am Dienstwagen abgezogen.“ In vielen Unternehmen ist es zudem üblich, dass die ZustellerInnen außerhalb der Arbeitszeit die Post mit dem Privatwagen abholen müssen, ihr Gebiet schaffen sie oft nicht in der vorgesehenen Arbeitszeit und damit sind unbezahlte Überstunden vorprogrammiert. So reduziert sich der schlechte Stundenlohne de facto noch weiter.
Druck gegen Mindestlohn
Gleich nach dem Beschluss, den Post-Tarifvertrag für allgemein verbindlich zu erklären, lief die Wirtschaft Sturm. Mindestlöhne würden Arbeitsplätze zerstören und den Aufschwung kaputt machen. Auch Kanzlerin Merkel sagte dem SWF, sie werde sich in den nächsten Monaten sehr genau anschauen, wie viele Arbeitsplätze dadurch verloren gingen: „Jeder Arbeitsplatz ist ein wichtiger Arbeitsplatz“. Dabei betonte sie auch, dass sie gegen einen flächendeckenden Mindestlohn sei. Sieben Tochterunternehmen der angeschlagenen PIN-Group meldeten nach der Bundesratzustimmung Insolvenz an, betroffen sind mindestens 850 der 9000 Beschäftigten. Springer hat als Hauptanteilseigner seine Zahlungen eingestellt, weil es nach dem Bundestagsbeschluss zum Mindestlohn keine Perspektive mehr für dieses Geschäftsmodell gebe (Tagesschau, 23.12.07).

Schuld an der Insolvenz von PIN und am Abbau von Arbeitsplätzen hat aber nicht ein Mindestlohn, sondern eben dieses Geschäftsmodell, möglichst wenig Geld für Löhne und Gehälter auszugeben. So mag zwar die ein oder andere Dumping-Zustellerfirma in Konkurs gehen, deren Marktanteil an Zustellungen existiert aber trotzdem weiter. Den werden dann eben die Betriebe übernehmen, die nach Mindestlohn bezahlen. Und das ist nur gut für die Beschäftigten.
Übrigens: Wirtschaftsminister Glos warnt vor weiteren Mindestlöhnen in anderen Branchen. Er befürchtet den nächsten „Dammbruch“ (dpa) bei der Zeitarbeit. Den können wir nur begrüßen!

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